Die konstituierende Sitzung des achten Landtags von Meck-Vorp am Dienstagnachmittag wurde von dem 79-jährigen Alterspräsidenten Horst Förster (AfD) im Schweriner Schloss eröffnet. Dem neuen Parlament gehören erstmals in der mehr als 30-jährigen Geschichte seit Neugründung des Landes sechs Parteien an.
Künftig soll die neue Legislaturperiode in MV jedoch nicht der älteste Parlamentarier, sondern der dienstälteste und somit parlamentarisch erfahrenste Abgeordnete eröffnen. Mit dem Hinweis, dass ohne diese Änderung in der konstituierenden Sitzung des Bundestages ein AfD-Abgeordneter (Anm. d. Red.: der 80-jährige Alexander Gauland) die dortige Versammlung eröffnet hätte, läutete Förster die Sitzung ein – mit vierjähriger Landtagserfahrung. In seiner Eröffnungsrede kritisierte der Alterspräsident die aktuelle Landespolitik und teilte seine Ansichten zur Demokratie. Laut dem 79-Jährigen werde die Demokratie in MV – außer durch „marginale Randgruppen“ – nicht infrage gestellt. „Es fällt schwer, sich für die Demokratie zu begeistern, aber sie ist die reparabelste aller Staatsformen. Sie muss sich als handlungsfähig erweisen und sich der Probleme der Bürger annehmen“, so der Alterspräsident. Er sehe lediglich eine „dünne Kompetenzschicht in allen Parteien“, sodass das notwendige Vertrauen der Bürger in die Demokratie ins Wanken gerate.
Neben dem Vertrauen der Bevölkerung in die Politik stellte Förster im Plenarsaal des Schweriner Schlosses unter anderem den menschengemachten Klimawandel infrage. Applaus für die Eröffnungsrede kam nur aus den Reihen der AfD-Fraktion.
Landtagspräsidium mit SPD, CDU und Linker gewählt
Frauen an der Spitze sieht man künftig auch weiterhin im Präsidium des Parlaments. Die seit 2016 im Landtag sitzende SPD-Politikerin Birgit Hesse wurde als Landtagspräsidentin wiedergewählt. Die Juristin und frühere Landesministerin erhielt am Dienstag 59 von 79 abgegebenen Stimmen. Die heute 46-Jährige hatte das Amt erstmals im Mai 2019 übernommen, nachdem die langjährige Parlamentspräsidentin Sylvia Bretschneider verstorben war. Hesse betonte: „Ihre Stimmen sind mir Wertschätzung und Verpflichtung zugleich“, und mahnte die 79 Abgeordneten aller Fraktionen, ihrer Verantwortung gegenüber den Wählern gerecht zu werden. Die Bürger:innen sollten sich stets gut vertreten und mitgenommen fühlen.
Die Landtagspräsidentin widersprach in ihrer Dankesrede dem Alterspräsident Förster hinsichtlich des Demokratievertrauens der Bevölkerung: „Die im Bundesvergleich sehr gute Wahlbeteiligung von 70,8 Prozent bestätigt, dass in Mecklenburg-Vorpommern von Politikverdrossenheit keine Rede sein kann.“ Das Parlament sei bunter geworden, weil die Wähler:innen einen vielfältigeren Landtag sehen wollten. „Viele einzelne Entscheidungen haben dafür gesorgt, dass wir heute hier so zusammensitzen“, sagte Hesse, die „Präsidentin aller Wähler“ sein wolle. Sie habe neue, veränderte Formate vor Augen, um das Verständnis und Vertrauen der Bevölkerung in die parlamentarische Arbeit und Demokratie zu stärken:
Bei der Wahl der ersten Vizepräsidentin des Landtags setzte sich die CDU-Abgeordnete Beate Schlupp klar gegen ihre AfD-Konkurrentin Eva-Maria Schneider-Gärtner durch. Schlupp erhielt 62 von 79 abgegebenen Stimmen. Für die neu ins Parlament gewählte Schneider-Gärtner votierten 15 Abgeordnete. Damit erhielt die AfD-Politikerin eine Stimme mehr, als ihre Fraktion Mitglieder hat. Zwei Stimmen waren ungültig. Nach der Niederlage schickte die AfD Schneider-Gärtner spontan ins Rennen für den zweiten Vizevorsitz. Doch auch bei der Wahl zur zweiten Vizepräsidentin unterlag Schneider-Gärtner. Gewählt wurde mit 51 zu erneut 15 Stimmen die Linken-Abgeordnete Elke-Annette Schmidt.
Kleine Parteien scheitern bei Ausschussvorsitzen
In der Debatte zur neuen Geschäftsordnung beklagten Abgeordnete von FDP und Grünen eine Benachteiligung ihrer kleinen Fraktionen bei der Besetzung der Ausschussvorsitze. Constanze Oehlrich von den Grünen forderte: „Die neue, gewünschte Vielfalt muss sich in der Verteilung der Ausschüsse widerspiegeln.“ Es gehe nicht um Posten, sondern um die adäquate Darstellung des Wählerwillens auch in den Ausschüssen. Ein Vorstoß, das Zählverfahren zugunsten der kleinen Fraktionen zu ändern, fand im Parlament keine Mehrheit.
Das wird anders im neuen Schweriner Landtag
Neben der Änderung des Kriteriums für den Alterspräsidenten gibt es in der achten Legislaturperiode des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern einige weitere Neuerungen.
Gleichberechtigung:
Fortan findet beispielsweise die gendergerechte Sprache Einzug in die Geschäftsordnung. „Endlich wird die Realität auch in einer Sprache dargestellt, die die Zusammensetzung des Landtags berücksichtigt“, sagte Jacqueline Bernhardt (Die Linke) und spielte damit auf die 29 weiblichen Abgeordneten im Plenarsaal an. Die Juristin fügt hinzu: „Auch wenn es Thore Stein von der AfD als Luxusproblem betrachtet.“ Der Neuparlamentarier hatte in seiner Rede kurz zuvor die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Sprachgebrauch des Landtags kommentiert: „Die deutsche Sprache war nie ungerecht. Andere Länder hätten gerne diese Probleme!“
Schwänzen:
Eine weitere Änderung sieht vor, dass Abgeordnete, die unentschuldigt fehlen, ein Strafgeld zahlen müssen. Plenarsitzung verpasst? 75 Euro. Bei namentlichen Abstimmungen mit Abwesenheit geglänzt? Macht 50 Euro! Ausnahme: Wenn die Präsidentin das Mitglied beurlaubt hat und somit das Fehlen entschuldigt.
Transparenz:
Die Nebeneinkünfte als Politiker:in offenlegen – vor wenigen Jahren in MV noch undenkbar. Die 79 Abgeordneten müssen künftig detaillierter als bisher über Einkünfte berichten, die sie während ihrer Mitgliedschaft im Landtag aus nichtselbständiger und selbständiger Tätigkeit erwirtschaften. Warum? Nebeneinkünfte bei Politikern können zu Befangenheit und Abhängigkeit führen. „Die Öffentlichkeit muss sich ein Bild von möglichen Interessenkonflikten einzelner Abgeordneter machen können“, hatten die Grünen vergangenes Jahr nach Bekanntwerden der Debatte um Korruption und die Lobbytätigkeit des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor gefordert.
Vergütung:
In einem gemeinsamen Antrag brachten SPD, CDU, Linke und FDP einen Änderungsantrag zum Abgeordnetengesetz ein. Es regelt unter anderem die Höhe der Diäten, die regelmäßig an die Bezüge eines vorsitzenden Richters an einem Landgericht in Mecklenburg-Vorpommerns angepasst werden. Aktuell erhalten Abgeordnete 6.449 Euro im Monat, die nächste Steigerung ist für 2022 vorgesehen. Die Bemessung der Diäten sei „richtig, nachvollziehbar und transparent“, betonte die Linken-Abgeordnete Jacqueline Bernhardt. Eine angemessene Entschädigung sichere die Unabhängigkeit der Mandatsträger. Allerdings muss diese seit Langem geltende Regelung zu Beginn einer Wahlperiode jeweils neu beschlossen werden.
Abstand:
Es wird enger: Die Mitglieder der nunmehr sechs Fraktionen nehmen in den regulären Stuhlreihen Platz. Zusätzliche Tische dahinter, wie sie zur Abstandswahrung noch bis Juni üblich waren, werde es nicht mehr geben, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Jochen Schulte. Das entsprechende Hygienekonzept sei dem zuständigen Gesundheitsamt in Schwerin vorgelegt und von diesem bestätigt worden.
„Wir haben im Ältestenrat lange darüber diskutiert“, räumte Schulte ein. Doch sei das Recht der freien Mandatsausübung ein hohes Gut und Beschränkungen, etwa durch die Anwendung der 2G- oder 3G-Regelung, seien nicht rechtens. Es liege in der Verantwortung der Fraktionen, für ein Höchstmaß an Schutz vor Ansteckungen zu sorgen. „Man kann nur an die Vernunft aller Abgeordneten appellieren, die Möglichkeiten zu nutzen, die es gibt“, sagte Schulte. Eine Maskenpflicht bestehe nicht, doch trugen am Dienstag einige Abgeordnete freiwillig einen Mund- und Nasenschutz.
Sitzordnung:
Dem Parlament gehören erstmals 79 statt bisher 71 Abgeordnete an. Grund dafür sind sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate. Laut Schulte wurden zusätzliche Abgeordnetenplätze in die Reihen eingebaut, die Gänge zwischen den Fraktionen bis auf einen beseitigt. Die Sitzordnung für die konstituierende Sitzung orientierte sich am Bundestag. Demnach folgen im Halbrund des Plenarsaals auf die Linke die SPD, dann Grüne, CDU, FDP und AfD.
Landesregierung nur noch geschäftsführend im Amt
Gemäß der Landesverfassung endete am Dienstag mit der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags die Amtszeit der Ministerpräsidentin und der von ihr bestellten Ministerinnen und Minister. Doch ist Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) dazu verpflichtet, die Geschäfte bis zur Neuwahl der Ministerpräsidentin weiterzuführen – und saß mit dem Landtagspräsidium im Plenum statt auf der Regierungsbank.
Die Wahlsiegerin SPD führt derzeit Koalitionsverhandlungen mit der Linken, die bis Mitte November abgeschlossen sein sollen. Die Wahl der Regierungschefin soll Ende November stattfinden.
Anders als Minister können parlamentarische Staatssekretäre nicht geschäftsführend im Amt bleiben. Deshalb verabschiedete Schwesig Patrick Dahlemann (SPD) aus seinem Amt als Staatssekretär für Vorpommern. „Für mich ist klar, dass Vorpommern auch in der kommenden Landesregierung ein Schwerpunkt sein wird“, sagte Schwesig, ließ aber offen, ob der Posten neu besetzt wird.
Aus seinem Amt verabschiedet wurde ebenfalls der bisherige Staatssekretär im Finanzministerium, Heiko Miraß. Der SPD-Politiker hatte bei der Landtagswahl ein Direktmandat in Vorpommern gewonnen und gehört nun dem Landtag an.
Quellen
- Landtag Mecklenburg-Vorpommern: Tagesordnung der konstituierenden Sitzung des Landtages der 8. Wahlperiode, auf: landtag-mv.de (26.10.2021)↩
- Landtag Mecklenburg-Vorpommern: Berechnungsverfahren für die Dauer der achten Wahlperiode, auf: landtag-mv.de (26.10.2021)↩
- Landtag Mecklenburg-Vorpommern: Geschäftsordnung des Landtages der achten Wahlperiode, auf: landtag-mv.de (26.10.2021)↩
- Landtag Mecklenburg-Vorpommern: Entwurf eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes, auf: landtag-mv.de (26.10.2021)↩
- Landtag Mecklenburg-Vorpommern: Aktuelle Sitzverteilung, auf: landtag-mv.de (26.10.2021)↩