Der ursprünglich geplante Auftritt des Sängers Xavier Naidoo in der Rostocker Stadthalle im August sorgt für Unmut. Mehrfach wurde der Termin in der Hansestadt bereits verschoben, dann gingen die Veranstalter von einem Konzert im nächsten Jahr aus – bis sich die Rostocker Bürgerschaft einschaltete.
Diese stimmte am 19. Mai mehrheitlich gegen den Auftritt in der Stadthalle. Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos) legte gegen das beschlossene Auftrittsverbot Widerspruch ein – der Beschluss sei nicht rechtskräftig und könne daher nicht umgesetzt werden. Madsen beruft sich auf bestehende vertragliche Verpflichtungen, den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Meinungsfreiheit. Die sieht er bei einem Auftrittsverbot für Naidoo in Gefahr, ebenso das positive Image der Hansestadt. Man wolle dem Sänger in Rostock aufgrund seiner Meinungsäußerungen nicht die Bühne verwehren.
Dabei ist der umstrittene Musiker in der Vergangenheit vor allem für diese bekannt. Verschwörungsmythen, Leugnung des Holocausts, Reichsbürgerschaft und antisemitische Äußerungen teilt der Mannheimer Sänger im Minutentakt auf seinem Telegram-Kanal mit 117.000 Followern. Darunter Werbung für Attila Hildmann und das rechte Magazin „Compact“, das seit über einem Jahr vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft ist. Dazu teilt er dort regelmäßig die antisemitische Hetzschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“ und beschimpft den Zentralrat der Juden. Und erst im Mai veröffentlichte Naidoo eine Impfgegner-Hymne mit dem Refrain „Dieses Gift kommt niemals in unsere Körper rein“.
Stadt Mannheim rät von Naidoo-Auftritten ab
Seitdem Naidoo die RTL-Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ aufgrund von Rassismusvorwürfen verlassen musste, habe er sich von der Unterhaltungsindustrie verabschiedet, sagte Naidoo in einem Interview. Jetzt sei es sein Ziel, „die Menschen aufzuklären“, und dafür nutzt der bekennende Reichsbürger auch gerne seine Bekanntheit als Musiker. Etwa im gemeinsamen Musikvideo mit „Rapbellions“, mit einem offenen Aufruf zur Bewaffnung und der Sequenz, in der ein Terroranschlag auf ein Bremer Impfzentrum dargestellt sein soll.
Wie der „Tagesspiegel“ am Mittwochmorgen berichtete, darf der umstrittene Mannheimer 2022 in der Zitadelle in Berlin-Spandau auftreten. Der Zentralrat der Juden twitterte daraufhin ein Statement seines Vorsitzenden Josef Schuster: „Berlin darf Judenfeinden keine Bühne bieten, erst recht nicht in städtischen Räumen. Das Konzert muss untersagt werden.“
Doch nicht nur Berlin und Rostock diskutierten in jüngster Zeit über Auftrittsverbote aufgrund der antisemitischen und demokratiefeindlichen Haltung Naidoos, auch die Stadt Mannheim empfahl der dortigen SAP-Arena, den Künstler nicht auftreten zu lassen – obwohl Naidoo gebürtiger Mannheimer und Mitbegründer der „Söhne Mannheims“ ist. Nach Aussage der Stadt solle SAP prüfen, „ob sie einem Künstler, der immer weiter ins Abseits driftet und nun mit Antisemiten und Rechtsextremisten Musik macht, eine Bühne bieten will, die er erwartbar nicht nur musikalisch nutzen wird“.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung beantwortet die Frage, ob Naidoo denn wirklich so bedenklich und demokratiefeindlich sei, mit einem Verweis auf seine jüngste musikalische Zusammenarbeit mit Hannes Ostendorf, dem Sänger der rechtsextremen Hooligan-Band „Kategorie C“ und den Worten: „Mittlerweile ist er bei militanten Neonazis angekommen, vielleicht erübrigt sich damit die Frage.“
In Rostock haben sich die Grünen in der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch (16.06.2021) beim Antrag der Linken und SPD auf ein Auftrittsverbot enthalten und wollten stattdessen eine Resolution verabschieden. Der grüne Fraktionsgeschäftsführer Christopher Dietrich begründet dies mit der Ansicht, ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht dauere zu lange. „Höchstwahrscheinlich wäre es dann schon zu spät“, so Dietrich. Man wolle sich nicht in einen aussichtslosen Rechtsstreit begeben, sondern sich in der Resolution mit breiter Mehrheit klar von Naidoos Bekenntnissen, wie gemeinsamen Zielen und Positionen mit der Reichsbürgerbewegung, der offenen Solidarität mit rechtsextremen Akteuren und einer klaren Haltung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, distanzieren und so ein gemeinsames Signal aus der Bürgerschaft senden. „Auch wenn Naidoos Aussagen deutlich die Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit überschreiten“, betont Dietrich.
Aber der Änderungsantrag der Grünen und die geplante Resolution als gemeinschaftliches Statement gegen Diskriminierung und Rassismus, fand keine Mehrheit. Kritiker werfen den Grünen nun vor, sich mit der Stimmen-Enthaltung beim Antrag auf Auftrittsverbot von SPD und Linken, aus der Verantwortung zu ziehen. Die Jüdische Allgemeine reagierte promt auf den Beschluss: „Liebe Rostocker Bürgerschaft, dann verschont uns aber bitte künftig mit verlogenen Floskeln wie „In unserer Stadt hat Antisemitismus keinen Platz“. Danke!“, lautete die unmissverständliche Botschaft von Deutschlands einziger überregionaler jüdischer Wochenzeitung an die Hansestadt.
Letztlich muss sich die Stadt Rostock fragen, wo in dieser Situation im Endeffekt ein Imageschaden entsteht. Wird das Konzert im nächsten Jahr stattfinden, bietet man einem gefährlichen Demagogen eine Bühne, distanziert sich aber offiziell nicht einmal mit einer Resolution auf Papier. Naidoo könnte vor mehreren Tausend Besuchern seine Definition von Wahrheit verbreiten. Ob gesungen, von der Kunstfreiheit gedeckt, zwischen den Zeilen oder direkt ins Mikro gesprochen. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber fast dreißig Jahre nach Rostock-Lichtenhagen sollte man gerade mit rechtsradikalen Positionen in städtischen Einrichtungen der Hansestadt vorsichtig sein.
Quellen
- Antrag Bürgerschaft Rostock 2021/AN/2203, auf: ksd.rostock.de (19.05.2021)↩
- Claus Ruhe Madsen: Widerspruch 2021/AN/2203-02 (WI)
Keine neuen Konzerttermine für X. Naidoo in kommunal getragenen Veranstaltungsstätten
– Widerspruch -, auf: ksd.rostock.de (16.06.2021)↩ - Telegram-Kanal von Xavier Naidoo, auf: t.me (16.06.2021)↩
- Tagesspiegel (Hg.): Trotz Holocaustleugnungen darf Naidoo in Berlin singen, auf: tagesspiegel.de (16.06.2021)↩
- Die Tageszeitung (Hg.): Gemeinsame Sache mit Rechtsextremen, auf: taz.de (08.06.2021)↩
- Änderungsantrag der Grünen Fraktion 2021/AN/2203-03 (ÄA), auf ksd.rostock.de (16.06.2021)↩