Sechs Jahre. Ungefähr so lange dauert es, bis ein Kind in Mecklenburg-Vorpommern eingeschult wird. Ziemlich genauso lange hat eine Doktorandin an einer Universität Zeit zu promovieren. Schafft sie es nicht, muss sie die Uni verlassen. Feuchter Händedruck, und auf Wiedersehen.Gleiches gilt für die Zeit nach einer erfolgreichen Promotion in der sogenannten Post-Doc-Phase auf dem Weg zur Habilitation. So will es das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das die Befristungsdauer von wissenschaftlichem Personal regelt.
Nils arbeitete fünfeinhalb Jahre lang als Doktorand an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock. Er heißt eigentlich anders, möchte aber anonym bleiben, weil er fürchtet, sich mit kritischen Aussagen einen möglichen Weg zurück an die Uni zu verbauen. Angestellt war Nils auf einer halben Haushaltsstelle der Uni und weiteren 20 Stunden pro Woche über Drittmittelprojekte.
So läuft das im wissenschaftlichen Betrieb. Haushaltsstellen, auch halbe, sehen Lehre, Forschung und akademische Selbstverwaltung vor. Neben der Promotion sind Doktorandinnen verpflichtet, Studentinnen zu unterrichten, Prüfungen abzunehmen, Qualität, Organisation und Entwicklung der Lehre sicherzustellen. Sie müssen in Forschungsdienstleistung gehen und weisungsgebunden wissenschaftlich arbeiten sowie Drittmittel einwerben, Projekte planen, Tagungen besuchen, Aufsätze zu eigenen Forschungsergebnissen publizieren. Sie sollen sich in akademischen Gremien engagieren, administrative Aufgaben übernehmen und die Hochschule bei öffentlichen Veranstaltungen vertreten.
Drittmittelprojekte dagegen sind externe Forschungsprojekte, die Doktorandinnen für die Hochschule einwerben. Ohne sie ist Forschung häufig unmöglich. Doch nicht immer passen Drittmittelprojekte zum eigenen Promotionsthema. „Mit den Projekten konnte ich meine Rechnungen bezahlen, denn eine halbe Haushaltsstelle hat dafür nicht gereicht. Aber näher an meine Promotion bin ich damit nicht gekommen“, erläutert Nils. Drittmittelprojekte, die nicht zum eigenen Forschungsfeld gehören, sind ein ungünstiger Fall, aber keine Seltenheit. Deshalb gibt es Forschungsprojekte, über die auch ausdrücklich Promotionen gefördert werden können.
Lehre und Drittmittelprojekte voranzutreiben, sei auch ohne Doktorarbeit ein Vollzeitjob. „Wenn ich mich ausschließlich auf die Promotion hätte konzentrieren können, wäre ich in drei Jahren fertig gewesen“, sagt der ehemalige Wissenschaftler. Stattdessen verbrachte er zunächst zwei Jahre damit, sich im wissenschaftlichen Betrieb der Uni zurechtzufinden und Aufgaben in befristeten Drittmittelprojekten zu erfüllen, bevor er das erste Mal zum eigenen Promotionsthema forschte.
Prekärer Standard durch befristete Arbeitsverhältnisse
Auf dem freien Arbeitsmarkt gelte der Grundsatz der unbefristeten Arbeitsverhältnisse, berichtet Nadja Patenge, die als Wissenschaftlerin an der Rostocker Universitätsmedizin arbeitet und sich in der Mittelbauinitiative der Universität für verbesserte Arbeitsbedingungen einsetzt. „Eigentlich muss für ein befristetes Arbeitsverhältnis ein Sachgrund wie eine Elternzeitvertretung vorliegen, doch für die Wissenschaft gelten andere Regeln“, beschreibt Patenge die prekäre Situation. Im Jahr 2020 waren rund drei Viertel des hauptamtlichen wissenschaftlichen Personals der Universität Rostock, das keine Professur innehatte, befristet angestellt. Wobei es zwischen den einzelnen Fakultäten erhebliche Unterschiede gab.
Durch das WissZeitVG sollen die besten Forscherinnen herausgefiltert werden, lautet die gängige Argumentation für akademische Zeitverträge. Einen wissenschaftlichen Beleg für diesen Ausleseprozess gebe es allerdings nicht. Stattdessen werde originelle und aufwendige Forschung durch befristete Verträge behindert, sagt Patenge. Ein Großteil des wissenschaftlichen Personals, allen voran Doktorandinnen und Post-Docs, erlebe permanente Unsicherheit. „So ist keine gute Arbeit möglich und so entsteht auch keine Motivation“, beklagt die Wissenschaftlerin.
Das Problem für Doktorandinnen: Die Befristungen sind kürzer als der Qualifizierungszeitraum. Aktuell werden befristete Haushaltsstellen an der Uni Rostock auf maximal drei Jahre ausgestellt – lediglich die Hälfte des verfügbaren Zeitraums für die wissenschaftliche Qualifizierungsarbeit. Im Durchschnitt benötigen Doktorandinnen an der Uni Rostock für ihre Promotion derzeit 4,7 Jahre. Werden Verträge nicht verlängert, bleibt nur die Dissertation in der Arbeitslosigkeit.
„Es wird eher nicht auf individuelle Schicksale geachtet“, kritisiert Nils die Personalentscheidungen. Weder werde auf Überlastung reagiert, noch die Qualität des wissenschaftlichen Personals wertgeschätzt. „Wenn jemand gute Lehre leistet und wichtige Drittmittelprojekte für die Uni einwirbt, gleichzeitig aber der auslaufende Vertrag nicht eilig bearbeitet wird, verlassen gute Leute die Uni“, beschreibt der ehemalige Doktorand die Fluktuation des wissenschaftlichen Personals an der Universität.
„Schindluder wird immer wieder getrieben“
„Auch wenn ich sechs Jahre an der Uni geblieben wäre, hätte ich meine Dissertation nicht geschafft“, berichtet Nils. Dafür sei zu viel Arbeit angefallen. Nach fünfeinhalb Jahren verließ er die Hochschule und den akademisch-wissenschaftlichen Karriereweg. „Wenn du promovieren willst, arbeitest du mehr als 40 Stunden und auch nach Feierabend.“ Für Nils war die Belastung irgendwann zu groß.
Wenn Lehre zeitgemäß gestaltet werden soll, bedeutet das Mehraufwand für die Lehrenden. Digitale Strukturen müssen aufgebaut, Methoden angepasst und etabliert werden. Darunter leide meist die Zeit für die eigene Qualifizierung. Deshalb müsse Lehrleistung nach einheitlichen Qualitätskriterien erfasst werden, fordert Nadja Patenge von der Mittelbauinitiative.
Doch Zeiterfassung am Arbeitsplatz ist für das wissenschaftliche Personal der Uni Rostock nicht überall üblich. Auch die Evaluation geleisteter Arbeit fehle und so blieben Doktorandinnen oft auf sich allein gestellt. Das habe System, denn bei korrekter Zeiterfassung sei die anfallende Arbeit gar nicht zu schaffen, erklärt Patenge. Lehre und wissenschaftliche Veröffentlichungen seien insgesamt zu viel.
„Ich kenne niemanden, der in der Arbeitszeit promoviert. Das passiert an Wochenenden, abends und im Urlaub“, sagt Vivien Peyer, Mitglied des Personalrats für wissenschaftlich Beschäftigte an der Uni Rostock. Weil es kein offizielles Monitoring der Arbeitszeiten gibt, fehlen auch institutionelle Strukturen, an die sich Doktorandinnen wenden können, wenn die vertraglich vereinbarte Zeit für die eigene Qualifizierung nicht ausreicht. Auch hier unterscheiden sich Fakultäten und Studiengänge. „Ingenieure lachen und gehen in die Industrie, wenn von ihnen unbezahlte Arbeit verlangt wird“, sagt Patenge.
Die Universitätsleitung kann ein Monitoring einfordern. Leitlinien für gute Forschung und Lehre gebe es bereits, „aber Papier ist geduldig“, sagt Peyer. Die Fakultäten legen Rahmenbedingungen und Verfahrensregeln eigenständig fest. Damit sind sie direkt verantwortlich für die Qualität der Promotion und die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. „Aber nur weil eine Regel besteht, wird sie noch lange nicht umgesetzt.“ Das liege auch daran, dass ein Management für Beschwerden und Probleme an der Uni fehle, so Peyer.
Es komme vor, dass Professorinnen mehr Aufgaben und Lehrstunden von Doktorandinnen verlangten als vereinbart. Aufgrund des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses trauen sich Doktorandinnen meist nicht, Kritik zu äußern. Regelverstöße bleiben deshalb folgenlos. Die Universität Rostock selbst verweist auf sechs Ombudspersonen, die jedem konkreten Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten an der Universität nachgehen sollen.
Dieses Gremium sei jedoch in erster Linie für die Umsetzung von „guter wissenschaftlicher Praxis“ verantwortlich, meint Vivien Peyer. So solle Ideenklau vermieden und sichergestellt werden, dass die Forschungsethik eingehalten werde. Mangelhafte Arbeitsbedingungen wie übermäßige Arbeitszeit und -belastung oder Teamkonflikte werden eher nicht behandelt.
„In der Praxis ist die Uni häufig ideenlos und wenig konsequent im Umgang mit diesen Problemen“, sagt Personalratsmitglied Peyer. Lehre sei etwas, das gemacht werden muss, weil die Studentinnen nun einmal da seien. Doch die daran geknüpfte Überlastung der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen werde totgeschwiegen. Wissenschaftlerinnen sitzen oft in der „Idealistenfalle“, weshalb sie sich kaum beschweren würden. Es fehle bis hinauf zur Hochschulleitung an Werkzeugen für Personalentwicklung und Konfliktlösung.
Universität muss Verträge nicht befristen
Haushaltsstellen, Projektmittel, Stipendien – die Möglichkeiten zur Finanzierung wissenschaftlichen Arbeitens sind verschieden. Prekär ist jede von ihnen. Doch das WissZeitVG könnte viel weiter gefasst und wissenschaftliches Personal über die Höchstbefristungsdauer einer Qualifizierungsphase gehalten werden. Dafür sei die Uni Rostock allerdings nicht risikofreudig genug, erklärt Vivien Peyer. Auch wenn Drittmittelprojekte für eine Weiterbeschäftigung vorhanden seien, halte die Uni kein Personal über die Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren je Qualifizierungsphase. So kommt es zu einem stetigen Braindrain, also dem Verlust von eingearbeiteten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen. Hochleistungsforschung an der Universität Rostock betreiben deshalb immer wieder Berufsanfängerinnen.
Der Gestaltungsspielraum der Universität werde nicht ausreichend genutzt und Vertragsentscheidungen aus rein juristischer Perspektive getroffen, beklagt Peyer. Dieser einseitige Blick sorge für den „Verlust von klugen Köpfen“ und schade damit auch der Universität selbst. Eine wertschätzende Politik gegenüber den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen fehle, kritisiert sie.
„Es gibt kein Interesse, gute Leute zu halten“, stellt auch Patenge fest. Der Grundgedanke hinter dem WissZeitVG, die Bestenauslese, funktioniere nicht. Auch das Argument, dass Personal mit entfristeten Verträgen Haushaltsstellen verstopfe, zweifelt die Wissenschaftlerin an. Ohne das WissZeitVG würden Leute „nicht mehr an Stellen festkleben, weil sie keine Angst haben müssten, in einer anderen Position nur befristet zu werden“.
Das Rektorat könne ein Gegengewicht zur juristischen Perspektive herstellen, findet Peyer. Allerdings würden andere Entscheidungsmöglichkeiten nicht ausreichend diskutiert und zu schnell die Rechtssicherheit als entscheidender Faktor bei Personalentscheidungen angewandt.
Der Hochschule fehlt es jedoch auch an eigenem Spielraum, um Haushaltsstellen zu entfristen. Weil das Land ihr kein Budget, sondern einen Haushaltsstellenplan genehmigt, der auf Fakultäten und Lehrstühle zugeschnitten ist, kann die Uni weniger flexibel Personalentscheidungen treffen. Das Personaldezernat sei somit kaum planungsfähig, weil es zu wenige Haushaltsstellen gibt, die besetzt werden können, berichtet Patenge. Die Uni könne nicht selbst entscheiden, wie Gelder verteilt werden.
Wenn Personal unbefristet angestellt werden soll, müsste die Uni dafür eine Haushaltsstelle hergeben. Ein Globalhaushalt, der nicht wie der aktuelle Stellenplan an Fakultäten und Lehrstühle gebunden ist, könnte andere Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen, „aber auch dann muss der Wille für Entfristungen oder Befristungen über die Höchstbefristungsdauer hinaus erst einmal vorhanden sein“, so Peyer.
Weil der Haushaltsstellenplan nun aber ist, wie er ist, seien viele wissenschaftliche Mitarbeiterinnen über befristete Drittmittelprojekte an der Uni beschäftigt. Ohne diese Projekte gebe es kaum noch Forschung, kritisiert Peyer, die in acht Jahren an der Uni Rostock bereits 18 Arbeitsverträge gesammelt hat. Die meisten Drittmittelprojekte seien so aufgestellt, dass sie möglichst viel Aufmerksamkeit erregen. Sie müssen immer „bahnbrechend“ sein, sagt Patenge. Nachhaltige Forschung sei so nicht machbar. Um dem entgegenzuwirken, sollten Gelder direkt an die Hochschule gezahlt werden. „Drittmittel für einzelne Projekte sind gut, aber sie sollten nicht den Großteil der Forschung finanzieren.“
Mangelnde Führungskompetenz auf allen Ebenen
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen ertragen auch deshalb ihre prekäre Situation, weil sie nur ungenügend über ihre Rechte und Pflichten informiert seien, meint Peyer. Vor allem in den Bereichen Arbeitsrecht und Arbeitsschutz. „Es gibt Doktoranden und betreuende Professoren, die glauben, dass sie einen Arbeitsvertrag direkt miteinander geschlossen haben, obwohl die Arbeitgeberin die Universität ist.“ Andere wüssten nicht, dass sie Anspruch auf Freizeitausgleich haben oder Krankentage nicht nacharbeiten müssten. Das für Verträge und arbeitsrechtliche Beratung der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen zuständige Personaldezernat leiste nur unzureichende Aufklärung.
Arbeitsrechtliche Informationen und Beschäftigungsbedingungen werden auch deshalb nicht weitergegeben, weil auf sämtlichen wissenschaftlichen Ebenen das notwendige Wissen darüber fehle – aufgrund einer nicht vorhandenen einheitlichen Führungskultur. Das gelte für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen gegenüber studentischen Hilfskräften, Projektleiterinnen gegenüber wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen oder Professorinnen gegenüber ihrem wissenschaftlichen Team. „Das ist ein politisches Problem an der Uni Rostock“, erklärt Peyer, denn ohne Führungskompetenz könne Veränderung nicht gelingen.
Lange Liste der Problemfelder
Die Probleme der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen sind vielfältig und unterscheiden sich von Fakultät zu Fakultät. Es bedarf verschiedener Lösungsansätze. Die wichtigste Herausforderung bleibe die fehlende Personalentwicklung für Wissenschaftlerinnen. „In anderen Unternehmen und Branchen ist es unvorstellbar, dass es keine Personalentwicklungsgespräche gibt“, sagt Patenge von der Mittelbauinitiative.
Ein anderes Problem ist die Abhängigkeit von betreuenden Professorinnen bei gleichzeitig fehlenden Beschwerdemöglichkeiten. Wenn es zu bewusstem oder unbewusstem Machtmissbrauch komme, gebe es keine offizielle Stelle, die darüber informiert werden könne und Vorwürfe bearbeite. „Wenn etwas passiert, dann geben es die Strukturen an der Uni nicht her, dass das angesprochen wird“, so Peyer.
Weil Professorinnen oft Vorgesetzte, potenzielle Entscheiderinnen über Weiterbeschäftigung und zugleich Gutachterinnen der angestrebten Promotion sind, bestehe ein starkes Hierarchiegefüge. Das führe dazu, dass sich wissenschaftliche Mitarbeiterinnen aus Angst vor Fachvorgesetzten selbst mundtot machen. Interessenkonflikte, Grauzonen und Druck führen zu einem ungesunden Verhältnis und einem Gefühl des Ausgeliefertseins, sagt Nadja Patenge. Sie sieht die Wissenschaftskritik an der Uni gefährdet. „Dass es immer wieder Leute gibt, die ihre Promotion erhalten, zeigt, dass es trotz aller Widerstände funktionieren kann.“ Doch das dürfe nicht von den bestehenden Missständen ablenken.
Bessere Arbeitsbedingungen für attraktiven Standort
Die Uni Rostock ist für alle gut gelegen, die sowieso an die Ostsee oder ans Meer wollen, beschreibt Peyer. Einen Standort- oder gar Forschungsvorteil gebe es deshalb jedoch nicht. Ganz im Gegenteil: In Rostock werde viel Arbeit verlangt und ungenügende Bedingungen geboten. Unter diesen Voraussetzungen sei es schwierig, gute wissenschaftliche Mitarbeitende und Doktorandinnen zu finden, sagt Nadja Patenge.
Die Mittelbauinitiative der Uni hat ein Positionspapier an die Hochschulleitung übergeben. Darin fordert sie bessere Arbeitsbedingungen und eine Kultur der gegenseitigen Förderung und Personalentwicklung. „Wenn man dafür keine eigenen Kapazitäten hat, muss man jemanden fragen, der sich auskennt“, nennt Peyer die Möglichkeit, auch auf externe Beraterinnen für Organisationsentwicklung zurückzugreifen.
Zunächst gehe es darum, Missstände aufzuarbeiten. Allen voran sollten eine Arbeitszeiterfassung und unabhängige Beschwerdestellen etabliert werden. Dann habe die Uni eine Chance, eine attraktive und konkurrenzfähige Arbeitgeberin zu werden, glaubt Peyer. „Das gelingt aber nicht, wenn man nur juristisch korrekte Entscheidungen trifft, die die Probleme der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Qualifizierungsfragen ausblenden.“ Für unterschiedliche Herausforderungen gebe es dabei nicht nur eine richtige Strategie. Miteinander zu diskutieren und Veränderungen anzustoßen, sei wichtig, „statt alles so zu lassen, wie es ist“.
Peyer weiß auch, dass die finanziellen Mittel der Hochschule begrenzt sind und nicht alle wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen entfristet werden können. „Es ist auch sinnvoll, auf dem Weg zur Promotion über einen längeren Zeitraum befristet angestellt zu sein“, sagt sie. Dennoch müsse die Arbeitgeberin weiter über Personal- und Organisationsentwicklung nachdenken und gute Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsverhältnisse schaffen.
Die Universität hat bereits erste eigene Maßnahmen angekündigt, um Führungskompetenzen zu stärken, und erarbeitet ein Personalentwicklungskonzept. So soll es unter anderem ab September Onlineangebote in einem geplanten Weiterbildungsportal geben. Auch die Dienstvereinbarung zu Mitarbeitergesprächen sollen überarbeitet und Werkzeuge zur Kompetenzabfrage entwickelt werden.
Die Situation des wissenschaftlichen Mittelbaus an der Universität Rostock unterscheide sich im bundesweiten Vergleich nicht von anderen Universitäten, heißt es verallgemeinernd aus der Pressestelle der Hochschule. Es gebe auch in Rostock „viele gute Beispiele für herausragende und international anerkannte Forschungsleistungen“. Zugleich erwarte die Uni eine Reform des WissZeitVG, „die in Zukunft Weiteres klären wird“, so Pressesprecherin Kirstin Werner. Für Vivien Peyer bedeute ein problembewusster Umgang mit der prekären Arbeitssituation der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen jedoch mehr als warten, dass das Befristungsgesetz reformiert werde. Eine strategische Personalentwicklung innerhalb einer Organisation sei nicht mit der reinen Stellenbesetzung getan, sagt das Personalratsmitglied. Interessante Nebeninformation: Auch innerhalb der Pressestelle der Uni Rostock kam es kürzlich zu einem personellen Wechsel.
Auch das Land könne zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen, etwa wenn die Uni Rostock keinen Stellenplan, sondern ein Budget bekäme, um Stellen flexibel gestalten zu können, ist sich Patenge sicher. „Gute Wissenschaft bringt Reputation an die Uni“, aber gute Wissenschaft braucht auch ein Umfeld, das frei von Überlastung und Unsicherheit ist.
Quellen
- Autor verwendet generisches Femininum.↩
- Gassmann, Freya: Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von wissenschaftlichen Mitarbeitenden – ein Überblick, Präsentation vom Mittelbautag der Universität Rostock (19.10.2022; liegt der Redaktion vor).↩
- Damit sind Postdoktorandinnen gemeint – wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, die nach erfolgreicher Promotion befristet an einer Universität angestellt sind und meist über Drittmittel finanziert werden.↩
- E-Mail von Kirstin Werner, Pressestelle der Universität Rostock, vom 11.7.2023.↩
- E-Mail von Kristin Nölting, Pressestelle der Universität Rostock, vom 7.8.2023.↩
- E-Mail von Kirstin Werner vom 11.7.2023.↩