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Neue Ministerien

Mehr Frauen als Männer an der Spitze

Die Ministerien sind zugeschnitten und verteilt. Vier Männer und fünf Frauen schmeißen jetzt den Laden in Schwerin: Sechs Ressorts gehen an die SPD, zwei an die Linke. Die Opposition beäugt die Entscheidungen der neuen, rot-roten Regierung kritisch.

Am Donnerstag gaben Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und ihre baldige Stellvertreterin, die Linken-Fraktionsvorsitzende Simone Oldenburg, ihr Kabinett bekannt. Erstmals in der Geschichte Meck-Vorps führen mehr Frauen als Männer ein Ministerium. Fünf Kabinettsmitglieder stammen aus dem Osten und vier aus den alten Bundesländern. Wahlsiegerin SPD wird sechs Ressorts übernehmen, die Linke zwei. Neben den Verantwortlichen haben sich für die Legislaturperiode 2021-2026 auch die Zuständigkeiten der Ministerien geändert.

Ein kurzer Überblick:

Das Superministerium: Wirtschaft, Tourismus, Infrastruktur, Verkehr, Energie, Arbeit, Landesentwicklung, Digitalisierung

Unter der Leitung von SPD-Mann Reinhard Meyer finden sich nun die Bereiche Wirtschaft, Arbeit, Verkehr, Energie, Landesentwicklung, Infrastruktur, Tourismus und ein Teil der Digitalisierung. Der 62-jährige Meyer war schon vieles: Staatskanzleichef in Schwerin (2006-2012), Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein (2012-2017), dann wieder Chef der Schweriner Staatskanzlei (2018/2019), zuletzt seit Mai 2019 Finanzminister. Nebenher ist er seit 2007 Präsident des Deutschen Tourismusverbandes. Die bisher mitregierende und nunmehr oppositionelle CDU kritisiert, dass das Thema Digitalisierung auf zwei Ministerien aufgeteilt werde. „Dass ein Teil der Digitalisierungszuständigkeiten aus dem Energieministerium in das Innenministerium überführt werden soll, halte ich für eine eindeutige Fehlentscheidung“, erklärte Fraktionschef Franz-Robert Liskow. Statt diese wichtige Zukunftsaufgabe zu bündeln, würden die Zuständigkeiten noch stärker gestreut als bisher.

Finanzen

Das Finanzressort von Reinhard Meyer übernimmt Heiko Geue (SPD). Der Politiker ist Jahrgang 1965, verheiratet und hat zwei Kinder. Schwesig holte ihn 2019 nach Mecklenburg-Vorpommern. Er war bis dahin Abteilungsleiter im Bundesfamilienministerium, das Schwesig von 2013 bis 2017 geführt hatte. Sie machte ihn für zwei Monate zum Staatssekretär im Finanzministerium, dann wurde er Chef der Staatskanzlei. Wer seine Nachfolge antritt, ist noch offen.

Bildung und Kindertagesstätten

Fraktionsvorsitzende, stellvertretende Ministerpräsidentin und nun auch Bildungsministerin: Simone Oldenburg. Für sie wird das Ressort umgebaut: Die Lehrerin wird für die Bildung von der Kita bis zum Abitur und die Berufsausbildung zuständig sein. Bisher waren die Kindertagesstätten beim Sozialministerium angesiedelt. Doch weil es sich um Stätten frühkindlicher Bildung handele, seien sie in ihrem künftigen Ressort gut aufgehoben, so Oldenburg. Die Bereiche Hochschule und Wissenschaft stehen nun nicht mehr unter der Führung des Bildungsministeriums.

Die 52-jährige Lehrerin aus Gägelow bei Wismar ist seit 2016 Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag von MV. Die verheiratete Mutter eines erwachsenen Sohnes ist Bildungsexpertin und galt in der Vergangenheit mit ihren Forderungen nach deutlich mehr Lehrkräften und einer beruflichen Entlastung der Pädagogen als Schrecken der jeweils amtierenden Bildungsminister. In den Koalitionsverhandlungen für Rot-Rot konnte sie jedoch nur 200 zusätzliche Lehrerstellen durchsetzen, gefordert hatte sie 1000.

Soziales, Gesundheit und Sport

Das Sozialministerium, nun ohne Kitas, bleibt bei Stefanie Drese (SPD), die seit November 2016 das Ministerium leitet. Drese stammt aus Rostock, ist Juristin und lebt mit ihren Kindern in Satow bei Bad Doberan. Infolge eines Untersuchungsausschusses zum Finanzgebaren von Sozialverbänden konnte Drese 2019 ein Wohlfahrtfinanzierungs- und -transparenzgesetz auf den Weg bringen. Der Bereich Gesundheit – in der letzten Legislaturperiode dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen – kehrt zurück ins Sozialministerium.

Kultur, Wissenschaft, Bundes- und Europaangelegenheiten

Traditionell gehörten die Bereiche Kultur und Wissenschaft zum Bildungsministerium – werden jetzt aber Teil eines neuen Hauses, das die bisherige Ressortchefin Bettina Martin (SPD) übernimmt und das außerdem die Bereiche Bundes- und Europaangelegenheiten bekommt. Die 55-jährige Martin stammt aus Berlin und gilt als enge Schwesig-Vertraute. Von 2009 bis 2013 leitete sie Schwesigs Büro, als diese stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende war. Dann leitete sie bis 2017 das Büro der Bundesfamilienministerin Schwesig, anschließend wurde sie Bevollmächtigte des Landes MV in Berlin. Im Mai 2019 holte Schwesig sie nach Schwerin und setzte sie an die Spitze des Bildungsministeriums. Die FDP kritisiert die Absplittung des Wissenschaftsressorts vom Bildungsministerium: „Für uns Freie Demokraten zählen frühkindliche Bildung, Schulbildung, berufliche Bildung bis zur Hochschulbildung eindeutig und untrennbar ins Bildungsressort“, betonte der Fraktionsvorsitzende René Domke.

Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz

Die Rechtspolitikerin der Linken, Jacqueline Bernhardt, übernimmt das Justizressort. Dort soll sie auch für Gleichstellung und Verbraucherschutz zuständig sein. Die 44-jährige Juristin stammt aus Leipzig und lebt mit Mann und Sohn in Groß Laasch bei Ludwigslust. Sie sitzt seit zehn Jahren im Landtag und wurde erst im Oktober zur parlamentarischen Geschäftsführerin ihrer Fraktion gewählt. Bernhardt trat bisher als Familien- und Rechtspolitikerin in Erscheinung.

Inneres, Bauen und Digitalisierung

Ein Teil der Digitalisierung bleibt in den Händen des bisherigen Verkehrs- und Infrastrukturministers Christian Pegel von der SPD. Dazu bekommt er noch die Ressorts Bauen und Inneres – für Letzteres war in den vergangenen Wochen auch der Linken-Politiker Dietmar Bartsch im Gespräch. Ambitionen, nach Schwerin zu kommen, dementierte Bartsch jedoch diese Woche gegenüber der Ostsee-Zeitung. Für Pegel gibt es einiges zu tun: Das Innenministerium, bislang unter Torsten Renz in CDU-Hand, geriet zuletzt immer wieder durch Pannen beim Verfassungsschutz und durch Rechtsextremismus innerhalb der Polizei in Verruf.

Klimaschutz, Agrar und Umwelt

Das Agrar- und Umweltministerium bleibt bei SPD-Landtagsurgestein Till Backhaus. Backhaus ist bereits seit 1998 Agrarminister. Länger als er ist kein Minister in der Bundesrepublik im Amt. Dazu bekommt das Ministerium noch das Ressort Klimaschutz. Die bleibende Personalie Backhaus freut besonders Landesbauernpräsident Detlef Kurreck. „Die Entscheidung, Till Backhaus erneut zum Landwirtschaftsminister zu ernennen, ist für mich keine Überraschung“, sagt Kurreck. Schon im Koalitionsvertrag von SPD und Linker sei bei den Themen Landwirtschaft und Umwelt deutlich Backhaus’ Handschrift erkennbar gewesen.

Schwesig betont, die Besetzung der Ministerien sende passend zum Koalitionsvertrag Aufbruchsignale aus. Etwa durch neue Aufgaben wie den Klimaschutz. Zugleich werde „Kontinuität sichtbar“ – ein Punkt, den jedoch auch die Opposition als wenig tatsächlichen Aufbruch kritisiert. Harald Terpe, Fraktionsvorsitzender der Grünen, kommentiert die Kabinettsbildung so: „Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe. Dass ausgerechnet Herr Backhaus dafür die Verantwortung bekommt, überrascht sehr und lässt nicht viel erwarten. Schließlich sind seine Ankündigungen schon in der Vergangenheit nicht erfüllt worden. Zwei Beispiele: Der Waldanteil stagniert bei 24 Prozent und die Wiedervernässung der Moore kommt seit Jahren nicht mehr voran.“

Am Samstag finden die zwei Sonderparteitage der Parteien statt, um den Koalitionsvertrag abzusegnen. Am Montag ist dann die Wiederwahl Schwesigs als Ministerpräsidentin im Landtag sowie die Ernennung der Ministerinnen und Minister vorgesehen.

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