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Hafenausbau Swinemünde

Ein Containerterminal ohne Umwelteinflüsse: Zu schön, um wahr zu sein?

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Fast wie im Märchen: Das geplante Containerterminal in Swinemünde (Świnoujście), mitten hineingebaut in europäische Schutzgebiete, 77 Hektar groß, bleibt nach seiner Fertigstellung völlig folgenlos. Es gebe keine Beeinträchtigungen der Umwelt. Lärm, Abgase, zugebaute Natur, potenzielle Unfallrisiken – alles kein Problem für Tiere, Pflanzen und Menschen. Jedenfalls, wenn man dem sogenannten Espoo-Bericht vom Oktober glaubt, der seit einer Woche auf der Website des Schweriner Wirtschaftsministeriums steht. Darin werden die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung präsentiert.

Das Containerterminal wird von Świnoujścies staatlichem Hafenbetreiber geplant, direkt gegenüber der Küste von Usedom und fünf Kilometer Luftlinie von der deutschen Grenze entfernt. Es gibt Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Projekts und Kritik an den Umweltauswirkungen des Terminals – vor allem aus Deutschland. Eine polnische Bürgerinitiative hat ihren Protest auf großen Druck hin eingestellt.

Ob Umweltbelange beim Bau des Terminals überhaupt noch weiter berücksichtigt werden, liegt nun auch an den Akteuren in Mecklenburg-Vorpommern – vor allem an der Landesregierung. Weil das Terminal in nur fünf Kilometer Luftlinie Entfernung von der Grenze zu Deutschland gebaut werden soll, konnte das Wirtschaftsministerium nach EU-Recht eine binationale Umweltverträglichkeitsprüfung einfordern und hat dies getan, auch auf Druck der Bürgerinitiative Lebensraum Vorpommern.

Einen vom Wirtschaftsministerium angeforderten Termin, um sich über die Beteiligung abzusprechen, hat die polnische Seite laut einer Sprecherin des Wirtschaftsministeriums bisher nicht angeboten. Dafür gibt es nun das 118-seitige Gutachten, das das polnische Amt für Naturschutz vorgelegt hat.

Es besagt, dass das Containerterminal quasi spurlos für die Umwelt bleiben wird. Noch besser: An einer Stelle steht in dem Gutachten, dass man in Świnoujście aus den Erfahrungen mit dem Bau des LNG-Terminals gelernt habe, dass die Natur nach der Fertigstellung zurückkehre und ihr Zustand dann sogar besser sei als vorher. Das steht allerdings im Widerspruch zu einer Studie, die zwei deutsche Europaabgeordnete im Frühjahr 2021 von einem Planungsbüro anfertigen ließen. Diese Studie kam zu dem Ergebnis, dass es durch den Bau des Terminals zu erheblichen Beeinträchtigungen für die Umwelt komme.

Umweltauswirkungen enden an der Grenze

Hannah Neumann, Europaabgeordnete für die Grünen, die die Studie vor etwa zwei Jahren in Auftrag gegeben hat, zweifelt darum an dem Wahrheitsgehalt des nun vorgelegten Berichts, ebenso wie Rainer Sauerwein von Lebensraum Vorpommern, der das Projekt intensiv begleitet. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Umweltauswirkungen in dem polnischen Gutachten schöngeschrieben werden, heißt es in einer Pressemitteilung der Initiative. „Alle schädlichen Umwelteinflüsse enden 1,9 bis spätestens 0,3 Kilometer vor der deutsch-polnischen Grenze. Einfach so, wie an einer unsichtbaren Wand. Das ist doch unglaublich“, sagt Sauerwein.

Bis zum 24. Februar kann das Gutachten auf den Seiten des Ministeriums eingesehen werden und die Öffentlichkeit kann Einwände vorbringen. Die Bürgerinitiative steht in Kontakt mit Umweltverbänden und plant eine solche Einwendung. Eine weitere will auch die Bürgermeisterin von Heringsdorf, Laura Isabelle Marisken (parteilos), einreichen. In Heringsdorf gibt es einen Beschluss des Gemeinderats, der den Bau des Terminals ablehnt. Wegen der Umweltauswirkungen, aber auch weil man von Heringsdorf einen guten Blick auf das Terminal hätte – und Schwerindustrie und Tourismus nicht gut zusammenpassten. Möglich ist, dass sich andere Usedomer Gemeinden und Umweltverbände noch anschließen.

Die Landesregierung ist gefragt

Rainer Sauerwein befürchtet jedoch, dass die Eingaben am Ende nicht viel bewirken könnten: „Das Land sollte auf jeden Fall eine eigene Stellungnahme erarbeiten und den Druck erhöhen“, fordert er. „Ohne politischen Druck wird die Umwelt auf der Strecke bleiben.“ Denn: Auch wenn bei grenznahen Projekten in der EU die Mitwirkung des Nachbarlandes geregelt ist, sei die Art und Intensität der Mitwirkung sehr schwammig formuliert. Insgesamt gibt es in Deutschland kaum Erfahrungen mit binationalen Umweltverträglichkeitsprüfungen. Sauerwein weiß von gerade einmal zwei, drei Fällen im Saarland.

Und was will die Landesregierung? Auf Anfrage teilt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums mit, dass Mecklenburg-Vorpommern ein „ausgeprägtes Interesse daran hat, dass sich Auswirkungen des Vorhabens auf sein Gebiet im zulässigen rechtlichen Rahmen bewegen“. Und: In dieser Sache befinde man sich in Abstimmung mit dem Bund.

Ob sich die Bundesregierung neben den Konflikten um die von Polen geforderten Reparationszahlungen, der polnischen Kritik an der im Vergleich eher zögerlichen deutschen Haltung bei der militärischen Unterstützung der Ukraine, der Aufklärung des Fischsterbens in der Oder und dem Konflikt um den Ausbau der Oder noch ein weiteres Konfliktfeld schaffen will, ist fraglich.

Eine Sprecherin des Umweltministeriums in Schwerin teilte bisher nur mit, dass die Unterlagen zurzeit noch geprüft würden. Ob das Ministerium eine Eingabe mache, stehe noch nicht fest.

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Fußnoten

  1. UVP-Dokumentation für den geplanten Bau eines Containerterminals im Außenhafen in Swinemünde, auf: regierung-mv.de (3.2.2022).
  2. Zarząd Morskich Portów Szczecin i Świnoujście (Hg.): Espoo-Bericht „Bau eines Containerterminals im Außenhafen in Swinemünde“, S. 52, auf: regierung-mv.de (Oktober 2022).
  3. Bioconsult Schuchardt & Scholle (Hg.): Abschätzung möglicher marin-ökologischer Auswirkungen des geplanten Tiefwasser-Containerhafens in Świnoujście (Polen), auf: hannahneumann.eu (16.2.2022).
  4. Kein Gasbohren auf Usedom: Beitrag vom 5.2.2023, auf: facebook.com.

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