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Interview mit einem Drogendealer

„Alles, was sie sehen, ist eine Tonne Marihuana in Bananenkartons“

Die Bundesregierung möchte Cannabis in Deutschland legalisieren. KATAPULT MV hat mit einem Drogenverkäufer aus Mecklenburg-Vorpommern über seinen Job gesprochen. Drogen verkauft der Student, seit er von einem anderen Dealer stehengelassen wurde. Er erzählt, in welche gefährlichen Situationen er schon geraten ist, wie sich die Legalisierung von Cannabis auf den Schwarzmarkt auswirken könnte und wie seine Eltern herausgefunden haben, was wirklich sein Nebenjob ist.

KATAPULT MV: Wie alt bist du und seit wann verkaufst du Drogen?

Ich bin 24 Jahre alt und verkaufe Drogen wieder seit einem Jahr. Zwischendurch war mal zwei Jahre Pause.

Und wann hast du angefangen?

Mit 21.

Wie kam es dazu?

Ich wollte mir selber Gras kaufen und dann hat man mich warten lassen. Nach einer Stunde kam keine Nachricht, nach eineinhalb Stunden kam „Ja ich komm später“. Nach zwei Stunden kam er natürlich immer noch nicht und danach wurde ich halt leicht sauer auf irgendeine Art. Und dann hat der Typ das noch mal gemacht und da hab ich mir gedacht: „Scheiß drauf, du holst dir jetzt selbst immer was mit.“ Und dann hab ich mir eine größere Menge eingekauft. Wenn Freunde was davon haben wollten, konnten die einfach was abhaben.

Wie bist du zum ersten Mal in Kontakt mit Drogen gekommen?

Das war damals über einen Schulfreund. Wir haben angefangen mit Shisha-Rauchen, da waren wir 15 oder 16, dann Kippen rauchen und irgendwann, als Alkohol im Spiel war, kamst du halt auf die Idee. Und dann hat das damals ein Kumpel von mir besorgt von der Gesamtschule, irgendein Atze.

Und das war dann Cannabis?

Ja genau, das war Cannabis. Und da wir keine Joints drehen konnten und das beide mal ausprobieren wollten, hat der Typ uns das vorgedreht. Der hat uns dann drei fertig Gebaute gemacht. Aber wie viel da jetzt im Endeffekt drin war, lässt sich nur spekulieren. Beim ersten Mal hab ich auch nicht viel gemerkt. Wahrscheinlich auch falsch gemacht, also nicht richtig geraucht. War ja damals auch komisch, zu ziehen. Gibt ja einen Unterschied zwischen Zigarette und Joint.

Welche Drogen verkaufst du?

Normalerweise nur Gras und nur an Leute, mit denen ich selbst konsumiere. Harte Sachen, wenn ich feiern gehe und Freunde was haben wollen.

Was sind harte Sachen?

Speed, ab und zu Koks oder Ecstasy. Aber das auch nur in größeren Abständen und nicht jede Woche. So sechs bis acht Wochen liegen schon dazwischen.

Warum ausgerechnet diese Drogen?

Na ja, erst mal, weil ich kein Bock habe, stehengelassen zu werden. Und wenn ich selbst Bock habe, feiern zu gehen oder halt mal einen zu kiffen, dass ich dann auch was habe. Klingt jetzt ein bisschen süchtig, aber wenn du dir es einmal im Hirn eingeprägt hast, dass du Bock drauf hast, dann suchst du dir deine Möglichkeiten. Und wenn dann nichts da ist, regst du dich halt auf und sitzt dann da.

Wo triffst du dich mit Lieferanten?

Das ist unterschiedlich. Manchmal über Kumpels und Ecken aus der Heimat. Vor allem aber in Rostock, Stralsund, Greifswald. Ich weiß dann auch, dass es aus Großstädten kommt, sag ich mal: Berlin, Dresden, Leipzig, Hamburg, Dortmund und Rostock.

Du hast jetzt die Städtenamen genannt, aber an welchen Orten trefft ihr euch?

Irgendwelche Privaträume von Personen.

Kannst du deine typischen Konsumenten beschreiben?

Eigentlich sind alle Studenten. Es sind aber auch ältere Leute dabei, die man über andere Leute kennengelernt hat. Es gibt einige, die arbeiten bei der Staatsanwaltschaft oder haben dort gearbeitet. Die sind auch am Kiffen. Auch regelmäßig abends. Dann hab ich noch jemanden aus der IT-Branche, der schon ewig arbeitet und etwas älter ist. Aber ansonsten sind das keine random Leute. Schüler oder so hab ich auch überhaupt nicht.

Gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Konsumentengruppen?

Meistens nur vom Alter. Das merkst du dann schon. Die älteren schreiben dir halt nicht so blöd. Das merkt man schon, wie lange jemand dabei ist.

Wie schreiben denn die Älteren?

Ältere sind ganz entspannt. Die rufen meistens an oder schreiben halt. Und dann ist das auch mit einem Treffen verbunden. Ist halt nicht so, dass ich dort hingehe und dann schnell wieder abhaue. Ich setz mich dann dahin und mach einen Filmabend mit denen oder sowas in der Art. Und mit der Zeit werden das manchmal auch engere Kumpels.

Preisentwicklung bei Cannabis in Deutschland

Es ist bekannt, dass Drogenkonsum bei Minderjährigen zu kognitiven Beeinträchtigungen führen kann. Verkaufst du auch an Minderjährige?

Nein. Noch nie. Es sind schon Jüngere dabei, aber wenn dann haben sie schon mal konsumiert und sind zumindest 18. Ich lass mir da auch nicht den Ausweis zeigen, aber man glaubt den Leuten, wenn sie einen ordentlichen Eindruck machen. Und generell deale ich nur in Personenkreisen, die ich auch selbst kenne.

Was machst du neben dem Dealen?

Ich studiere. Nebenbei gehe ich noch arbeiten, um mir mein Studiengeld aufzubessern. Bin in der Produktion tätig, also ab und zu. Akkordarbeit gibt mehr ehrliches Geld (lacht).

Kannst du dir vorstellen, den Job als Dealer langfristig zu machen?

Nee, auf keinen Fall. Ich hab das auch nie wegen des Geldes gemacht. Das macht man im Normalfall auch nicht langfristig. Und die, die das langfristig machen wollen, ey, weiß ich nicht – wird halt immer schwieriger, Geld zu waschen, ohne dass es irgendwer mitkriegt. Man merkt das, wenn Leute auf einmal massig an Bargeld haben. Mein Geschäft kommt am Ende auf plus/minus null raus. Ist für mich zum Spaßhaben und nicht für die Zukunft.

Was nimmst du so für Drogen?

Also in der Regel kiff ich. Und je nachdem, was für Kumpels manchmal da sind oder welche Party so ansteht, konsumiere ich auch Speed, Koks und Ecstasy.

Wie viel kostet dich das?

Unterschiedlich. Wie viel ich halt kiffe, ne? (Lacht.) Wenn ich jetzt nicht dealen würde, dann würde ich so um die 200 Euro im Monat schätzen.

Welche negativen Auswirkungen des Drogenkonsums kannst du für dich feststellen?

Langfristige Auswirkungen. Ab und zu ist das halt kein Problem. Solange man in der Woche seine Scheiße erledigt bekommt, kannst du am Wochenende machen, was du möchtest. Bei mir war auch immer das Umfeld wichtig. Hast du Leute, die viel aktiv sind, dann ist es auch leichter, am Montag rauszukommen, auch wenn man am Wochenende gekifft hat oder so. Wenn du ähnliche Leute da sitzen hast, die dann keinen Bock auf irgendwas haben, versickerst du auch selbst. Ich war da irgendwie Spätzünder bei allen Sachen, komme auch ursprünglich vom Lande. Und wenn man dann so ins Stadtleben eingeführt wird, dauert das halt seine Zeit, bis man alles entdeckt hat.

Also hattest du auch schon Phasen, wo du durchgehangen hast?

Ja klar. Ich studiere ja schon über sechs Jahre. Da waren schon so zwei Jahre dabei, in denen es nicht so lief. Da war alles dabei: Stress mit Eltern, Trennung von der Freundin und so weiter. Aber ich hatte immer Kommilitonen, die mich mitgezogen haben. Und dadurch habe ich in den entscheidenden Momenten rechtzeitig den Arsch hochbekommen. Zum Beispiel dieses Semester. Letzter Versuch. Jetzt musste ich mich mal vier Wochen hinsetzen (lacht).

Was war das Schlimmste, was dir beim Dealen je passiert ist?

Ich glaube, das war, als irgendein Vogel vor ein paar Jahren unangemeldet vor der Tür stand und Sturm geklingelt hat. Das geht halt nicht. Das nervt. Das nervt die Mitbewohner und die Leute im Haus. Das sieht total kacke aus. Und dann auch noch mitten in der Nacht.

Und was war das Absurdeste, was dir je passiert ist?

Als ich selbst mal Nachschub geholt hab. Da waren sehr komische, zwiespältige Leute. Es waren auch die ganze Zeit ein kleiner und ein großer Pitbull dabei. Wir sind dann von einer in die andere Wohnung gewechselt und immer wieder waren dort andere Leute. Dann wollten sie plötzlich erst das Geld haben und dann erst die Ware holen. Und es wurde immer komischer und absurder. Hat im Endeffekt geklappt. Würde ich nie wieder so machen.

Hast du für solche Situationen Gegenstände zur Verteidigung dabei?

Nee.

MV-Karte mit der Verteilung von erfassten Rauschgiftdelikten im Jahr 2021

Hat sich das Cannabis, das du verkaufst, über die Jahre verändert?

Auf jeden Fall. Es ist viel, viel, viel, viel, viel, viel stärker geworden. Das haben Forscher herausgefunden, aber du kannst das Ott ja auch einschicken. Das hab ich selbst noch nie gemacht, ist aber möglich. Die sind ja bei 25 Prozent THC. Und selbst wenn du Sachen aus dem Coffeeshop in Holland kaufst, die dann nur 20 oder 21 Prozent THC haben und das schon ziemlich doll ist, ist es einfach nur krass. Das macht halt auch das Langfristige aus, also psychische Probleme. Das hat man halt bei CBD nicht.

Und preislich?

Kannst halt sagen, dass es früher günstiger war. Aber seitdem ich deale, ist der Preis immer gleich geblieben. Die Qualität blieb in dieser Zeit auch gleich. Dementsprechend geh ich auch nicht mit den Preisen hoch oder runter. Manchmal ist es schwieriger, ranzukommen. Das war bei den harten Sachen zu Beginn von Corona so. Wenn ich das richtig verstanden habe, brauchtest du zu der Zeit keine harten Sachen zu holen. Alles, was da war, war so gestreckt, weil halt so wenig da war. Hab ich jetzt nicht erlebt, aber man wird da schon vorsichtiger.

Und wo liegt der Grammpreis bei Cannabis?

Kommt drauf an, in welchen Mengen man das holt. Der Standardkonsument bezahlt für ein Gramm 10 Euro. Homegrow ist zum Beispiel ein bisschen beliebter und da kostet das Gramm dann 13 Euro. Lässt sich auch besser rauchen und ist viel angenehmer. Ich hab dann diese Bedenken im Nachhinein nicht, weil es nicht so überzüchtet ist.

Verkaufst du auch Homegrow?

Wenn ich es mal in die Hand kriege oder sehe, dann kauf ich es für mich selbst mal mit.

Aber nicht zum Verkaufen?

Jein. Also gute Freunde kriegen schon mal was. Aber da es knapp ist, weiß ich auch, dass es lange dauert, bis man es wieder kaufen kann.

Und wenn es kein Homegrow ist – weißt du, wo das Cannabis produziert wird beziehungsweise herkommt?

Ich weiß auf jeden Fall, wo es herkommt. Aber nicht, wo es produziert wird. Man kennt die Leute schon vom Sehen. Die meisten kaufen das in großen Mengen vorher. Also die pflanzen nicht in der Wohnung an. Zu den richtigen Produzenten und den Leuten, die den Vertrieb machen, hab ich noch nie Kontakt gehabt. Das läuft immer über Mittelsmänner.

Die Ampel-Regierung möchte Cannabis legalisieren. Bist du dafür?

Ja, ab 21.

Warum?

Ich hab’s ja selbst gemerkt: Mit 18, 19, 20 ist dir ja alles noch scheißegal. Egal, was irgendwo im Leben passiert, du denkst nicht richtig darüber nach und dir wird auch nicht bewusst, was für ein Verhalten du da eigentlich an den Tag legst. Sondern du hast in dem Moment keine Probleme. Kleiner Mann, kleine Probleme, großer Mann, große Probleme. Und ich hab gemerkt, wie mich der regelmäßige Konsum nach der Trennung von meiner Freundin einfach zwei Jahre mehr oder weniger bettlägerig gemacht hat. Oder du bist halt feiern gegangen. Aber davon unabhängig: Du suchst dir den Grund, wenn du kiffen willst. Ist nicht so, dass du einen Grund brauchst. Und sei es, weil dir gerade der Furz quer gesessen hat, weil dir die Kippe draußen ins Wasser gefallen ist. Dann gehst du rein und regst dich darüber auf und dann buffst du einen. Und wenn du aufhören willst, hörst du richtig auf oder suchst halt Ausreden und hörst nicht richtig auf. Und ich hab immer gerne Ausreden gesucht. Aber mein Leben war halt auch nie so, dass es gar nicht mehr lief. Da hab ich mir immer gesagt: Wenn’s so weit ist, hör ich auf.

Wie würde sich dein Geschäft durch die Legalisierung verändern?

Bei mir gar nicht, weil ich ja bald mit dem Studium fertig bin und dann nicht mehr dealen möchte. Ich glaube aber, dass sich da so nicht viel ändern wird. Klar, es ist gut, weil du weißt, was du kaufst. Aber wenn es dann erst mal legalisiert wird, haben wir ja immer noch unsere deutsche Bürokratie dazwischen. Einen Coffeeshop legal aufzumachen, wird wahrscheinlich viel zu teuer sein. Also die Preise, die sie in Coffeeshops generieren wollen, um Steuereinnahmen zu machen. Kann ich mir nicht vorstellen, dass wir das hinkriegen.

Bist du der Meinung, dass illegales Dealen mit Cannabis bleibt?

Es kommt darauf an, wie die Regierung es macht. Wenn es wie in Holland läuft, könnte sie damit Erfolg haben. Aber wenn’s anders läuft, weiß ich nicht. Die Apotheken-Gräser – also wenn du das wirklich brauchst, das können sich die Leute gar nicht leisten. Da bezahlt man dann 30 Euro für eineinhalb Gramm, weil es ja dann medizinisches Marihuana ist. Ich glaube schon, dass viele Leute weiterhin auf nichtkontrolliertes Cannabis zurückgreifen werden. Wenn der Schwarzmarkt die Preise unterbieten kann und die Qualität gleich ist, wird das System auch nicht aufgehen. Die Kriminalität wird nicht abnehmen.

Es gibt ja Statistiken, die sagen, dass die Legalisierung einer Droge zu weniger Konsumenten in der Bevölkerung führt. Was denkst du darüber?

Also es nimmt halt wahrscheinlich den Reiz des Illegalen. Ich glaube, dass es lockerer wird in der Gesellschaft. Einfach, weil die Leute das nicht mehr so streng sehen. Ich seh das bei meinen Eltern. Die sind sehr konservativ. Die hätten nichts gegen Kiffen, wenn es von der Regierung als legal eingestuft wäre. Klar hätten sie ihre Meinung dazu, aber eher die „Mach was du willst“-Art-und-Weise. Sie finden Zigaretten jetzt auch nicht gut. Aber ich bin mir sicher, dass sie mich nicht mehr so blöd angucken würden, wenn ich sage: „Ich kiffe.“

Wie haben das deine Eltern bei dir herausgefunden?

Sie haben Gras gefunden. Mal ein Zehn-Euro-Schein. Dann war ich mal in einer wilden Phase, die man mir auch körperlich angesehen hat. Da will ich auch mal fast behaupten, dass meine Mom meine Sachen durchgeguckt hat. Und dann hat sie mal was im Portemonnaie gefunden. Einmal auch eine größere Menge.

Und was hat sie damit gemacht?

Komplett im Klo runtergespült. Da war das Cannabis erst mal weg und der vierstellige Geldbetrag auch. Und dann war’s auch erst mal genug für die nächsten zwei Jahre. Da galt es, erst mal wieder Vertrauen aufzubauen. Bei denen gehen ja dann alle Alarmglocken an. Der Drogensüchtige, der klaut und bla bla bla. So wie du es halt aus schlechten Filmen kennst. Aber das Vertrauen ist wieder da. Sie haben mich noch immer lieb und sind stolz auf mich. Meine Eltern sind scheiße aufgeklärt. Die gucken Tagesschau, und alles was sie sehen, ist, wie eine Tonne Marihuana in Bananenkartons gefunden wird.

Also ist mehr Aufklärung nötig?

Denke ich mal. Warum denn nicht?!

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 7.

Quellen

  1. Tetrahydrocannabinol, berauschender Wirkstoff von Cannabis.
  2. Cannabidiol, Wirkstoff von Cannabis.
  3.  Zu Hause gezüchtetes Cannabis wird als Homegrow bezeichnet. Es wird nicht gestreckt und ist deshalb hochwertiger.- Glander, Ralph: Je größer die Pflanze, desto höher die Strafe, auf: br.de (2.5.2014).
  4. Das Interview soll einen Einblick in das Leben eines Cannabis-Dealers bieten und dient nicht zur Verherrlichung von Drogenkonsum.

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