Gute Arbeit?

Jeder Euro hilft, neue Recherchen zu realisieren!

Verteilung von Landesgeldern

Herr der Scheine

Vor zwei Jahren wurde erstmals Kritik am Vorpommern-Fonds laut. Der Bund der Steuerzahler kritisierte, dass klare und transparente Richtlinien fehlen. Zudem sei der Entscheidungsprozess zu stark an den Vorpommern-Staatssekretär geknüpft. Mittlerweile hat dieser das Amt an seinen Nachfolger übergeben. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Patrick Dahlemann steht fröhlich lächelnd vor einem roten Band. Eine Schere in der rechten Hand, tritt er vor, um es zu durchtrennen. Die Leute, die gekommen sind, applaudieren. Wieder wurde eine großartige Investition für die Region Vorpommern eingeweiht.

Die letzte Landesregierung wollte ein besonderes Augenmerk auf die Region Vorpommern legen. Es könne wirtschaftlich und von der Infrastruktur her noch nicht mit Mecklenburg mithalten. Deshalb wurde der sogenannte Vorpommern-Fonds ins Leben gerufen. Damit solle der Entwicklungsprozess dieses Landesteils zusätzlich unterstützt werden, heißt es auf der Website des Fonds. Eine Förderung beantragen und erhalten kann quasi jeder; gerade kleine Gemeinden, Vereine oder Initiativen werden dazu ermutigt. Seit 2018 können jährlich drei Millionen Euro vergeben werden.

Entscheidungsgremium

Wie wird über die Vergabe der Gelder entschieden? Wer an dieser Stelle komplizierte bürokratische Hürden, viele unterschiedliche Ämter oder lange Formulare vermutet, liegt falsch. Über die Förderwürdigkeit des Ersuchens entscheidet der Parlamentarische Staatssekretär für Vorpommern quasi alleine. Bis November 2021 war dies noch Patrick Dahlemann, nun folgt ihm Heiko Miraß (beide SPD) nach. Als Unterstützung für die Entscheidungsfindung steht ihm ein dreiköpfiges Gremium zur Seite, das einmal im Monat zusammenkommt, um die Anträge zu sichten. Nur wenn die Förderung 50.000 Euro übersteigt, muss auch der Vorpommern-Rat mitstimmen. Ministerpräsidentin Schwesig hat diesen zehnköpfigen Rat einberufen, um Persönlichkeiten aus der Region zu Wort kommen zu lassen. Er trifft sich ungefähr alle drei Monate in Anklam. Wer die zehn Ratsmitglieder vorgeschlagen hat? Patrick Dahlemann. Wer diese Sitzungen leitet? Patrick Dahlemann. Und wer die neue Besetzung des Rates für die kommende Legislaturperiode vorschlägt? Heiko Miraß mit – richtig! – Patrick Dahlemann.

Strahlemann Dahlemann

Der 33-Jährige wuchs in Torgelow auf und lebt bis heute dort. Mit 16 Jahren wurde er jüngstes SPD-Parteimitglied im Landkreis Uecker-Randow. Mit 21 saß er in der Torgelower Stadtvertretung. Als 23-Jähriger trat er als Direktkandidat für seinen Wahlkreis 35 an – und verpasste knapp den Einzug in den Schweriner Landtag. Drei Jahre später konnte er allerdings für einen zurückgetretenen Kollegen nachrücken.

2016 gelang ihm dann, was viele für unmöglich hielten: Er gewann in seinem Wahlkreis 35 das Direktmandat gegen AfD und CDU. In ganz Vorpommern konnten nur zwei weitere SPD-Politiker ein Direktmandat erringen – Dahlemann wird als Polit-Youngster gefeiert. Dass er daraufhin zum Staatssekretär für Vorpommern ernannt wird, ist keine große Überraschung.

Nur gut die Hälfte der Projekte ist öffentlich sichtbar

„Die Mittel des Vorpommern-Fonds sollen dazu beitragen, den Entwicklungsprozess in Vorpommern zusätzlich zu unterstützen.“ heißt es auf der Website. Welche messbaren Kriterien eingesetzt werden, um einen Antrag hinsichtlich seiner Förderwürdigkeit zu beurteilen, findet man dort nicht. Was man allerdings einsehen kann, sind die bisher geförderten Projekte. Antragsteller, Zweck und die Höhe des Zuschusses. Die Redaktion von KATAPULT MV ist sich einig: Nach vier Jahren Fonds ist es jetzt an der Zeit, diese Daten aufzuschlüsseln.

Eigentlich müssten bis Ende dieses Jahres 14 Millionen Euro vergeben worden sein. Die Website verkündet außerdem, dass momentan keine neuen Anträge eingereicht werden können, das Volumen sei bereits ausgeschöpft. Knapp 1.000 Projekte konnten damit gefördert werden. Überraschend, denn die Daten einer interaktiven Karte verraten: Nur 565 Projekte wurden mit rund 5,5 Millionen Euro unterstützt. Was ist mit dem Rest passiert?

Das Staatssekretariat gibt auf Nachfrage Auskunft: Tatsächlich wurden 956 Projekte mit circa 10,4 Millionen Euro gefördert. Außerdem seien drei Millionen Euro gar nicht in den Topf des Fonds geflossen, man habe in Summe nur elf Millionen zur Verfügung gehabt. Die restliche Differenz erkläre sich damit, dass zu Beginn Personalkosten des Landesförderinstitutes gedeckt werden mussten. Dessen Ressourcen habe man gebraucht, um die Abwicklung der Anträge durchzuführen.

Warum fast die Hälfte der geförderten Projekte auf der Karte nicht öffentlich sichtbar ist, könne man sich auch nicht erklären. Der einzige Grund könne darin liegen, dass die Förderungen erst öffentlich gemacht werden, wenn sie von den betreffenden Institutionen abgerufen wurden. Auch technische Unstimmigkeiten seien möglich. So oder so bleibt hier ein Fragezeichen, das den Verantwortlichen des Fonds bisher offenbar gar nicht richtig bewusst war.

Verteilung der Fördersummen

Der Vorpommern-Fonds musste sich bereits in der Vergangenheit immer wieder gegen Vorwürfe verteidigen. Er sei zu wenig transparent und zu sehr auf eine Person zugeschneidert. Der Bund der Steuerzahler nahm ihn schon vor zwei Jahren unter die Lupe. Diana Behr, Autorin des damaligen Artikels, sieht in der Gründung eines solchen Fonds auch noch andere Interessen verwirklicht: „Was passiert, wenn die etablierten Parteien in einer Region viele Wählerstimmen verlieren? Die Regierung verteilt Geld.“ Aber wohin wurde das Geld verteilt? Welche Regionen bekamen die meiste Unterstützung?

Ein Blick auf die nach Landtagswahlkreisen gegliederte Karte verrät: Offenbar hat man das Geld in den letzten vier Jahren auch außerhalb Vorpommerns verteilt. Dies sei geschehen, weil es auch abseits der vorpommerschen Grenze förderungswürdige Gebiete gebe. Diesen wolle man ebenfalls helfen, teilt das Staatssekretariat mit. Um weniger in Grenzen zu denken, ist das Amt für die neue Legislaturperiode umbenannt worden und führt jetzt auch das östliche Mecklenburg im Namen. Die Landesregierung hat 2016 alle Gemeinden hinsichtlich ihrer sozioökonomischen Ausgangslage bewertet. Demnach sind strukturell benachteiligte Regionen nicht nur in Vorpommern zu finden, sondern auch in anderen Teilen des Landes. Sie werden „Ländliche GestaltungsRäume“ genannt. Auch ihnen soll der Fonds helfen.

Außerdem sticht ins Auge: Am meisten Geld floss in den Wahlkreis 35, ganz im Osten MVs. Wer sich jetzt noch an den kurzen Lebenslauf von Patrick Dahlemann erinnert, dem kommt diese Zahl bekannt vor. Richtig, Landeswahlkreis 35 ist seine Heimatregion. Dort konnte er schon zweimal wider Erwarten das Direktmandat erringen. Hat der Bund der Steuerzahler mit seiner Aussage, solche Fonds dienten vor allem der politischen Imagepflege, etwa recht?

Eine Nachfrage bei Patrick Dahlemann ging bis zur Veröffentlichung dieses Artikels ins Leere. Sein Nachfolger Heiko Miraß nimmt sich jedoch Zeit für ein Gespräch. Auf die Frage, ob Dahlemann bewusst mehr Geld in seiner Region verteilt habe, antwortet er: „Den Vorwurf, dass Herr Dahlemann willkürlich gehandelt habe, kann ich – nach Sichtung aller Unterlagen – nicht bestätigen.“

Der Abgleich mit der Einteilung der Regionen MVs hinsichtlich ihrer sozioökonomischen Stärke zeigt: Wahlkreis 35 ist tatsächlich ein Paradebeispiel für einen „Ländlichen GestaltungsRaum“. Hier also vermehrt Geld zu investieren, macht Sinn. Warum es aber genau dieser Wahlkreis an die Spitze der Fördersummen geschafft hat und nicht eine andere, ebenso förderwürdige, Region? Es kann sich um einen Zufall handeln. Es kann auch daran liegen, dass nicht alle Daten verfügbar sind. Es kann aber auch daran liegen, dass die Entscheidungsmacht über dieses Steuergeld vier Jahre in der Hand eines Politikers lag, der hier um Wahlsiege kämpft. 

Blick in die Zukunft

Ob Heiko Miraß in der aktuellen Legislaturperiode etwas am Verteilungsverfahren ändern möchte, könne er momentan noch nicht sagen. Es solle „weiterhin unbürokratisch bleiben, aber trotzdem rechtssicher“. Er wolle zunächst am alten Modell festhalten, da es schnell zu Ergebnissen führt. Die Messbarkeit des Erfolgs des Fonds und seiner Zielsetzung sieht Miraß kritisch: „Es wäre mir ein großes Anliegen, den Erfolg des Fonds zahlenmäßig greifbar zu machen. Aber dafür ist die Zielstellung zu vielfältig, die einzelnen Projekte sind schwierig zu vergleichen.“ 

Das mit den Fonds bleibt also „so eine Sache”. Wenn auf diesem Weg Steuergeld verteilt wird, braucht es Transparenz. Klare Entscheidungskriterien. Und er sollte nicht die Möglichkeit bieten, dass Politiker damit Sympathiepunkte für die nächste Wahl sammeln.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 3 von KATAPULT MV.

Quellen

  1. Vorpommern-Fonds: Darstellung von Projekten und weiteren Informationen, auf: vorpommern-fonds.de (29.11.2021).
  2. Regierungsportal MV: Vorpommern Rat, auf: regierung-mv.de (30.11.2021).
  3. Vorpommern-Fonds: Darstellung von Projekten und weiteren Informationen, auf: vorpommern-fonds.de (29.11.2021).
  4. Ebd.
  5. Bund der Steuerzahler (2019): Das Schwarzbuch. Die öffentliche Verschwendung 2019/20, S. 83.
  6. Wir konnten nur die Zahlen und Daten verwenden, die auf der Website des Vorpommern-Fonds auf der Karte eingezeichnet wurden (Stand: 29.11.2021). Auf Rückfrage beim Staatssekretär für Vorpommern und das östliche Mecklenburg wurde uns bestätigt, dass es sich hierbei um alle Fördersummen handelt, die bisher von den Empfänger:innen abgerufen wurden.
  7. Landesregierung MV: Ländliche GestaltungsRäume, auf: regierung-mv.de (2.12.2012).

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