Rostock

Demo für alle

Dem Aufruf des Bündnisses #Unteilbar MV folgten am Samstag rund 1.000 Menschen nach Rostock, um kurz vor den Wahlen für eine solidarische und nachhaltige Zukunft zu demonstrieren.

Kurz nach 14 Uhr wimmelt es vor dem Rostocker Hauptbahnhof von Menschen, Plakaten, Bannern. Das Bündnis #Unteilbar MV hatte für Samstag, acht Tage vor den Wahlen, zur Demonstration aufgerufen. Gekommen sind mindestens 1.000 Menschen. Ein paar Ältere und viele Junge, Familien mit Kindern, Antirassistinnen, Umweltaktivisten, Klimaschützerinnen, Gewerkschaften und die Antifa. Alle aktuellen Themen ploppen hier irgendwie auf: „Seebrücke statt Seehofer“ steht auf einem Schild, „Chancen hoch, Mieten runter!“ auf einem anderen. Unteilbar ist ein so breites Bündnis, dass zuweilen ein bisschen verschwimmt, wofür die Demo eigentlich steht.

Junge Teilnehmer:innen tragen das Banner des Bündnisses #Unteilbar MV (Foto: Paul Zimansky)

„Die großen Fragen unserer Zeit können nur gemeinsam beantwortet werden, sie gehören unteilbar zusammen“, erklärt Sarina Jasch aus dem Organisationsteam. „Wir wollen mit unseren Forderungen eine Woche vor den Wahlen daran erinnern, was diesmal alles auf dem Spiel steht – eine lebenswerte Zukunft für alle.“ Die Demo sei „die größte politische Veranstaltung vor den Wahlen“.

Für Teresa, eine weitere Teilnehmerin, war der Zeitpunkt so kurz vor der Doppelwahl ein Grund, mitzumachen. Sie war bei einigen Vorbereitungstreffen dabei. Jetzt, da sich der Demozug in Bewegung setzt, hält sie ein Plakat hoch. Darauf steht: „Schluss mit weiter so“. „Ich glaube, dass viele Menschen noch unentschieden sind und noch nicht wissen, wem sie ihre Stimme geben sollen“, sagt sie. „Deshalb denke ich, dass es jetzt total wichtig ist, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.“

Teresa (rechts, Foto: Anke Lübbert)

Väter demonstrieren für ihre Kinder, Afghanen für Frauenrechte und Lehrerinnen für mehr demokratische Kultur an Schulen

Unteilbar entstand 2018 als bundesweites Bündnis nach rechtsextremen Gewalttaten und Demonstrationen in Chemnitz und Köthen, nach dem Erstarken der AfD und Bewegungen wie Pegida. Zur Großdemo nach Berlin vor drei Jahren kamen nach Angaben von Unteilbar 240.000 Menschen. In Mecklenburg-Vorpommern haben 200 Organisationen und Einzelpersonen seit diesem Frühjahr den Gründungsaufruf des Bündnisses für eine offene und freie Gesellschaft unterzeichnet: Von A wie Aktionsbündnis 8. Mai bis W wie Wolfgang-Koeppen-Stiftung.

Zweieinhalb Stunden lang bewegt sich der Demonstrationszug durch die Stadt. Die Teilnehmenden sind fünf Blocks zugeordnet: soziale Gerechtigkeit und Wohnen, Queerfeminismus, Jugend und Soziales, Klima- und Umweltschutz sowie Antirassismus und Vielfalt. Jeder Block hat einen eigenen Lautsprecherwagen, und auch die Sprechgesänge unterscheiden sich. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, diesen Slogan kennt man von Fridays-for-Future-Demos, er wird am Samstag aber auch im Jugendblock skandiert. Im antirassistischen Block haben sich viele Afghaninnen und Afghanen organisiert, schwenken afghanische Flaggen und rufen die Bundesregierung auf Deutsch und Persisch dazu auf, die Taliban nicht offiziell anzuerkennen.

(Foto: Anke Lübbert)

Ali Gholam kommt aus Wismar. Er erzählt, dass Afghanen aus ganz Mecklenburg-Vorpommern gekommen sind, aus Stralsund, Greifswald, Wismar, Schwerin, um sich für Menschen- und Frauenrechte in Afghanistan einzusetzen. „Jeder von uns sorgt sich um Freunde und Familie dort. Die Taliban sind Terroristen, die es nicht verdient haben, als rechtmäßige Regierung anerkannt zu werden.“ In einem Redebeitrag fordert Sayed von der Organisation Rostock Jugend spricht die Unterstützung der Proteste in Afghanistan, die Evakuierung der Ortskräfte, humanitäre Hilfe, Familiennachzug, sichere Fluchtwege und ein Landesaufnahmeprogramm für Mecklenburg-Vorpommern.

(Foto: Anke Lübbert)

Hundert Meter weiter hinten hält ein Vater ein buntes Schild hoch und erzählt, dass seine Kinder bei einem Workshop im Circus Fantasia viel über Kinderrechte gelernt hätten und heute dafür protestieren wollten. „Die Kinder und Familien haben in der Pandemie ganz schön zurückstecken müssen“, sagt er. Zwei Lehrerinnen fordern eine stärkere demokratische Kultur an Schulen, die DGB-Jugend will ein Zeichen gegen Rassismus setzen.

Vater demonstriert für Kinderrechte, Lehrerin für mehr demokratische Kultur an Schulen (Fotos: Anke Lübbert)

Vorgezogene Wahlparty

Unteilbar soll ausdrücklich keine „Anti-Demo“ sein, aber die am häufigsten hochgehaltenen Demoschilder dürften bunte Anti-AfD-Plakate sein. Auf die Ablehnung der AfD und ihrer Politik können sich hier vermutlich alle einigen. Und die AfD könnte laut aktuellen Umfragen immerhin rund 15 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl bekommen und landesweit die zweitstärkste Partei werden. Claudia Gielow vom Rostocker Verein bunt statt braun erinnert auf der Abschlusskundgebung am Stadthafen an den Nordkreuz-Komplex und an die Affinität vieler Menschen zu Verschwörungserzählungen mit antisemitischem Kern. „Die AfD tut so, als sei sie eine demokratische Partei“, sagt sie, „dabei ist sie der parlamentarische Arm des rechten Terrors.“

Die Unteilbar-MV#-Demo endet am Abend mit Luftballons über der Bühne, mit Essen und Trinken, Redebeiträgen aus allen Blocks und Musik der Rostocker Band Lappalie. Und mit Leuten auf der Tanzfläche. Sogar der Sprecher der Polizei ist zufrieden, die Demo sei „super organisiert“ gewesen, findet er. Die Veranstaltung am Hafen, kurz vor der Wahl – am Ende wirkt sie ein bisschen wie eine Party. Eine vorgezogene Wahlparty. Schließlich weiß man nie, ob es hinterher noch etwas zu feiern gibt.

Transparenzhinweis: Auch KATAPULT gehört zu den 200 Organisationen und Einzelpersonen, die den Aufruf von #Unteilbar MV unterzeichnet haben.

(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
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(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)
(Foto: Paul Zimansky)

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