Die Organisator:innen hatten für den 5. März in Waren zum „Widerstand für Familie, Volk und Vaterland“ aufgerufen. Geplant war ein Aufzug um 13 Uhr. Später, am frühen Abend, wollten die Neonazis dann am Ehrenmal in der Kietzstraße den deutschen Opfern beider Weltkriege gedenken. Das Vorhaben scheiterte am Protest von weit über 100 Antifaschist:innen.
Fragen wirft im Kontext der Geschehnisse vor Ort das Verhalten der Polizei auf.
Staatsschützer zieht Schusswaffe
So kam es auf dem Warener Bahnhofsvorplatz zum Zusammenstoß zwischen etwa 20 bis 30 Gegenprotestant:innen, die gerade mit dem Zug angereist waren, und vier Neonazis. Bereitschaftspolizist:innen, die beide Gruppen hätten trennen können, waren nicht vor Ort. Offenbar hatte die Einsatzleitung keine Kenntnis von der Anreise der Gruppe mit der Bahn. Wie das Polizeipräsidium Neubrandenburg auf Nachfrage mitteilte, sei „die Gruppe auch nicht unmittelbar vorher mit dem Zug angekommen“.
Auf dem Bahnhofsvorplatz hätten sich allerdings zwei Zivilbeamte der „Mobilen Aufklärung Extremismus“ befunden. Sie hätten von der Anreise der Gruppe gewusst, seien aber in anderem Auftrag vor Ort gewesen, so das Polizeipräsidium. Nachdem die Beamten beobachtet hatten, wie beide Gruppen „aggressiv aufeinander zugingen“, hätten die Kollegen sich als Polizeibeamte zu erkennen gegeben und die Beteiligten aufgefordert, sofort auseinanderzugehen. Dabei habe einer der beiden zur Schusswaffe gegriffen, äußert sich das Polizeipräsidium zur Vorgehensweise. Es sei auch mit dem „Einsatz des Reizgassprühgerätes“ gedroht worden. So habe die Situation kurzzeitig beruhigt werden können. Von den Kriminalbeamten sei nachfolgend Unterstützung angefordert worden, „die wenige Minuten später eintraf“.
Polizei: Ziehen der Schusswaffe war rechtmäßig
Aus Sicht der Polizei war der Griff des Zivilbeamten zur Pistole rechtmäßig. Er habe die Dienstwaffe „ordnungsgemäß zur Eigensicherung in der verkürzten entschlossenen Sicherungshaltung“ gehalten, so das Polizeipräsidium. „Das Führen der Schusswaffe […] ist nicht zu beanstanden. Eine Androhung des Schusswaffengebrauchs in Richtung von Personen ist in der besagten Situation nicht erfolgt“, heißt es weiter.
Unklar bleibt, warum die beiden Gruppen überhaupt aufeinandertreffen konnten. Gegendemonstrant:innen, die mit der Bahn vor dem geplanten Beginn der Demo angereist waren, seien im Vorfeld von Polizeikräften aufgenommen und in Richtung Versammlungsort begleitet worden, teilt das Polizeipräsidium mit. „Erkenntnisse zu möglichen weiteren Bahnanreisenden lagen nicht vor“, teilte die Polizei am Dienstag auf nochmalige Nachfrage mit.
Mangelnde Ortskenntnis, fehlende Absprache und Informationsweitergabe
Auf eine womöglich mangelhafte Vorbereitung seitens der Polizei deuten noch weitere Szenen hin. So gelang es den Beamten beispielsweise nicht, eine größere Gruppe Gegendemonstrant:innen auf dem Weg in Richtung Neonazi-Demonstration unmittelbar zu stoppen. Die Folge: ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Antifaschist:innen und Polizei. Zwar versuchten einige Einsatzkräfte den Weg Richtung Bahnhof abzuschneiden. Doch demonstrierten schlussendlich trotzdem viele Neonazi-Gegner:innen auf dem Bahnhofsvorplatz. Offenbar waren dafür auch fehlende Ortskenntnisse der Beamt:innen verantwortlich. So liefen die Polizisten einmal in eine Sackgasse. Ein anderes Mal mussten sich Beamte bei einer Anwohnerin nach den örtlichen Gegebenheiten erkundigen.
Der Gruppenführer, dessen Einheit die Gegenkundgebung absicherte, räumte gegenüber KATAPULT MV ein, von einer Mobilisierung der Rechtsextremist:innen im Internet für 12 Uhr am Neuen Markt keine Kenntnis gehabt zu haben. Das Polizeipräsidium Neubrandenburg wiederum gibt an, dass der „Einsatzabschnittsführer […] in jedem Fall über die Hinweise im Netz informiert“ gewesen sei und „seine Kräfte entsprechend der Erkenntnisse auf dem Markt positioniert“ habe. Es könne „allerdings sein, dass die Erkenntnisse […] im Detail nicht jedem einzelnen Kollegen bekannt waren“, räumt das Polizeipräsidium ein. Ob und inwieweit nun Konsequenzen folgen, bleibt unklar.