„Es ist heute ein seltsames Gefühl“, beginnt Eva-Maria Kröger ihre kurze Antrittsrede nach der Vereidigung. Nach 13 Jahren in der Rostocker Bürgerschaft wechselt sie nun in die Verwaltung. „Ich weiß, dass wir uns in den nächsten Jahren streiten werden“, richtet sie das Wort an die Bürgerschaft und ergänzt: „Ich will, dass wir gut zusammenarbeiten und konstruktiv und kritisch miteinander umgehen.“
„Für die Linken ist das Amt ein riesiger Motivationsschub, auch über regionale Grenzen hinaus“, meint Wolfgang Muno, Politikwissenschaftler an der Universität Rostock. Gerade weil die Partei auf Bundesebene als zerstritten gilt und es in jüngerer Zeit nicht viele Wahlerfolge gab, könnte dieses Amt der Rostocker Oberbürgermeisterin eine Signalwirkung haben.
„Das Wahlergebnis hat aus unserer Sicht sehr viel mit der Person Eva-Maria Kröger und nicht ganz so viel mit ihrer Parteizugehörigkeit zu tun“, glaubt Felix Drath, Kreisgeschäftsführer der Grünen. Auch der SPD-Kreisvorsitzende Rainer Albrecht vermutet, dass bei einer OB-Wahl die Bekanntheit einer Person eine große Rolle spiele. Kröger gewann die Wahl mit Unterstützung von SPD und Grünen. Beide Parteien schafften es mit ihren Kandidatinnen nicht in die Stichwahl und positionierten sich stattdessen für die heutige Oberbürgermeisterin. Dabei sei die Wahl vor allem für die Grünen enttäuschend verlaufen, analysiert Politikwissenschaftler Muno. Rostock biete mit dem großstädtischen Unimilieu eigentlich gute Bedingungen für die Partei, die hier bei den letzten Landtagswahlen mit zwölf Prozent der Stimmen überproportional gut abschnitt.
„Für die CDU ist das Ergebnis ambivalent“, urteilt Muno. Nach einem unbefriedigenden Abschneiden bei der Landtagswahl (9,1 Prozent) erreichte zwar einerseits der von ihr unterstützte Kandidat Michael Ebert die Stichwahl. Andererseits jedoch „bedeutet die Stichwahl auch eine Niederlage“ für die CDU, weil sie den vorherigen Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen unterstützt hatte und nun keinen Einfluss mehr auf das Amt ausüben kann. Außerdem stellte die CDU erneut keine eigene Kandidatin auf. „Für eine Partei, die sich als die kommunale Kraft in MV versteht, ist das bemerkenswert“, erklärt der Politikwissenschaftler.
Fraktionen und Kreisverbände erwarten Zusammenarbeit
Die Beteiligung an der OB-Stichwahl am 27. November lag bei lediglich 36,9 Prozent. Die Rostocker FDP betrachtet es deshalb als eine gemeinsame Aufgabe aller Parteien, den Menschen der Stadt überzeugende Angebote zu machen. Den Wahlsieg einer Politikerin der Linken sehen Julia Kristin Pittasch und Christoph Eisfeld vom FDP-Kreisverband „definitiv nicht als einen Spiegel des allgemeinen Stimmungsbildes an“. Dafür seien sowohl die Zustimmungswerte als auch die Russlandpolitik der Linkspartei nicht geeignet, erklären sie. Auch der Kreisverband der AfD möchte kein Stimmungsbild wahrnehmen und erwartet von Eva-Maria Kröger „einen modernen Wandel mit Visionen über den Tellerrand hinaus“. „Die Stadt und ihre Verwaltung stehen vor großen Herausforderungen“, ergänzt der Kreisverband der FDP.
Die Parteien erwarten von der neuen Oberbürgermeisterin eine sachbezogene, überparteiliche Zusammenarbeit in der Bürgerschaft im Sinn der Bürgerinnen der Hansestadt und die zügige Umsetzung kommunalpolitischer Ziele. Dazu gehören etwa der Theaterneubau, die Einhaltung der Klimaziele oder der Bau einer Eis- und Schwimmhalle im Nordwesten der Stadt.
„Wir reichen allen demokratischen Kräften die Hand, daran mitzuwirken, Rostock in den nächsten Jahren sozial gerecht, nachhaltig und kulturvoll zu gestalten“, erklären die Kreisvorsitzenden der Linken Nurgül Senli und Karsten Kolbe. Insbesondere an die bisherige Zusammenarbeit mit SPD und Grünen wollten sie anknüpfen und gemeinsam die jahrelange Spaltung zwischen Verwaltung und Bürgerschaft überwinden. Am 1. Februar übernimmt Eva-Maria Kröger ihr Amt. Es warten vielfältige Aufgaben auf sie.