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Sport in MV

Hockey geht auch ohne Eis

Sie fahren gemeinsam zur Deutschen Meisterschaft nach Frankfurt am Main, schauen sich zusammen die WM-Spiele der deutschen Nationalmannschaft im Fernsehen an und veranstalten regelmäßig Mannschaftsabende. Die beiden Hockey-Teams der HSG Uni Greifswald sind zwei von insgesamt zehn in ganz MV, die derzeit in der Oberliga spielen und konnten vor allem in den letzten Jahren einige Titel für sich gewinnen. Doch warum hat der Hockey-Sport grundsätzlich Probleme, in der Region Mitglieder zu akquirieren? Wir haben ein Training in Greifswald begleitet.

Niklas sitzt auf dem Hallenboden der Mehrzweckhalle in Greifswald und erklärt die nächste Trainingseinheit anhand einer kleinen Taktiktafel. Die Spielerinnen und Spieler hören ihm zu. Der 28-jährige ist Trainer der Damen und zugleich Abteilungsleiter der HSG Uni Greifswald Hockey. Heute übernimmt er das Mixed-Training für die Damen- und die Herrenmannschaft. Seine Erfahrungen reichen bis in die erste Liga. 

Er selbst spielt normalerweise im Tor, ist gut geschützt durch diverse Protektoren und gepolstert am gesamten Körper. Feldspieler haben vergleichsweise wenig Möglichkeiten, sich gegen den Ball aus Hartgummi zu schützen. „Der kann im Amateurbereich auch mal bis zu 100 km/h beschleunigt werden“, erzählt Feldspieler Nils. „Bei den Profis wird er sogar bis zu 120 km/h schnell“. Daher sind bestimmte Körperregionen besonders geschützt. Schienbeinschoner stehen vor allem bei den Damen an erster Stelle, das Suspensorium bei den Herren. Einen Zahnschutz sieht man bei fast allen. 

Niklas ist Abteilungsleiter der HSG Uni Greifswald Hockey und Trainer der Damenmannschaft. Selbst hat er schon in der ersten Liga gespielt.

Die meisten Mitglieder sind nach dem Studium wieder weg

Nils ist 26 Jahre alt und seit 2015 Teil des Herren-Teams, muss jedoch aus gesundheitlichen Gründen aktuell pausieren. Er wird das Team in naher Zukunft schweren Herzens wieder verlassen, da er sein Studium erfolgreich beendet hat und zurück in die Heimat nach Schwerin geht. So oder so ähnlich wird es vielen Mitgliedern irgendwann gehen, denn ein Großteil der Herren- und Damenmannschaft studiert derzeit an der Universität in Greifswald und wird nicht unbedingt in der Stadt bleiben. 

Hockey spielen haben die meisten von ihnen in der Kindheit im Heimatverein gelernt. Mit seiner Größe muss Nils in diesem Sport viel gebeugt agieren, um erfolgreich zu sein. Somit sei das alles eine reine Gewöhnungssache.

In MV gibt es insgesamt zehn Hockeyteams, die derzeit in der Oberliga spielen – davon jeweils eine Frauen- und eine Männermannschaft aus Schwerin, Güstrow, Rostock und Greifswald. Eine weitere Frauenmannschaft kommt aus Plau am See und eine Männermannschaft aus Pritzwalk in Brandenburg. Für den Pritzwalker FHV 03 gibt es eine Sonderregelung, sodass sie auch in MV spielen können. Die großen Zentren befinden sich in München, Hamburg und Berlin. 

Zwischendurch unterbricht Niklas die Übung und erklärt die nächste. Es ist laut in der Halle. Ständig knallen die Schläger gegen den Ball, manchmal auch direkt aneinander. Dann wird jedoch unterbrochen. „Stockschlag ist verboten im Hockey“, erklärt Nils.

Im Vergleich zum Eishockey ist die Schlagfläche deutlich kleiner. Durch das Herabsenken des Schlägers zu Boden kann die Aufnahmefläche für den Ball aber vergrößert werden.

Beim Feldhockey ist im Gegensatz zum Eishockey die Schlägerhaltung sehr wichtig. Die Schlagfläche ist deutlich kleiner, die Aufnahmefläche kann durch Herabsenken des Schlägers zu Boden jedoch vergrößert werden. Gespielt wird mit fünf Feldspielern und einem Torwart. Das Spiel ist sehr schnell. Schneller als man wahrscheinlich vermutet, wenn man zum ersten Mal zuschaut. 

Zu Hochzeiten kommen für Hockeyspiele über 100 Zuschauer in die Mehrzweckhalle. Zurzeit sind es in der Regel jedoch eher um die 20 bis 30 Gäste. „Hockey ist leider nicht so populär wie Fußball oder Football. Meistens kommen Freunde oder Kommilitonen zum Spiel und feuern uns an“, erzählt Nils. Wieder kurze Trainingsunterbrechung: Niklas sieht etwas, was ihm nicht gefallen hat und erklärt, wie es verbessert werden kann. Trainingsalltag für den Routinier, der bereits für den Mariendorfer HC Berlin und Hannover 78 im Kasten stand. 

HSG-Hockey-Frauen derzeit erfolgreicher

Weiter geht es mit einer neuen Übung. Immer noch Männer gegen Frauen. „Das passt ganz gut“, meint Nils. Er spricht damit die unterschiedlichen Leistungsniveaustufen an. Die Herrenmannschaft konnte schon einige Titel für sich gewinnen: Seit der Saison 2018/19 sind sie Landesmeister. Aktuell spielen sie mit vier weiteren Teams in der Oberliga MV, stehen jedoch mit nur drei Punkten aus drei Spielen auf dem letzten Tabellenplatz. Die Frauenmannschaft war bisher noch nicht so erfolgreich. In der aktuellen Saison aber sieht es besser aus als bei den Herren: Mit sieben Punkten aus vier Spielen sind sie derzeit auf Rang zwei hinter dem ATSV Güstrow. 

Nils erzählt, dass die Frauen somit um den Aufstieg in die Regionalliga spielen könnten. Die Motivation sei hoch. Das Ziel in greifbarer Nähe.

Feldspielerin Hannah im Training. Besonders Ecken werden einstudiert, um am Spieltag variabel zu sein.

Es fehlen Sponsor:innen

Doch problematisch für die Hockey-Damen ist  wie bei vielen anderen Amateurmannschaften in Meck-Vorp: Es fehlt das Geld. Im Falle eines Aufstiegs in die Regionalliga müssten ca. 4.000 Euro Sponsorengelder gesammelt werden, damit ein Spielbetrieb möglich wäre. Lange Auswärtsfahrten und Übernachtungen wären ohne finanzielle Unterstützung nicht zu leisten. Dazu kommt die Ausrüstung des Teams: Schläger, Schutzkleidung, Trikots etc. Der Verein erhofft sich durch den Kontakt zum Kreissportbund und der Hansestadt Greifswald, mehr Mittel einwerben zu können. Schwierig gestalten sich dabei oft die Formalitäten, die einzuhalten sind. Im Verein fehlt es derzeit an Personen, die einen verwaltungstechnischen Hintergrund mitbringen. Die Teams in MV würden sich aber immer wieder untereinander unterstützen, sagt Nils. Sie stellen Getränke für die Gästeteams bereit, sodass diese nicht extra mitgenommen werden müssen. Denn schon die Ausrüstung nehme sehr viel Platz weg. Daher müsse man immer mit mehreren Autos zu den Auswärtspartien und wieder zurück pendeln. Gefahren wird auf eigene Kosten mit dem Privatauto. Manchmal reichen zwei, oft sind es drei Fahrzeuge. 

Es wird ruhig in der Halle. Niklas holt die Teams zusammen. Trinkpause. In der nächsten Übung werden Ecken geübt. Auf der einen Spielhälfte trainieren jetzt die Männer, auf der anderen die Frauen. Die Bälle fliegen überall. Gerade bei den Eckbällen komme es darauf an, bestimmte Abläufe immer und immer wieder zu üben, betont Nils. Durch die verschiedenen Schlägerhaltungen ist jeder Eckball anders. Von links schwieriger als von rechts. Zum Umdenken bleibt keine Zeit. Die gegnerischen Spieler:innen befinden sich bei jeder Ecke immer hinter der Grundlinie. Es werden auch Gesichtsgitter aufgesetzt, um den Kopf zu schützen: „Die laufen dann ohne zu zögern auf den ballführenden Spieler und werfen sich in den Schuss. Hauptsache, der Ball geht nicht ins Tor“, so Nils. Mittlerweile ist es 21.30 Uhr. Langsam neigt sich das Training dem Ende entgegen. Das gesamte Team baut gemeinsam die Banden und die Tore ab. 

Es werde wohl noch ein sehr langer Weg sein, bis Hockey einen höheren Stellenwert in der Sportlandschaft einnehmen wird, mutmaßt Nils. Aber vielleicht rückt er ja immer noch ein Stück weiter in den Fokus, um neue potentielle Mitglieder anzuwerben. Vielleicht, so hofft er, gibt es mit dem aktuellen Erfolg der deutschen Nationalmannschaft einen kleinen Aufschwung. Das Männerteam ist nämlich vor zwei Wochen in Indien Hockey-Weltmeister geworden. 

Interessierte können ohne Anmeldung zu einem Probetraining der HSG Uni Greifswald kommen: Immer dienstags in der Mehrzweckhalle im Schönwalde-Center in Greifswald.

Spielpläne beider Teams gibt’s hier.

(Fotos: André Gschweng)

Quellen

  1. Die Saison 2021/22 wurde wegen der Corona-Pandemie abgebrochen. Dadurch wurden in diesem Jahr kein neuer Landesmeister gekürt.

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