Alltag im Schatten der Vergangenheit

Ein Spaziergang durch Rostock-Lichtenhagen

Dem Rostocker Nordwesten unvoreingenommen zu begegnen, kann schwer fallen. Ist die Wirkung, die vom größten rassistischen Pogrom der Nachkriegszeit ausging doch international nicht von der Hand zu weisen und zu Recht ein Denkstück, welches allen Rostocker:innen in Erinnerung und Gegenstand notwendiger politischer Diskurse bleiben sollte.

Doch auch dort, wo Narben der Zivilgesellschaft die Zäsur ins Gedächtnis rufen, die Rostock begleitet und in diesem Jahr nunmehr drei Jahrzehnte zurückliegt, drehen sich die Mühlen der Zeit weiter. So ist Lichtenhagen auch heute trotz Bevölkerungsrückgang noch einer der einwohnerstärksten Stadtteile der Hansestadt und somit Schauplatz des Alltäglichen für beinahe 14.000 Einwohner:innen. Wir haben uns die Zeit genommen, Rostocks Nordwesten mit offenen Augen zu begegnen und einen fotografischen Spaziergang durch den wohl bekanntesten aller Stadtteile der Hansestadt gewagt.

Christels Begeisterung gilt in diesen Tagen dem neu eröffneten Buddhistischen Zentrum Lichtenhagens. „Die vielen strahlenden Buddha-Statuen solle ich mir nicht entgehen lassen.“, sagt sie und streckt ihren Kopf in die Sonne.

Bereits seit zwei Jahrzehnten verkauft Çiçek an der Ecke zum Lichtenhäger Brink Blumen, Gemüse und alles, was blüht. Eine glückliche Fügung für den aus der Türkei stammenden Mann – übersetzt sich sein Name doch auf das Wort Blume.

Die alten Schriftzüge lassen erkennen, in welchen Umbrüchen sich der Stadtteil befindet.

Rund drei von zehn Bewohner:innen des Stadtteils sind über 65 Jahre alt, damit liegt Lichtenhagen über dem Durchschnitt der Stadt. Um der Einsamkeit im Alter vorzubeugen, lädt der „Klub der Alleinstehenden“ regelmäßig zu Veranstaltungen.

Auch drei Jahrzehnte nach dem rassistisch motivierten Pogrom von Lichtenhagen mahnt das Sonnenblumenhaus an der Mecklenburger Allee. In seinem Schatten liegt die Hansestadt.

Fühlt sich noch immer Zuhause: Renate genießt den Sonnenschein auf einer Parkbank. Nachdem sie ihr Einfamilienhaus hier verkaufen musste, zog sie vor gut zehn Jahren in einen Wohnblock. Wegziehen käme für sie dabei nicht in Frage: „Wieso auch? Hier lebe ich doch zentral und habe alles, was ich brauche”.

(Fotos: Heiner L. Beisert)

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 13 von KATAPULT MV.

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