Bürgerschaft Stralsund

Der leise Aufstand der Senior:innen

Bei der letzten Sitzung der Stralsunder Bürgerschaft in diesem Jahr waren die Zuschauerplätze gut gefüllt. Rund 80 Garagenbesitzer:innen gehobenen Alters waren gekommen, um ihren Unmut und ihr Unverständnis über die Erhöhung der Pacht auf jährlich 480 Euro auszudrücken. Daneben ging es um rechtsextreme Gartenfreunde, und es gab gute Nachrichten für ein Stralsunder Urgestein. Weitere Neuigkeiten aus der Stralsunder Stadtvertretung im Blog.

Zur elften Sitzung standen vor Jahresende noch einige Themen auf dem Plan der hansestädtischen Stadtvertretung. Neben Anfragen und Anträgen zur Nutzung des Rathauses als Veranstaltungsort, zu den Problemen des Schulzentrums am Sund sowie den Plänen zur Errichtung eines Kunst- und Kulturzentrums waren auch Themen wie die Skateanlage in Grünhufe und das Stralsunder Nachtleben abzuarbeiten. Besonders gefüllt waren zu dieser Sitzung die Zuschauerränge mit betroffenen Senior:innen aufgrund der Tagesordnungspunkte zu den Pachterhöhungen von DDR-Garagen.

Ausschreitungen wie bei den Bürgerschaftssitzungen in Greifswald zum gleichen Thema gab es in Stralsund jedoch nicht und es blieb, wie zuvor vom Garagenverein angekündigt, bei einem ruhigen und besonnenen Auftreten. Nachdem die Punkte zu den Garagenpachten zu Beginn der Sitzung vorgezogen und abgehandelt wurden, verließen rund 60 Zuschauer:innen still den Saal.

„Bislang hat noch niemand geklagt“

Verschiedene Anträge befassten sich mit der aktuellen Situation um die Garagen in Stralsund. Etwa 1.500 Menschen sind betroffen, vor allem Rentner:innen, die die Garagen bereits seit DDR-Tagen pachten. Wie die Initiative Garagenverein Stralsund mitteilte, gab es bereits eine Kündigungswelle von etwa 80 Garagenbesitzern aufgrund der drastischen Preissteigerung von 380 Prozent. Die Initiative will Betroffene untereinander vernetzen und hat zuvor dazu aufgerufen, gemeinschaftlich der Erhöhung zu widersprechen.

Nach Angaben der Hansestadt wurden jedoch bereits 700 Neuverträge zum erhöhten Pachtpreis von 480 Euro pro Jahr geschlossen. Diese müssten laut Oberbürgermeister Badrow (CDU) bei einer Ausnahmeregelung oder gestaffelten Erhöhung dann ebenso mitberücksichtigt werden. Bislang habe die Stadt keinen Pächter entschädigt. Jedoch sei es Badrow schleierhaft, wie die Preiserhöhung aufgrund der festgestellten Ortsüblichkeit rechtlich abzuwenden wäre. Vom Innenministerium sei ihm diesbezüglich auch nichts in Aussicht gestellt worden. Denn: Laut Kommunalverfassung darf die Stadt Vermögenswerte wie die Garagen den Pächtern nicht unter dem vollen Wert überlassen. Der Bürgermeister befürchtet deshalb das nächste Strafverfahren, würde er die Erhöhung widerrufen. Den Besitzer:innen bliebe nur die Möglichkeit, den Rechtsweg einzuschlagen. Jedoch sei noch keine einzige Klage eingereicht worden, weshalb die Stadt auch keine Kündigungswelle befürchtet. Auch sehe sie die Nutzung der DDR-Garagen nicht als endlos an, ein (kostspieliger) Abriss sei absehbar. Marc Quintana-Schmidt von der Linksfraktion vermochte in der Diskussion als einziger eine Reaktion beim Publikum hervorzurufen. Er erntete Applaus für seinen Einwurf, dieses Vorgehen sei aus seiner Sicht keine bürgernahe Verwaltung.

Kontroverser BfS-Antrag: Garagen nur für Stralsunder:innen

Ein weiterer Antrag der Fraktion Bürger für Stralsund (BfS) befasste sich mit neuen Pachtverträgen für die Garagen. Neuverträge sollten laut Fraktionsgeschäftsführer Thomas Haack vorrangig an in Stralsund wohnhafte Personen vergeben werden. Die BfS könne nicht nachvollziehen, weshalb in der Vergangenheit Garagen an Personen aus dem Umland vergeben wurden, obwohl auch Stralsunder:innen auf der Warteliste gestanden hätten. Dies möchte die BfS zukünftig verhindern.Nach kurzer Diskussion, ob der Antrag verfassungsrechtlich problematisch sei, wurde der kontrovers anmutende Antrag mehrheitlich angenommen, was auf den Zuschauerrängen für verwunderte Blicke sorgte. Laut Haack sei es wegen Artikel 3 des Gleichbehandlungsgesetzes „lächerlich, da jetzt verfassungsrechtliche Bedenken reinzubringen“. Oberbürgermeister Badrow erwog kurzzeitig, einen Prüfantrag zu stellen. Der grüne Fraktionsvorsitzende Jürgen Suhr beantragte daraufhin, einen Beschluss zu fassen, der den OB genau darum bittet, fand jedoch keine Mehrheit. Der ursprüngliche Antrag der BfS erhielt daraufhin die Mehrheit und wurde somit, trotz kurzer Kontroverse, angenommen.

Der letzte Fischer vom Dänholm

Erleichterung gab es beim letzten Stralsunder Fischer auf dem Dänholm. Die zuvor ausgesprochene Kündigung für den Betriebshof von Fischer Claas Wollna wurde nach Druck aus der Bürgerschaft zurückgenommen. Damit kann der 51-Jährige als letzter Traditionsfischer auf der Insel zwischen Stralsund und Rügen für die nächsten zwanzig Jahre planen.

Rechtsextreme Aktivitäten in der Gartensparte Frohes Schaffen

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Die Partei erkundigte sich in einem Antrag über rechtsextremistische Ideologie in der größten Gartensparte Stralsunds. Dort habe das bekannte ehemalige NPD-Bürgerschaftsmitglied Dirk Arendt als Vorstandsvorsitzender das Ruder übernommen. Betroffenen zufolge soll es seitdem Einschüchterungsversuche gegenüber Gartenbesitzer:innen gegeben haben sowie Unregelmäßigkeiten in den finanziellen Tätigkeiten des Vereins, Preiserhöhungen und mangelnde Transparenz in den Vereinsaktivitäten. Auch soll Arendt wichtige Positionen im Verein mit Vertrauten und Anhängern besetzt haben. Bei Mitgliederversammlungen sollen von ihm beauftragte Ordner für Sicherheit sorgen, die Gärtner:innen fühlen sich dadurch jedoch bedroht und eingeschüchtert.

Gegen Arendt, der auch als Zuschauer zugegen war, laufen bereits mehrere Strafverfahren. Das Problem der stillen Übernahme gesellschaftlicher Einrichtungen von rechts ist jedoch nicht nur ein Stralsunder Problem. „Wenn wir ehrlich sind, waren sie nie weg und haben sich über die Jahre in genau solchen Strukturen niedergelassen und zelebrieren dort nun ihre Ideologie und Weltanschauung. Das passiert, wenn man so etwas einfach laufen lässt“, sagte eine Abgeordnete später im Gespräch über die rechten Akteure. Vonseiten der Bürgerschaft konnte am Donnerstag der Antrag jedoch nicht behandelt werden. Er wird der Fraktion zur nächsten Sitzung schriftlich beantwortet. Bis dahin entscheidet je nach Verfahrensdauer den weiteren Verlauf der Ereignisse das Amtsgericht. Auf Nachfrage von KATAPULT MV teilte die Stadt mit, dass sie als Grundstückseigentümerin keine rechtlichen Möglichkeiten habe, bezüglich der Vergabe von Pachtflächen an Gartenfreunde Einfluss zu nehmen. Auch seien durch Medienberichte sowie verschiedene Schreiben von Bürger:innen an die Verwaltung keine konkreten Schilderungen rechtsextremistischer Aktivitäten bekannt geworden.

Bibliothek öffnet für Prüfungszeitraum 2024 bis in den Abend

Gute Nachrichten für alle Studierende und Nachteulen: Die Stralsunder Stadtbibliothek verlängert zu Jahresbeginn insbesondere während des Prüfungszeitraums an der Hochschule ihre Öffnungszeiten. Insbesondere am Wochenende, aber auch unter der Woche stehen Arbeitsplätze und Ausleihe über die Selbstverbuchungsfunktion zur Verfügung. Die genauen Öffnungszeiten sowie das gesamte Angebot findet man auf der Seite der Stadtbibliothek in der Badenstraße.

Nächste Bürgerschaftssitzung erst im Februar

Das nächste Mal tagt die Bürgerschaft am Donnerstag, dem 1. Februar von 16 bis etwa 20 Uhr im Löwenschen Saal des Rathauses. Bis auf den nichtöffentlichen Teil kann die Sitzung vor Ort oder im Netz live verfolgt werden. Nachlesen kann man die Termine, Protokolle und Anfragen im Bürgerinformationsportal Webris. Alle Sitzungen zum Nachschauen gibt es auf dem Youtube-Kanal der Hansestadt.

Quellen

  1. E-Mail vom 20. Dezember 2023.

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