Nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) schafft Gascade beim LNG-Terminal Mukran Tatsachen, obwohl für das Projekt weder eine Genehmigung noch ein vollständiger Antrag vorliege. Auch eine Rechtsgrundlage fehle, denn der Standort Mukran ist noch immer nicht Teil des LNG-Beschleunigungsgesetzes. Zwar habe das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf für die Aufnahme verabschiedet, doch für das nötige parlamentarische Verfahren gebe es noch keinen Zeitplan, heißt es von der DUH.
Mit dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens hat die DUH dem Bergamt Stralsund deshalb einen Fragenkatalog übermittelt. Darin verlangt die Umweltorganisation Auskunft zu einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung für das Projekt. Die DUH bemängelt in ihrem Schreiben außerdem, dass von der bisherigen Vorhabenträgerin RWE lediglich Pläne für eine Verbindungspipeline vom LNG-Terminal vor Sellin zur Anlandestelle in Lubmin bekannt seien. Gascade plane nun Arbeiten für eine Pipeline von Mukran nach Lubmin, für die weder ein Antrag noch eine Rechtsgrundlage vorlägen. „Wir wollen vom Bergamt wissen, was genehmigt ist und warum“, erklärt LNGSascha Müller-Kraenner.
Gascade: Arbeiten als Grundlage für Genehmigungsverfahren
Gascade wehrt sich gegen den Vorwurf der DUH, ohne Genehmigung Tatsachen zu schaffen. Der Baubeginn der Offshore-Leitung stehe nicht unmittelbar bevor, so Unternehmenssprecherin Uta Kull. Die eingesetzten Erkundungsschiffe fahren mit einer Genehmigung des Wasser- und Schifffahrtsamtes. „Wir müssen Erkundungen einholen, um Genehmigungsunterlagen überhaupt erst erstellen zu können“, erklärt Kull.
Doch selbst bauvorbereitende Maßnahmen können mit erheblichen Umweltbeeinträchtigungen verbunden sein, warnt die DUH, weshalb auch für sie eine Verträglichkeitsprüfung notwendig sei.
Fahrplan für den LNG-Ausbau
Die begonnenen Untersuchungen seien wichtig, um die Antragsunterlagen für den Pipelinebau so bald wie möglich einreichen zu können, erklärt Kull. Der Zeitplan für eine technische Fertigstellung bis Ende 2023 sei bereits anspruchsvoll. Die Unterlagen für das Genehmigungsverfahren sollen dem Bergamt Stralsund bis Ende Juni vorgelegt werden. Der Baubeginn mit Baggerarbeiten für die Anbindungsleitung in der Ostsee ist für August vorgesehen. Im September soll die Verlegung der Röhren erfolgen. „Welche Teilabschnitte wir in welcher Reihenfolge umsetzen werden, ist noch Gegenstand unserer Planungen“, sagt Sprecherin Kull. Neben der Offshore-Leitung müssten außerdem landseitig in Lubmin und Mukran Anbindungen an das Gasnetz hergestellt werden.Die Verlegearbeiten dauern nach Angaben von Gascade etwa dreieinhalb Monate. Unter idealen Voraussetzungen könnte die Leitung voraussichtlich Mitte Dezember technisch fertiggestellt sein. Vor der tatsächlichen Inbetriebnahme sind vorbereitende Arbeiten wie Reinigung und Testbetrieb notwendig. Dafür plane Gascade weitere drei bis vier Wochen ein. Im Januar 2024 könnte der Regelbetrieb starten.
Dieser Zeitplan kann jedoch nur eingehalten werden, wenn politisch und rechtlich keine weiteren Hürden auftreten und auch die Witterungsbedingungen Arbeiten auf See zulassen. Etwaige Einschränkungen durch Wind und Wellen und ihr Einfluss auf die durchzuführenden Arbeiten lassen sich jedoch nicht vorhersagen.
Erkundungsarbeiten in Naturschutzgebieten
Die Gewässer um Rügen und der Greifswalder Bodden bis nach Lubmin gehören zu Natura-2000-Schutzgebieten. Auch deshalb beschreibt DUH-Geschäftsführer Müller-Kraenner die Erkundungsarbeiten von Gascade als „nicht so harmlos“. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei im Hinblick auf die besondere Natur unumgänglich. Erst recht, da die Gasversorgung sichergestellt und es nicht notwendig sei, Rügen als Standort ins LNG-Beschleunigungsgesetz aufzunehmen.
Müller-Kraenner fordert ein Genehmigungsverfahren, aus dem ersichtlich wird, wo die Pipeline exakt verlaufen soll. Bisher gebe es lediglich eine Skizze von Gascade. „Das ist so ein bisschen wie mit dem Kugelschreiber auf eine Landkarte gemalt“, kritisiert der DUH-Chef. Auf dieser Grundlage lasse sich nicht einschätzen, ob bei den Arbeiten Schäden an der Natur entstehen. Auf einer Planungskarte sehe man dagegen genau, wo die Pipeline verlaufe und welche Schutzgebiete betroffen seien. „In einem offiziellen Genehmigungsverfahren haben wir das Recht, uns zu beteiligen und die Unterlagen zu sehen. So gehört sich das in einem Rechtsstaat.“
Der LNG-Ausbau sei ein riesiges industrielles Projekt, zu dem nicht nur die Pipeline, sondern auch bauliche Veränderungen im Hafen von Mukran gehörten. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass uns die Gascade-Planungen in diesem sensiblen Naturraum überzeugen werden“, urteilt Müller-Kraenner. Rechtliche Schritte behält sich die DUH deshalb vor. Und wenn es dazu kommt? „Ich glaube, wir haben gute Chancen, zu gewinnen, weil das EU-Naturschutzrecht auf unserer Seite ist.“