Russland-Krise

MV beschließt Abschiebestopp in die Ukraine – Landesregierung beruft Krisenstab ein

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern einen Abschiebestopp in das osteuropäische Land gefordert. Derzeit seien gut 700 Ukrainer aus MV ausreisepflichtig. Währenddessen flüchten Tausende innerhalb der Ukraine gen Westen. Die Landesregierung will sich auf mögliche kommende Schutzsuchende vorbereiten und kommt der Forderung nun nach.

Nachdem russische Truppen in die Ukraine vorgedrungen sind, beriet am Donnerstag die Landesregierung in Schwerin in einer Sondersitzung über die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nahm nach Angaben eines Sprechers aufgrund ihres Krankenhausaufenthalts nicht an der Onlineberatung der Landesregierung teil. Es gab außerdem eine Informationsberatung mit Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) und den Fraktionsvorsitzenden, so Staatskanzleichef Patrick Dahlemann (SPD).

Simone Oldenburg und Patrick Dahlemann äußerten sich nach der ersten Sondersitzung des Kabinetts zum Ukraine-Konflikt sichtlich nervös, aber mit klaren Worten. Dahlemann sprach den Familienangehörigen und Freunden von Ukrainer:innen im Land die besondere Anteilnahme der Landesregierung aus.

Am Nachmittag kommt die Landesregierung mit Oberbürgermeistern, Landräten und Vertreter:innen der Gemeinden zu einem Landeskrisenstab zusammen, auch um sich mit der Situation der Schutzsuchenden aus der Ukraine zu beschäftigen.

Abschiebestopp mit sofortiger Wirkung

Derzeit leben in MV rund 4.000 Ukrainer:innen. „Viele sind bereits seit den Neunzigerjahren als jüdische Kontingentflüchtlinge gekommen und leben hier gut integriert“, so der Flüchtlingsrat MV. 2014, im Jahr der russischen Krim-Annexion, kamen rund 800 Asylsuchende aus der Ukraine nach Mecklenburg-Vorpommern, 2015 rund 1.500. Derzeit sind gut 700 Ukrainer:innen ausreisepflichtig. Bis vor Kurzem führte das Land MV noch Abschiebungen in die Ukraine durch. Das Innenministerium beschloss am heutigen Donnerstag, aufgrund der dramatischen Zuspitzung der Situation in der Ukraine, die Rückführung von ausreisepflichtigen ukrainischen Staatsangehörigen zu stoppen. „Das gilt bis auf Weiteres, auch für bereits geplante Maßnahmen“, so Innenminister Christian Pegel (SPD). Angesichts möglicher Fluchtbewegungen aus der Ukraine in Richtung Deutschland sagte er: „Bund und Länder bereiten sich auf einen eventuellen Anstieg der Zugänge vor. Sollten tatsächlich Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht vor dem Krieg nach Deutschland kommen, gebietet es die Humanität, dass wir ihnen Zuflucht gewähren.“

Wir haben gegenüber den zuständigen Ausländerbehörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten angeordnet, Rückführungsmaßnahmen in die Ukraine auszusetzen.

Christian Pegel (SPD), Innenminister Mecklenburg-Vorpommern

Corona-Einsatz von Bundeswehrsoldat:innen in MV ungewiss

Dahlemann betonte außerdem, dass sich Mecklenburg-Vorpommern darauf einstellen muss, dass die Bundeswehrsoldat:innen im Corona-Einsatz womöglich hiervon abgezogen werden. Dies betreffe aushelfende Soldat:innen in rund 150 Gesundheitsämtern, 41 Truppenmitglieder in Krankenhäusern und 23 in Pflegeheimen. Er betonte, es bedürfe „ganz dringender Kompensation“ angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Beim Landeskrisenstab soll am Nachmittag unter anderem darüber gesprochen werden, wie Bundeswehrangehörige, die im Corona-Hilfseinsatz sind, gegebenenfalls ersetzt werden. Zudem gebe es unverzüglich Gespräche mit Landräten und Oberbürgermeistern darüber, wie sich die Kommunen auf einen möglichen Zustrom von Flüchtlingen aus dem Krisengebiet vorbereiten können.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin Simone Oldenburg (Die Linke) sagte im Anschluss an die Sondersitzung: „Uns alle erschüttern und besorgen die Nachrichten des Tages. Diese schreckliche Entwicklung trifft uns zutiefst. Wir wünschen uns alle ein Leben in Frieden und nie wieder Krieg.“ Die Landesregierung verurteile den Angriff „aufs Allerschärfste“. Oldenburg konstatiert: „Die russische Regierung hat Völkerrecht gebrochen. Putin muss diese Gewalt sofort einstellen. Alle Leben müssen geschützt werden.“

Russland-Aktivitäten der Landesregierung auf Eis

Der russische Einmarsch in die Ukraine stelle eine neue Dimension dar. Es gelte nun, weiter auf eine friedliche Lösung mit den internationalen Partnern hinzuwirken. „Für die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern ist es selbstverständlich, dass all unsere Aktivitäten gegenüber Russland ruhen“, so Oldenburg. Man stehe voll und ganz hinter dem Kurs der Bundesregierung.

Fragen zur Klimastiftung, die am Mittwoch ihre Arbeit eingestellt hatte, ließen Oldenburg und Dahlemann weitestgehend unbeantwortet. Die Arbeit der Stiftung ruhe komplett, das gesamte Geschäftswesen sei eingestellt. Die Stiftung geriet zusehends in Kritik, da sie unter anderem an der Fertigstellung der Erdgaspipeline Nord Stream 2 direkt beteiligt war, um US-amerikanische Sanktionen gegen Russland zu umgehen. Die Pipeline-Verbindungen der Klimastiftung würden nun „abgewickelt“.

Für Oldenburg seien die Klimastiftung und die Vorbereitungen des Russlandtages in MV „die beiden wichtigsten Punkte, wo kein Handschlag mehr getan wird“. Weitere Fragen wollten die beiden SPD-Politiker:innen dazu am Mittag nicht beantworten. Dahlemann verwies auf die eskalierende Situation in der Ukraine und betonte: „An dieser Stelle stellt sich heute eine solche Frage nicht.“ Auch die Frage nach sonstigen Projekten mit Russland-Bezug aus dem Koalitionsvertrag, wie deutsch-russische Schüleraustauschprogramme oder die intensive Regionalpartnerschaft des Landes mit dem Leningrader Gebiet, wurden nicht kommentiert.

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