Corona-Proteste

Interviews mit den Schweriner Demo-Anmeldern

Seit November finden quer durchs Land Demonstrationen gegen die Corona-Politik statt. Allwöchentlich gehen Tausende Menschen in Mecklenburg-Vorpommern auf die Straße. Neben einem bürgerlichen Publikum nehmen an den Veranstaltungen Verschwörungsgläubige, Neonazis und Reichsbürger teil. Deswegen regt sich seit ein paar Wochen vielerorts Gegenprotest. KATAPULT MV hat versucht, mit den Anmeldern beider Demonstrationsarten zu sprechen. Antworten kamen nur von Jan Ole Rieck.

Das Interview, das KATAPULT MV von Daniel Gurr persönlich angeboten wurde, sollte auf seinen Wunsch hin in schriftlicher Form stattfinden. Herrn Gurr wurden die Fragen am 25. Januar mit Bitte um Beantwortung bis zum 28. Januar zugemailt. Am 29. Januar teilte Herr Gurr mit, er sei aus terminlichen Gründen bisher nicht zur Beantwortung der Fragen gekommen. Wir baten ihn daraufhin um Beantwortung bis zum 30. Januar. Bisher sind uns keine Antworten zugegangen. Wir haben uns der Transparenz halber zur Veröffentlichung der Interviewfragen (am Ende des Artikels) entschlossen. Sollte Herr Gurr unsere Fragen noch beantworten, werden wir die Antworten selbstverständlich veröffentlichen.

Jan Ole Rieck organisiert in Schwerin Kundgebungen gegen die sogenannten Maßnahmenkritiker:innen. KATAPULT MV hat mit ihm über die Gegenproteste gesprochen.

KATAPULT MV: Herr Rieck, die Maßnahmenkritiker:innen, die spätestens seit November in vielen Städten Mecklenburg-Vorpommerns in großer Zahl auf die Straße gehen, sprechen von einer gespaltenen Gesellschaft. Wie nehmen Sie persönlich die gesellschaftliche Stimmung im Land wahr?

Jan Ole Rieck: Meiner Meinung nach liegt keine drastische Spaltung der Gesellschaft vor. Die einzige Gruppe, welche sich, allerdings eigenverantwortlich, von der Gesellschaft abgrenzt, sind die Querdenker:innen. Die Gesellschaft steht weiterhin zusammen gegen die Pandemie. Das zeigt auch die deutliche Mehrheit der Menschen, die geimpft ist.

Warum organisieren Sie Kundgebungen gegen die Corona-Demos in der Landeshauptstadt?

Weil ich ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus, Faschismus, Homophobie und Verschwörungstheorien auf Schwerins Straßen setzen möchte. Schwerin ist und bleibt eine solidarische und antifaschistische Stadt. Das gilt es den Querdenker:innen immer wieder zu zeigen. Gerade hinsichtlich des Infektionsschutzes passiert bei den Querdenker:innen so gut wie gar nichts. Keine Mindestabstände, keine Masken und ein großer Teil ist ungeimpft. Auch deshalb stehen wir montags und samstags immer wieder als Gegenprotest vor Ort. Wir fordern die Querdenker:innen dazu auf, ein solidarisches und gesellschaftsfähiges Verhalten an den Tag zu legen und einen konsequenten Infektionsschutz in der Landeshauptstadt möglich zu machen.

Anders als in Rostock oder Greifswald existiert in Schwerin keine starke linke Szene. An den Corona-Demos hier nahmen zuletzt laut Polizei bis zu 2.400 Menschen teil. An Ihren Versammlungen beteiligen sich im Schnitt etwa 25 bis 30 Teilnehmer:innen. Bekannte Gesichter aus der Stadtvertretung oder dem Landtag sucht man meistens vergeblich. Fühlen Sie sich von der Schweriner Zivilgesellschaft im Stich gelassen?

Nein, das wäre übertrieben. Ich kann es verstehen, dass Menschen in der jetzigen Pandemiesituation auf eine Teilnahme an Versammlungen verzichten. Die schwankenden Teilnehmer:innenzahlen und die personelle Fluktuation zeigen mir, dass es in Schwerin definitiv mehr als 25 bis 30 Gegendemonstrant:innen gibt. Bei den geplanten Alternativaktionen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Schwerin für alle“ bietet sich außerdem die Möglichkeit zu bürgerlicheren Protestformen.

Wie reagieren die „Querdenker:innen“ auf Ihre Veranstaltungen?

In den letzten Wochen ist eine Veränderung zu beobachten. Zunächst wurden wir nur mit Desinteresse verfolgt und nicht richtig beachtet. Mittlerweile ist ein gestiegenes Aggressionspotenzial bei den Querdenker:innen zu beobachten. Auch reagieren sie teilweise mit psychischer, aber auch mit physischer Gewalt. Es kam vereinzelt zu Sieg-Heil-Rufen und Hitlergrüßen. Eine steigende Polizeipräsenz um unsere Gegenkundgebung herum wurde dadurch notwendig.

Sie sind beruflich in der Altenpflege tätig. Beunruhigt es Sie, dass die Schweriner Demos von Menschen angeführt werden, die nach eigenem Bekunden ebenfalls im medizinischen Bereich tätig sind?

Aus meinem persönlichen Erfahrungen weiß ich, dass die meisten Pflegekräfte bereits geimpft sind und sich auch nicht an den Demos beteiligen. Aber es ist richtig, dass Menschen, die behaupten, aus dem medizinischen Bereich zu kommen, stark präsent auf den Demos der Querdenker:innen sind. Ich nehme dies eher mit Erschüttern auf, da dieser Bereich eine besondere Verantwortung innerhalb unserer Gesellschaft trägt. Sie vergessen wohl ihre Verantwortung gegenüber den Menschen, für die wir verantwortlich sind.

Sie wissen von Arbeitskolleg:innen, die an den „Querdenker“-Demos teilnehmen. Gibt es Zoff am Arbeitsplatz?

Da die meisten meiner Kolleg:innen nicht an den Demos teilnehmen, blieb es bisher am Arbeitsplatz noch relativ ruhig. Vereinzelt gab es allerdings Situationen, in denen mein Vorgehen als Anmelder der Gegendemos kritisiert und ich eingeschüchtert wurde. Ich kann allerdings auf den Rückhalt der Mehrheit meiner Kolleg:innen vertrauen.

Der Anmelder der Schweriner Proteste gegen die Corona-Maßnahmen, Daniel Gurr, hat Sie am Samstag zum Dialog aufgefordert. Er möchte Ihnen sogar Blumen mitbringen. Werden Sie annehmen?

Einen Dialog mit Daniel Gurr kann ich nicht annehmen, da meine Überzeugung ist, dass ich nicht mit Faschist:innen und Antisemit:innen in den Dialog gehe. Gerade die Berichte des KATAPULT-Magazins und der SVZ haben bewiesen, dass Daniel Gurr antisemitische Überzeugungen hat und diese auch lebt. Ein Dialog ist daher für mich ausgeschlossen. Auch die Blumen darf Herr Gurr gerne weiterhin für sich behalten. Geschenke werde ich von ihm auch nicht annehmen.

Vielen Dank für das Interview.

Zur Person:

Jan Ole Rieck ist 20 Jahre alt und engagiert sich seit seiner Jugend politisch. Rieck ist Mitglied des Landessprecher:innenrats der Linksjugend [’solid] und der Partei Die Linke. In der Landeshauptstadt gehört er seit November 2021 dem Ortsbeirat Altstadt, Feldstadt, Paulsstadt, Lewenberg an.

Ein Interview mit Daniel Gurr können wir an dieser Stelle nicht veröffentlichen, da er die untenstehenden Fragen bis dato nicht beantwortet hat.

Herr Gurr, die Maßnahmenkritiker:innen, die spätestens seit November in vielen Städten in Mecklenburg-Vorpommern in großer Zahl auf die Straße gehen, sprechen von einer gespaltenen Gesellschaft. Wie nehmen Sie persönlich die gesellschaftliche Stimmung im Land wahr?

Warum organisieren Sie die sogenannten Corona-Demonstrationen in der Landeshauptstadt?

An Ihren Versammlungen nehmen belegbar regelmäßig Personen aus dem politisch rechtsextremen Spektrum und von rechten Parteien wie der „Alternative für Deutschland“ teil, die als solche teils äußerlich erkennbar oder stadtbekannt sind. Sie hatten in Ihrem Telegram-Kanal selbst im vergangenen August den Wahlkampfauftakt der AfD in Schwerin beworben. Wie stehen Sie als Veranstalter politisch zu dieser Partei?

Und wie stehen Sie zur Partei „Die Basis“, die auf der Demonstration am 22. Januar sichtbar mit einem Parteibanner präsent gewesen ist?

Warum schließen sie Rechtsextremisten und Reichsbürger nicht von Ihren Demos aus?

Viele ihrer Teilnehmer:innen haben allem Anschein nach ein Problem damit, den behördlich beauflagten Mindestabstand von 1,50 Meter einzuhalten. Alternativ schützt das Tragen einer medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung erwiesenermaßen sehr effektiv vor einer Übertragung des Corona-Virus. Warum sind Sie so vehement gegen eine Beauflagung der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung? Warum halten Sie Ihre Teilnehmer nicht zum Tragen von Masken an und warum tragen Sie selbst innerhalb Ihrer Versammlungen keine Maske?

Einzelne Teilnehmer Ihrer Versammlungen fielen nach Polizeiangaben zuletzt durch das Zeigen des Hitlergrußes auf. Wie positionieren Sie sich als Veranstalter dazu?

Warum fotografieren und filmen Ihre Ordner:innen am Rande der Demos unsere Journalist:innen?

Einer Ihrer Ordner hatte am 24. Januar einen Reporter von KATAPULT MV aufgefordert, Ihren Versammlungsbereich zu verlassen und sich zu den Gegendemonstrant:innen zu begeben. Der Mann vertrat offenbar die unzutreffende Auffassung, unser Kollege würde zu diesen Personen gehören und dürfe deshalb keine Fotos von ihrer Versammlung anfertigen. Möchten Sie sich als Veranstalter zu diesem Vorfall positionieren?

Quellen

  1. E-Mail von Daniel Gurr vom 19. Januar 2022: „Für ein von mir autorisiertes, in schriftlicher Form geführtes Interview stehe ich gerne zur Verfügung.“
  2. Gespräch mit Daniel Gurr am Rande der Demonstration am 29. Januar 2022 in Schwerin.

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