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Altersheime

Ein Tablet, groß wie ein Tisch

Fruit Ninja, Senior:innen-Yoga und digitale Fotoalben – auf einem 43-Zoll-Touchscreen bringt ein junges Unternehmen Digitalisierung ins Altersheim. Gestern wurden die ersten zwei „Care Tables“ in Pflegeeinrichtungen in Waren und Schwerin installiert. Ein Ausblick, wie Pflege in Zukunft ergänzt werden könnte.

In der Höhe verstellbar ist er, wie eine Tafel oder Tischtennisplatte neigbar und das Beste: er reagiert nicht nur auf Fingerspitzen, sondern auch auf ganze Hände. Der „Care Table“ ist ein speziell für Pflegeeinrichtungen entwickelter digitaler Aktivitätstisch. Von Merkübungen über Volkslieder bis zu Bewegungsspielen kann er alles.

Ein Tisch für alles

Entwickler Christoph Schneeweiß erzählt: „Fruit Ninja ist superbeliebt. Wir nennen es nur Früchteschneiden, weil Englisch nicht so gut funktioniert.“ Aber es sei dasselbe Spielprinzip wie bei der Fruit-Ninja-App, nur eben langsamer, mit mehr Farbkontrast und ohne Bomben.

Neu im App-Sortiment hätten sie außerdem Seniorenyoga. Dafür nahm das Unternehmen „Care Table“ gemeinsam mit einer auf Senior:innen spezialisierten Yogalehrerin vier Workouts auf Video auf, die Senior:innen per Bildschirm mitmachen können.

Und durch die Zeit reisen geht mit dem Care Table auch. Ein virtuelles Fotoalbum habe das Care-Table-Team zusammengestellt, erzählt Schneeweiß. Gemeinsam mit Stadtarchiven suchte das Unternehmen echte Fotos von Klassenzimmern und Tanzfeiern aus den 50ern zusammen. Der Unternehmer erklärt, dass besonders bei Demenz das Reden über die individuelle Biografie einen großen Teil der Pflege ausmache. Anhand der alten Fotos könnten sich Pfleger:innen mit der erkrankten Person an den Erinnerungen entlanghangeln.

Von der Masterarbeit zum Unternehmen

Doch wie kommt ein 25-jähriger BWL-Absolvent dazu, digitale Tische für Altersheime zu entwickeln? Christoph Schneeweiß’ Antwort klingt nach einem Schulterzucken: im Studium ein wenig Web-Entwicklung, ein Papa, der eventmäßig Riesentablets vermarktete, und eine Anfrage der Uni Halle, auszuprobieren, ob sich Riesentablets in die Pflege integrieren ließen.

Für eine Masterarbeit baute Schneeweiß einen digitalen Tisch für Seniorenheime. Als er im Rahmen dieses Projekts die Reaktion der älteren Menschen auf die digitalen Tische sah, war ihm klar: Das musste er weiterverfolgen. 2019 gründete er gemeinsam mit Tobias Jecht das Unternehmen „Care Table“.

Erst kurz darauf fanden die beiden heraus, dass es bereits ein niederländisches Unternehmen gab, das auch einen digitalen Tisch für Altenheime vermarktete. Dieser sogenannte „DeBeleef TV“ hatte ein Bein mehr und kostete in etwa das Doppelte. Während Schneeweiß und Jecht ihren Care Table für ungefähr 8.000 Euro brutto vermarkteten, belief sich der Preis des Konkurrenzprodukts auf 13.000 bis zu 18.000 Euro.

In einem Gespräch mit dem Seniorenheim „Eldeblick“ in Plau am See erzählt Einrichtungsleiterin Katja Brenner, der hohe Preis des niederländischen Modells sei genau der Grund gewesen, weshalb sich ihr Haus gegen den Tisch entscheiden musste. Für ein paar Tage hatte ein DeBeleef TV zur Probe in ihrem Seniorenheim gestanden, berichtet Brenner. „Unsere Senioren hatten erst Berührungsängste – aber gerade bei Demenzkranken kommt er sehr gut an.“

Staatliche Förderung

Doch während Einrichtungen in den Niederlanden eine staatliche Förderung für den Kauf eines solchen Tisches erhalten, fehlt diese in Deutschland bislang. Schneeweiß erklärt, oft würden daher hierzulande die Tische von Stiftungen, aus Spenden oder den Einnahmen durch die Bewohner bezahlt. So versuche ihr Unternehmen, den Preis für die Tische möglichst gering zu halten. Zwar seien 8.000 Euro noch immer sehr viel Geld, doch gebe es die Möglichkeit, die digitalen Tische für 100 bis 200 Euro im Monat zu mieten oder in Raten abzuzahlen. Dennoch bräuchte es in Zukunft auch staatliche Förderung, um Einrichtungen die Anschaffung zu ermöglichen.

Bisher richteten sich staatliche Programme, so Schneeweiß, eher darauf, Einrichtungen mit neuen PCs, Wlan und Verwaltungssoftware im Digitalbereich zu unterstützen. Dass man das Betreuungspersonal aber auch aktiv im Betreuungsangebot unterstützen kann, möchte er mit dem Care Table nun zeigen.

Pfleger:innen ersetzt der Tisch nicht

Regelmäßig bekomme das Unternehmen über Facebook Kommentare, es sorge dafür, dass Menschen fortan von Robotern betreut werden. Schneeweiß kann darüber nur den Kopf schütteln. Er erklärt, stünde im Gemeinschaftsraum einer Einrichtung ein Care Table, sei dieser ein digitaler Treffpunkt. Neben dem digitalen Sportprogramm und Fotoalbum können Senior:innen den Tisch auch wie ein Spielbrett verwenden. Es enthält Bingo, „Mensch ärgere dich nicht“, Quizrunden, und das Interessante daran: Der Tisch mache neugierig. Schneeweiß sagt, ihm gehe es darum, „dass die Leute zusammensitzen und miteinander sprechen“.

Auch Katja Brenner vom Seniorenheim Eldeblick ist sich sicher: „Den Pfleger wird der Tisch nicht ersetzen.“ Vielmehr helfe er dem Pflegepersonal in der Betreuung und leuchte mit neuen Ideen. Spazierrunden durch den Park oder Ballspiele könne er nicht ersetzen, das gewöhnliche Betreuungsprogramm hingegen ergänzen.

Ein Unternehmen mit Zukunft

Schneeweiß erzählt von Rückmeldungen von Heimen, deren Bewohner:innen verärgert waren, so lange warten zu müssen, bis sie wieder an der Reihe waren, den Tisch zu bedienen. Auch Katja Brenner berichtet von regem Interesse an dem Tisch.

Laut Schneeweiß gibt es bundesweit etwa 11.000 stationäre Pflegeheime. An 200 davon konnte das Unternehmen bisher seine Care Tables verkaufen, meist nach Bayern oder ins Ruhrgebiet. Das könnte sich nun ändern: Ab heute stehen die ersten zwei Riesentablets in Waren und Schwerin.

Quellen

  1. Telefonat mit Christoph Schneeweiß am 18.2.2022.
  2. www.caretable.de.
  3. www.debeleeftv.com.
  4. Telefonat mit Katja Brenner am 17.2.2022.

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