Die Volljuristin Katja Rosendahl hat langjährige Erfahrung bei der Unterstützung von Menschen, die verschuldet sind und Hilfe suchen. Früher waren es etwa 300 Fälle pro Jahr, bei denen die Beratungsstelle im Detail Rat und Hilfe geleistet hat. „Für dieses Jahr zeichnet sich schon jetzt ein deutlicher Anstieg ab, denn im Januar hatten wir durchschnittlich neun bis zehn Fälle pro Woche, deshalb gehe ich von 400 bis 500 Mandant:innen in diesem Jahr aus“, beobachtet Rosendahl besorgt die Tendenz.
Zu den intensiven Beratungen, in denen die Mandanten auch durch Schriftverkehr und Telefongespräche mit den Gläubigern praktisch unterstützt werden, kommen noch die Kurzberatungstermine. Davon hatte Rosendahl in den zurückliegenden Jahren immer zwischen 350 und 400 einmalige Beratungstermine. Im letzten Jahr kamen fast 800 Ratsuchende, um sich darüber zu informieren, wie sie mit ihren Schulden umgehen können.
Immer mehr Menschen sind zahlungsunfähig
2020, im ersten Pandemiejahr, ist die Zahl der Privatinsolvenzen im Vergleich zu 2019 bundesweit überraschenderweise stark abgefallen. Eine Erklärung: Die Menschen waren deutlich zurückhaltender in ihrem Konsumverhalten.
Im letzten Jahr sind die Zahlen der Privatinsolvenzen dann aber rasant gestiegen. Das berichtet auch Rosendahl. Waren es 2020 in ihrer Beratungsstelle noch 109 Fälle privater Zahlungsunfähigkeit, so schnellte die Zahl im vergangenen Jahr auf 307 hoch. Teilweise lasse sich dieser Anstieg mit der Verkürzung der Restschuldbefreiung von sechs auf drei Jahre erklären, so Rosendahl. Diese Gesetzesänderung wurde zum 1. Oktober 2020 wirksam und darauf hätten sicherlich viele Schuldner gewartet. Zu einem großen Teil sei der Anstieg der Privatinsolvenzen aber auch durch die ökonomischen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die privaten Einkommen zu erklären. Fragt man nach den Gründen für die Verschuldung, so zeigen Katja Rosendahls Zahlen, dass die Hälfte der Schuldner:innen Konsumschulden bewältigen müssen. Die Mandant:innen haben beispielsweise mehrere Verträge mit Telekommunikationsgesellschaften, welche sie nicht mehr erfüllen können, oder es sind horrende Rechnungen bei Versandhäusern aufgelaufen. Hier kann oftmals mit Ratenzahlungen geholfen werden.
Mit Besorgnis sieht Rosendahl den hohen und gerade in Zeiten erhöhter Energiepreise zunehmenden Wohnkostenanteil am Haushaltseinkommen. So übersteige bei armutsgefährdeten, allein lebenden Menschen der Aufwand an Wohnkosten über 50 Prozent der Einkünfte. Viele Leute, die sich an die Beratungsstelle wenden, haben zunehmend Schwierigkeiten, ihre Miete und Nebenkosten zu begleichen. Insbesondere ältere alleinstehende Frauen mit niedrigen Einkünften oder Renten treffe die Auswirkungen der Corona-Pandemie empfindlich, stellt Rosendahl fest. Oftmals seien Minijobs und Zuverdienstmöglichkeiten verlorengegangen, was die ohnehin knappen Budgets belaste.
Schuldnerberatung im Profil
Die Schuldnerberatung der Volkssolidarität am Dreescher Markt 4 ist die einzige kostenfreie Schuldnerberatung in Schwerin. Sie wird zu 95 Prozent von der Stadt finanziert. Die restlichen 5 Prozent sind Eigenmittel der Volkssolidarität und beispielsweise gerichtlich verhängte Bußgelder und freiwillige Spenden.
Ein Team aus vier qualifizierten Mitarbeiter:innen hilft Menschen, die Konsequenzen einer Verschuldung zu bewältigen. Bei akuten Schuldenproblemen, beispielsweise bei Mietzahlungen, einer Stromsperre oder Kontopfändung wird zusammen mit den Mandant:innen an einer schnellen Abhilfe gearbeitet. So kann die Regulierung der Schulden, zum Beispiel durch Ratenzahlung oder ein Verbraucherinsolvenzverfahren, in Angriff genommen werden. Die Schuldnerberatung bietet Budgetberatungen, Präventionsschulungen und auch Projektarbeit in Schulen an. Eine Empfehlung gibt die Schuldnerberatung allen Menschen, die sich vorab schon mal digital beraten lassen wollen. Das Portal www.meine-schulden.de kann schon erste und anonymisierte Hilfe bieten.
Quellen
- Statistisches Bundesamt (Hg.): Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen, auf: destatis.de (29.10.2020).↩