Festivals in Meck-Vorp

Forstrock-Festival zum 15. Mal in Jamel

Am 12. und 13. August heißt es wieder „Jamel rockt den Förster“. In diesem Jahr soll das Festival sogar etwas größer werden als bisher. Erstmals dürfen die Initiator:innen Birgit und Horst Lohmeyer in ihrem weitläufigen Garten bis zu 3.500 Gäste empfangen. Und auch eine zweite Bühne für lokale Acts wird es geben. KATAPULT MV hat mit Birgit Lohmeyer über das Festival und die Situation im Dorf gesprochen.

In der Vergangenheit konnte das Forstrock-Festival mit Auftritten namhafter Stars wie den Toten Hosen, den Ärzten oder Herbert Grönemeyer überregional für Aufsehen sorgen. Doch seit 2017 wird das Line-up nicht mehr vorab bekanntgegeben. Auf diese Weise möchten die Organisator:innen sicherstellen, dass die Besucher:innen in erster Linie wegen der politischen Ausrichtung der Veranstaltung den Weg nach Jamel (Nordwestmecklenburg) finden.

Durchgesickert ist für das Festival in diesem Jahr bislang nur, dass die Band „Tequila & the Sunrise Gang“ am Samstag auf der Bühne stehen wird. Die Musiker haben ihren Auftritt vor wenigen Tagen auf ihrer Website angekündigt. Mit Einverständnis der Veranstalter:innen, versteht sich. Die Kieler organisieren nämlich für ihre Fans eine Busreise in das Nazidorf.

KATAPULT MV: Ihr Festival findet dieses Jahr zum 15. Mal statt. Worauf dürfen sich die Besucher:innen freuen?Birgit Lohmeyer: Sie dürfen sich wieder auf ein wundervolles Line-up freuen. Wir haben wie immer gute Acts dabei. Zusätzlich gibt es dieses Jahr ganz viel Beiprogramm. Wir haben das erste Mal eine Kleinkunstbühne, auf der in den Umbaupausen der großen Bühne lokale Acts auftreten werden. Am Samstagabend wird dort auch der Film „Der stille Sommer“ gezeigt, der hier in MV entstanden ist. Dieser beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Pandemie und des Lockdowns auf die hiesigen Festivals. Unsere Freunde aus Berlin-Friedrichshain, die Hainis, werden ein literarisches Programm aufführen und es gibt am Samstag auch wieder ganz viele Workshops von den Initiativen, die Infostände auf dem Gelände haben werden.

Worauf freuen Sie sich ganz besonders?Ich freue mich ganz besonders darauf, die vielen Helfer:innen wiederzutreffen, die dafür sorgen, dass das Festival reibungslos über die Bühne geht. Viele Menschen, die sowieso viel mit dem Musikbusiness zu tun haben, aber auch andere, die hier ehrenamtlich vor Ort helfen, die Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Das ist wie ein Klassentreffen – wir treffen uns alle wieder und hocken uns am Ende der Festivalabende natürlich noch zusammen, unterhalten uns und haben viel Spaß miteinander.

Nun ist Jamel kein Ort wie jeder andere. In sechs von zehn Häusern hier wohnen Rechtsextremist:innen. Wie schätzen Sie aktuell die Stimmung im Dorf ein?Wie jedes Jahr vor unserem Festival wird die Atmosphäre deutlich nervöser. Mittlerweile kommt sogar der Nazianführer an unseren Gartenzaun und beschimpft uns. Allerdings sind gerade Schulferien, weswegen unsere Dorfkinder gerade abwesend sind. Es finden bekanntlich diese rechtsextremen Jugendfreizeiten in den Sommerferien statt. Das scheint in diesem Jahr wieder so zu sein.

Was hat Sie 2007 dazu bewogen, das Forstrock-Festival zu initiieren?Wir waren 2004 nach Jamel gezogen und merkten relativ bald, dass uns die rechtsextremen Nachbarn, die damals noch nicht so viele waren wie heute, aufs Korn nahmen. Die haben uns beschimpft und versucht uns zu vertreiben, und zwar durch verschiedene Dinge wie Sachbeschädigungen, Beschimpfungen, mimische und gestische Beleidigungen und Einschüchterungsversuche. Wir wollten uns das nicht gefallen lassen, aber haben gemerkt, dass wir hier ganz alleine sind. Andere Nachbarn hatten sich gegenüber den Rechtsextremen völlig zurückgehalten. Wir brauchten Öffentlichkeit.

Haben Sie seinerzeit erwartet, dass sich vielleicht einige der nichtrechtsextremen Nachbar:innen auf Ihre Seite schlagen würden?Natürlich! Wir mussten leider bitter feststellen, dass diese Nachbarn uns komplett meiden. Die reden nicht mehr mit uns, sie grüßen uns nicht mehr und sind mittlerweile auch deutlich umgeschwenkt auf die rechte Dorfseite, was Besuche und Unterhaltungen anbelangt. Zu den Rechtsextremist:innen findet eine Annäherung statt, zu uns maximale Abgrenzung.

Könnte das mit Angst vor den Neonazis zu tun haben?Davon gehe ich aus. Viele Menschen in der Region sehen Jamel seit Langem als verrufenes Dorf an und wollen mit der rechten Szene zwar nichts zu tun haben, sind aber auch nicht bereit, sich gegen sie zu wenden.

Sie sind in den letzten 15 Jahren selbst vielfach Opfer rechter Straftaten geworden. Im August 2015 setzten Unbekannte Ihre Scheune in Brand. Haben Sie irgendwann darüber nachgedacht, ihr Engagement zu beenden?Wir haben nie ernsthaft darüber nachgedacht, unseren Forsthof zu verkaufen, hier wegzuziehen oder uns politisch zurückzuziehen. Wir sehen es nach wie vor als unsere Aufgabe als Bundesbürger an, für die Demokratie zu werben. Gerade auch bei Leuten, denen gar nicht so klar ist, dass Demokratie Mitmachen bedeutet, dass die Demokratie tagtäglich im Alltag verteidigt werden muss, gerade gegenüber solchen Rechtsextremen.

Was hält Sie in Jamel?Jamel ist eigentlich ein wunderschön gelegenes Dorf, mitten zwischen Wald, Wiesen und Feldern. Wir haben ein großes Grundstück, wir bewohnen ein wunderschönes historisches Forsthaus. All das, was wir uns gewünscht haben, als wir damals 2003 auf Immobiliensuche waren. Das ist einer unserer Lebensträume, den wir hier verwirklicht haben. Es ist nach wie vor sehr schön hier, wenn man mal für einen Moment ausblendet, was auf der anderen Seite des Gartenzauns los ist.

Jamel rockt den Förster, 12./13. August 2022, Forststraße 13, Gägelow OT Jamel, Tagestickets ab 30 Euro, Festivaltickets ab 55 Euro, Vorverkauf unter www.forstrock.de, keine Abendkasse.

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