Zum Inhalt springen

OB-Wahl in Schwerin

Das sind die Kandidierenden

Von

Lesedauer: ca. 9 Minuten

Artikel teilen

Rico Badenschier ist seit November 2016 Oberbürgermeister und findet, dass Schwerin bei ihm in guten Händen ist. Er habe in den letzten sechseinhalb Jahren „einige Sachen angestoßen“ und sei noch nicht fertig, sagt der gebürtige Chemnitzer. Der 44-Jährige lebt seit 15 Jahren in der Landeshauptstadt und posiert im Wahlkampf wie die Beatles auf Zebrastreifen.

Badenschier möchte Schwerin unabhängiger vom Land machen und den begonnenen Prozess der Schuldentilgung fortsetzen: „Wir können 2029 entschuldet sein und dann das erste Mal wieder auf eigenen Beinen stehen.“ Gleichzeitig will er die Wirtschaft stärken und die Versorgung mit erneuerbaren Energien ausbauen. Außerdem soll Schwerin eine Stadt der guten Nachbarschaft werden. Dazu gehört für Badenschier ein gemeinsamer Verkehrsverbund Westmecklenburg mit den umliegenden Landkreisen bis 2025. Er wünscht sich eine Hochschule am Technologie- und Gewerbezentrum (TGZ), weist aber darauf hin, dass die Entscheidung darüber beim Land liege. Außerdem warnt er vor zu hohen Erwartungen. Schwerin werde weder eine Universitätsstadt mit 20.000 Studentinnen werden, noch eine Hochschule errichten können „für die Jugend, die jetzt hier lebt“.

Eine zweite Amtszeit möchte Badenschier, weil er „die Stadtgesellschaft weiterentwickeln und Menschen miteinander verbinden“ wolle. Schwerin habe eine hochattraktive Innenstadt, so der amtierende OB. Doch „viele Menschen verbinden nichts mit Schwerin“. Stadt und Wirtschaft müssten gemeinsam die Marke Schwerin stärken.

Über sich selbst sagt Badenschier, dass er eher für Prozesse als für Projekte stehe, und bezeichnet sich als „ein bisschen ruhiger“ als seine Herausforderinnen. In einer möglichen zweiten Amtszeit will er sich für Neubauten sowohl eines Stadtgeschichtsmuseums am Schlachtermarkt als auch eines Radsportzentrums einsetzen. Außerdem habe er ein Prinzip: „Alkohol im Dienst erst in der zweiten Amtszeit.“

Badenschiers markantestes Zitat im Wahlkampf: „Herr Holm, Sie sorgen für eine ausländerfeindliche Stimmung und vertreiben damit die ausländischen Fachkräfte.“

Dorfmann, Jahrgang 1965, ist die einzige Frau unter den Kandidierenden. Seit 2014 sitzt sie für Bündnis 90/Die Grünen in der Schweriner Stadtvertretung und ist seit 2020 Vorsitzende ihrer Fraktion. Die gebürtige Ratzeburgerin leitet eine Beratungsstelle in Lübeck und wohnt seit 26 Jahren in Schwerin.

Ihr liegen unter anderem Verbesserungen für Fahrradfahrerinnen am Herzen. Die Landeshauptstadt brauche mehr Fahrradwege und Abstellplätze, aber auch mehr Möglichkeiten für Park and Ride und einen besseren öffentlichen Nahverkehr. „Ich möchte, dass Schwerin grüner wird und trotzdem eine blühende Wirtschaft hat“, sagt die ehemalige Geschäftsführerin des Jugendrings. Dafür möchte Dorfmann das Handwerk stärken und Schwerin zu einem attraktiven Ausbildungsort machen. Dafür brauche es eine bessere Infrastruktur und eine Hochschule. Um junge Menschen nach Schwerin zu locken, müssten Bildungsangebote geschaffen werden.

Sie wünscht sich mehr Kreative, die die Stadt neben der etablierten Hochkultur mit freien Theatergruppen und Musikangeboten beleben. Dorfmann selbst leitet die Schweriner Amateurtruppe Theater Wäscheklammer.

Wenig überraschend steht sie als Grüne für Klimaschutz und möchte einen Klimaaktionsplan für Schwerin entwickeln, der die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt. Als Oberbürgermeisterin möchte sie Klimaschutz zur Chefsache machen und Ökologie und Wirtschaft miteinander verbinden. Dorfmann plädiert für ein konsequentes Tempolimit von 30 km/h in der Schweriner Innenstadt sowie für mehr Platz für Fahrräder in den Straßenbahnen und „unbedingt auch mehr Straßenbahnen und einen besseren ÖPNV“. Weil der Ausbau viel Zeit in Anspruch nehme, sollen kurzfristig große und kleine Busse helfen.

Die Digitalisierung in der Verwaltung müsse schneller vorangetrieben werden. Dabei dürften aber die älteren Generationen, „die ohne QR-Code leben“, nicht vergessen werden. Außerdem brauche es mehr Sozialarbeiterinnen und eine verbesserte Unterstützung von Geflüchteten. Besonders wichtig sei dabei die Sprachförderung, sagt Dorfmann.

Ihr Lieblingskinderbuch ist Ronja Räubertochter von Astrid Lindgren, weil es darin um Zusammenhalt, Freundschaft und Entfaltung gehe, ohne in Rollenbildern stecken zu bleiben: „Mädchen können alles. Frauen auch.“

Als ehemaliger Radiomoderator ist der AfD-Landesvorsitzende Holm ein Kommunikationsprofi. Er ist der einzige Kandidat, der konsequent von „wir“ spricht, wenn er Schwerin meint. Außerdem sagt er, dass er nicht über Migration reden möchte, und schafft es trotzdem auffällig oft, die seiner Meinung nach „illegale Einwanderung“ themenunabhängig in den Raum zu stellen. Dabei haben die Kommunen bei der Einwanderung keine politische Entscheidungsgewalt.

Holm wurde in Schwerin geboren. Auf die Frage, warum er Oberbürgermeister werden möchte, antwortet der 52-Jährige: „Ich treibe mich im Bundestag in einer Zehn-Prozent-Fraktion herum. Das ist relativ brotlos.“ Stattdessen wolle er Verantwortung übernehmen. Schwerin brauche einen Neuanfang.

Holm inszeniert sich als Macher, als einen, der anpackt. Er will deutliche Zeichen für die Wirtschaft setzen und Wohlstand in Schwerin schaffen. Weniger Bürokratie und Steuern, mehr Arbeitsplätze und Unternehmen. „Schwerin ist nicht attraktiv“, so Holm. Die Stadt habe Nachholbedarf, die Infrastruktur sei ungenügend. Das liege auch an der Wirtschaft, die nicht gut genug aufgestellt sei.

Außerdem möchte er eine Technische Hochschule in Schwerin ansiedeln und die Verkehrsinfrastruktur in und um die Stadt herum ausbauen. Er denkt dabei vor allem an Autos. Die sollen auch weiterhin mit Tempo 50 durch die Innenstadt fahren dürfen. Was fehle, seien gute Parkmöglichkeiten, die etwa durch ein Parkhaus an der Grünen Straße geschaffen werden könnten.

Holm wolle bürgerliche Politik machen. Über seine Partei und sich sagt er: „Es mag hier und da Imageprobleme geben, aber ich will wirtschaftsliberale Politik machen.“

Der parteilose Steinitz tritt mit dem Wahlkampfslogan „Martin my ♥“ und der Unterstützung der Aktionsgruppe Stadt- und Kulturschutz (ASK) an, die rein kommunalpolitisch arbeitet. Seit November 2022 sitzt Steinitz für die ASK in der Stadtvertretung. Als Oberbürgermeister möchte er Schwerin zu einer autofreien Stadt machen. Im Wahlkampf setzt er auf die Themen Digitalisierung, Kultur und Subkultur, soziale Wohnungspolitik, Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung. Er wolle regionale Strukturen stärken und Wirtschaftsketten ausbauen. Eine digitale Verkaufsplattform, die den lokalen Handel unterstützt, könne helfen, um Geld in der Region zu halten, glaubt Steinitz.

Der Familienvater spricht sich gegen Preiserhöhungen im Nahverkehr aus und fordert bessere Löhne in Pflege- und Dienstleistungsberufen. Außerdem stellt er fest, dass der Bau der Nordtrasse nicht geeignet sei, die Innenstadt sinnvoll zu entlasten.

Als OB möchte Steinitz Schwerin gemeinsam mit den Bürgerinnen entwickelt. Er plädiert für mehr Zuwanderung und eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten.

Obwohl erst 33, sagt er über sich selbst: „Ich bin gut rumgekommen, im Beruf wie auch privat.“ Steinitz, der nach eigener Aussage sehr an Pflanzen interessiert ist, äußert sich ruhig und mit Bedacht. Im Vergleich zu den anderen Kandidatinnen hat er weniger Medienerfahrung, was er im Amt mit Unvoreingenommenheit wettmachen will.

Trepsdorf, in Finsterwalde geboren, lebt seit 2012 in Schwerin. Seit 2019 sitzt er für die Linkspartei in der Stadtvertretung, ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Chef des Ausschusses für Kultur, Gesundheit und Bürgerservice. Im Sommer 2022 wurde er zum Kreisvorsitzenden gewählt und leitete bis zur OB-Kandidatur das Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg.

Durch den Wahlkampf fährt Trepsdorf mit einer weißroten Schwalbe und setzt dabei auf das Thema Zusammenhalt. Das gelte nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch im Amt des Oberbürgermeisters, denn „niemand macht diesen Job allein“. Trepsdorf will sowohl in der Verwaltung als auch mit den Bürgerinnen der Stadt einen guten kommunikativen Weg finden. „Ich stelle gern Fragen, lasse mich begeistern und gehe auf Menschen zu“, beschreibt er seine Stärken. Als OB sei man auf Kooperation angewiesen und stets der erste Diener der Stadt. „Demokratie ist eine Mitmachveranstaltung.“

Eine große Herausforderung sieht Trepsdorf in der sozialen Entmischung der Stadtviertel. So müssten etwa die Randstadtteile künftig stärker als zugehörig betrachtet werden. Dort fehle es an Kitas und Schulen. Auch Suchtkranke gebe es in Schwerin in großer Zahl, weshalb das Gesundheitssystem und die Zusammenarbeit mit Trägern gestärkt werden müssten.

Es sollten mehr Sozialarbeiterinnen eingesetzt werden, ist Trepsdorf überzeugt. Gemeinsam mit dem Mittelstand müssten Bildungsangebote und ein attraktives Umfeld für junge Menschen geschaffen werden. Eine Hochschule sei dabei wichtig.

„Wir brauchen eine humane Asyl- und Einwanderungspolitik“, damit sich Menschen in die europäische Gesellschaft integrieren könnten, erklärt er. Mit der Einwanderung könne Schwerin der angespannten Situation auf dem Fachkräftemarkt begegnen. „Wir brauchen gute Arbeit und gute Löhne. Die Löhne müssen steigen.“

Trepsdorf will neuralgische Punkte im Radverkehr angehen und glaubt, dass Schwerin das Zeug zu einer 15-Minuten-Stadt habe, in der alle Ziele innerhalb einer Viertelstunde mit dem Fahrrad erreicht werden können.

Wenn Trepsdorf das Amt als Oberbürgermeister mit einer Kandidatin oder einem Kandidaten teilen müsste, würde er sich für Regina Dorfmann entscheiden, „weil sie die weibliche Perspektive miteinbringen kann“.

Tweers Wahlkampfmotto lautet „Mehr für Schwerin“, und das sagt er gern und oft. Unterstützt wird seine Kandidatur von CDU, FDP und den Unabhängigen Bürgern. Tweer wurde im afghanischen Kabul geboren. Bis zu seiner Kandidatur war er Präsident des Schweriner Unternehmerverbandes. Außerdem ist er Geschäftsführer der Diakonie Westmecklenburg-Schwerin.

Als Oberbürgermeister möchte er eine Willkommenskultur für Unternehmen und Start-ups etablieren, aber auch die bereits ansässigen Unternehmen unterstützen. Schwerin brauche außerdem mehr Transparenz und Mitbestimmung in der Verwaltung.

Mit Verweis auf seine Vita spricht sich Tweer Wirtschafts-, Führungs- und Sozialkompetenz zu. Um etwas in Schwerin bewegen zu können, müsse man vernetzt sein, sagt der 54-Jährige. Dafür brauche es mehr Miteinander. Als parteiloser Kandidat könne er Menschen zusammenbringen. Gleichzeitig wundere er sich manchmal, „wer sich alles zutraut, Oberbürgermeister von Schwerin zu werden“.

Sich selbst bezeichnet er als „Bürgermeisterkandidat mit Herzblut für eine Hochschule“ und fordert einen stärkeren Straßenbahnausbau und mehr Angebote für Park and Ride. Tweer grenzt sich klar von der AfD ab und wirft Mitbewerber Holm Populismus vor, weil dieser eine Senkung der Gewerbesteuer verlangt, die der Schweriner Haushalt nicht hergebe. Tweer sagt: „Ich würde als junger Mensch nicht in eine Stadt ziehen, die AfD-regiert ist.“

Tweer wünscht sich mehr Internationalität und eine engere Zusammenarbeit mit den Partnerstädten. Eine andere Kneipenkultur ist ihm ebenfalls wichtig. Schwerin müsse belebter werden, damit auch junge Menschen in die Stadt kommen. Damit das gelingt, hat er einen Wunsch: „Wählt Weltoffenheit und nicht Rechtsaußen.“

MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo!

Fußnoten

  1. Badenschier, Rico (Hg.): Ihr Oberbürgermeister für Schwerin, auf: badenschier.de (Stand 13.4.2023).
  2. Wen wählen? (Hg.): Regina Dorfmann (Grüne), auf: wen-waehlen.de.
  3. NDR (Hg.): Schwerin: Grüne Dorfmann kandidiert bei OB-Wahl, auf: ndr.de (2.2.2023).
  4. Autor verwendet generisches Femininum.
  5. Bündnis 90/Die Grünen, Kreisverband Schwerin (Hg.): Regina Dorfmann, auf: grnsn.de.
  6. Holm, Leif-Erik (Hg.): Schwerin voranbringen, auf: moin-schwerin.de.
  7. Aktionsgruppe Stadt und Kulturschutz Schwerin (Hg.): Richtlinien der Aktionsgruppe – Stadt und Kulturschutz (ASK Schwerin), auf: aktionstadtundkulturschutz.com.
  8.  Dittmer, Marco: Martin Steinitz will mit diesen Themen Oberbürgermeister werden, auf: svz.de (3.3.2023).
  9. ASK Schwerin (Hg.): Equal Pay Day – Auch in Schwerin ein Problem, auf: martinmy.vote.
  10. Trepsdorf, Daniel: Über mich, auf: daniel-trepsdorf.de.

Autor:innen

ist KATAPULT MVs Inselprofi und nicht nur deshalb gern am Wasser. Nutzt in seinen Texten generisches Femininum.

Neueste Artikel

10.10.2024

Stadtvertretung Neubrandenburg verbietet Regenbogenflagge

Ohne Debatte wurde der gestrige Antrag von Tim Großmüller von den Stadtvertreter:innen mit einer Mehrheit von AfD, BSW und Bürgern für Neubrandenburg angenommen. Inhalt des Beschlusses: Am Bahnhof darf ab sofort keine Regenbogenflagge mehr gehisst werden. Einen Tag nach dem Beschluss kündigte Oberbürgermeister Silvio Witt überraschend seinen Rücktritt an.
Die Karte zeigt anhand von Baumsymbolen den Zustand von MVs Wald. Unter 60 Bäumen (in rot) sind nur zehn grün eingefärbt, also gesund.

09.10.2024

Neuer Waldzustandsbericht

Die neue bundesweite Waldinventur mit alarmierenden Ergebnissen.

07.10.2024

Ein Schlupfloch der Demokratie?

Was haben Schwerin, Strasburg, Gägelow und Klein Bünzow gemeinsam? In ihren Stadt- beziehungsweise Gemeindevertretungen sitzen Menschen, die nachweislich Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken haben oder wegen einschlägiger Straftaten verurteilt worden sind. Dennoch konnten sie zur Kommunalwahl im Juni 2024 antreten – obwohl der Verfassungsschutz in vielen Fällen bereits ermittelt hat. Wieso können gesichert Rechtsextreme zu demokratischen Stellvertreter:innen gewählt werden?