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Erweiterung des Jachthafens Gustow

Der Gemeindevertretung fällt es schwer, das Nein der Bevölkerung zu akzeptieren

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Seit gut zehn Jahren betreibt die Firma Jaich einen Hafen an der Gustower Wiek am Strelasund und plant seit 2019 eine Erweiterung: Direkt neben dem Gustower Badestrand, in einem Landschaftsschutzgebiet, soll eine neue Funktionsfläche entstehen, auf der – so die ursprüngliche Planung – im Sommer bis zu 15 Wohnmobile Platz finden. Im Winter soll die Fläche als Stellplatz für Boote genutzt werden. Die Gemeindevertretung stimmte dem Planentwurf mit knapper Mehrheit zu.

Bürgerversammlung zum Bauprojekt

Bei den Gustowerinnen und Gustowern regte sich jedoch Unmut, weil für die geplante Fläche der Status als Landschaftsschutzgebiet aufgehoben würde und der kleine Badestrand im Sommer durch zusätzlichen Betrieb belastet wäre.

Ende September 2021 nahmen Befürworter:innen und Gegner:innen des Bauvorhabens an einer Bürgerversammlung am Gemeindehaus teil. Der verantwortliche Planungsingenieur, Arno Mill, trug seine Argumente für den Hafenausbau vor. Bürgermeister Peter Geißler (Wählergemeinschaft Gustow) und einige Gemeindevertreter plädierten ebenfalls für das Projekt.

Aber auch Kritiker:innen kamen zu Wort. Sie gaben zu bedenken, dass die geplanten Stellplätze die Natur unnötig belasten würden. Schon jetzt sei es für die Einwohner:innen wegen der vielen Autos und Badegäste nicht immer angenehm, an den Strand zu gehen. Wenn 15 Wohnmobile erlaubt seien, würde es nicht lange dauern, bis sich weitere illegal dazustellten. Natur würde für die Funktionsfläche „sinnlos verballert“, so eine Teilnehmerin. 271 Menschen hatten sich in eine Unterschriftenliste gegen das Projekt eingetragen. Das entspricht mehr als der Hälfte der wahlberechtigten Bürger:innen von Gustow. Sie sagten: Es reicht!

Bürgermeister Geißler zeigte sich beeindruckt und versprach, keinen Beschluss zu unterstützen, den die Mehrheit der Gustower:innen ablehnt. Wenn die Unterschriften gültig seien, werde er sich dafür einsetzen, das Bauvorhaben zurückzuziehen. Bei den Gegner:innen des Hafenausbaus sorgte dies für Erleichterung.

Zu früh gefreut?

Doch die Freude könnte sich als verfrüht erweisen. Der Bauausschuss befand die Unterschriften zwar für gültig, doch die Gemeindevertreter:innen um Bürgermeister Geißler wiesen das Bauprojekt bei ihrer Sitzung Ende November nicht etwa zurück, sondern modifizierten es zu einer neuen Beschlussvorlage: Die Firma Jaich soll demnach im Winter die Fläche für Bootsliegeplätze nutzen dürfen, im Sommer lediglich für Parkplätze. Bürgermeister Geißler bezeichnete das als „Kompromiss“. Der angrenzende Strand bliebe im Sommer dadurch von mehr Betrieb verschont.

Allerdings fragen sich sogar Unbeteiligte, ob Parkplätze weniger belastend sind als Wohnmobilplätze. Außerdem wird die fragliche Fläche mit dem „Kompromiss“ nach wie vor aus dem Landschaftsschutzgebiet herausgelöst – und genau das hatten die Gustower:innen durch ihre Unterschriften ja verhindern wollen.

Gustow ist nicht der einzige Jachthafen der Im-jaich oHG. Die Firma betreibt noch 8 weitere Standorte in Deutschland.

Was der Investor dazu sagt

KATAPULT MV fragte Till Jaich, den Betreiber des Gustower Hafens und Initiator des Erweiterungsprojekts, nach seiner Einschätzung der Sachlage. Er führte aus: „Wir haben bereits mehrfach betont, dass die Herstellung der Wohnmobilstellplätze nur erfolgen wird, wenn dies der mehrheitliche Wille der Gemeinde ist. [...] Die Erweiterung der Winterlagerfläche hat für uns eindeutig eine höhere Priorität und hilft uns, die geschaffenen ganzjährigen Arbeitsplätze zu sichern.“

Die geplante Erweiterungsfläche liege zwar im Landschaftsschutzgebiet, der Schilfgürtel werde jedoch nicht angetastet. Man plane lediglich die Nutzung einer bereits heute regelmäßig bewirtschafteten Wiese, die sich im Eigentum der Firma befindet. Einschränkend merkte Till Jaich an: „Selbst beim Wegfall der Wohnmobilstellplätze bestünde der Bedarf an PKW-Stellplätzen und Winterlagerplätzen ganzjährig.“

Zur Nutzung der Wiese heißt es jedoch aus Kreisen der Projektgegner, dass die Firma Jaich seit Jahren die Fläche im Landschaftsschutzgebiet rechtswidrig als Lagerfläche für Abraum, große Balken und Gerätschaften genutzt habe. Erst nach einem Protest im Januar 2021 habe man sie geräumt.

Sitzung der Gemeindevertreter am 24. Januar

Vergangene Woche stand die geplante Hafenerweiterung erneut auf der Tagesordnung der Gemeindevertretung. Das Landschaftsschutzgebiet soll nicht angetastet werden, lautete nach wie vor der Standpunkt der Projektgegner. Wenn die fragliche Wiese erst zum Gewerbegebiet umgewidmet worden sei, könne man nicht ausschließen, dass zu den Bootsstellplätzen später auch Gebäude kommen und die Zersiedelung der Landschaft weitergeht. Man dürfe nicht Stück für Stück Natur dem Profit opfern. Die Projektgegner kritisierten auch, dass mit dieser Beschlussvorlage der Tenor der Unterschriftensammlung ignoriert werde. Mit einem Bootswinterlager entstünde eine Art Gewerbe­hof, da es üblich sei, im Winter an den Booten zu arbeiten. Damit wäre der Charakter der Boddenlandschaft zerstört, zumal die Fläche vor einer Nutzung versiegelt werden müsse.

Planer Arno Mill fügte an, die Härtung des Bodens bestehe nur aus wasserdurchlässigem Schotterrasen und falle optisch nicht auf – wogegen argumentiert wurde, dann tauge sie nichts gegen eventuell auslaufendes Motoröl und gegen giftige Bestandteile der Schiffsfarbe. Bürgermeister Geißler meinte, dass der Bootswinterplatz für den Hafenbetreiber existenziell sei. Gustow sei auf die Gewerbesteuereinnahmen angewiesen.

Nach einigem Hin und Her einigte man sich darauf, bis zur nächsten Gemeindevertretersitzung zu klären, ob und wie ein Bürgerbescheid zum Thema Hafenerweiterung durchgeführt werden kann. Die oben erwähnte Beschlussvorlage wurde nicht zur Abstimmung gestellt. Aus der Sicht der Landschaftsschützer ist das ein Erfolg: Die Befürworter des Bootswinterlagers wollten sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegen den Mehrheitswillen der Einwohnerschaft stellen. Man habe immerhin Zeit gewonnen.

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Fußnoten

  1. Telefonat und schriftliche Stellungnahme vom 22.12.2021.

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