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Opernale-Festival

Kultur auf dem Land funkt SOS

Die vergangenen Jahre haben der Kultur im ländlichen Raum zugesetzt. Durch die Pandemie, den Krieg und die strukturelle Krise hat die kulturelle Vielfalt in Vorpommern deutlich gelitten. Das Festival „Opernale“ findet nun trotz aller Widrigkeiten vom 22. bis 25. September mit neuer Ausrichtung in Grimmen statt. Den Höhepunkt bildet die wiederaufgenommene Oper „Luise Greger, eine pommersche Gans“.

Seit der Verein Opernale 2011 gegründet wurde, bildet das gleichnamige Festival den Schwerpunkt seiner Aktivitäten. Es führt Künstler:innen und Publikum an unterschiedliche und für das Gesangstheater ungewöhnliche Orte – etwa in Scheunen, Gutshäuser, Kirchen und Schlösser. So kann Vorpommern zwar nicht mit einem großen Opernhaus glänzen, dafür aber mit inzwischen über sechzig Opernale-Spielstätten.

Eine Besonderheit der Opernale-Vorstellungen sind nicht allein die Spielorte, sondern auch die Inhalte der Stücke, die immer einen Bezug zum Nordosten Deutschlands aufweisen. Sei es durch die niederdeutsche Sprache oder durch regional bedeutende Themen, wie beispielsweise einen seltenen Greifvogel oder Biografien von Personen. Dafür wird nach Dichter:innen, Denker:innen und Musiker:innen geforscht, die in früherer Zeit in Vorpommern gelebt haben, um deren Geschichte auf die Bühne zu bringen. Oft handeln diese Musiktheaterstücke etwa von in Vergessenheit geratenen Frauen. So wurden zum Beispiel den Dichterinnen Sibylla Schwarz (1621-1638) und Alwine Wuthenow (1820-1908) mit Opernale-Aufführungen in den letzten Jahren lebendige Denkmäler gesetzt.

Achtung Vielfalt!

Die diesjährige Ausgabe unter dem Motto „Achtung Vielfalt! Ein Festival der kulturellen Breite“ findet vom 22. bis 25. September statt. Das Kulturhaus Treffpunkt Europa in Grimmen (Vorpommern-Rügen) ist das Zentrum der diesjährigen Spielzeit.

Gemäß dem Leitsatz „jedes Jahr neu und überraschend“ wird Grimmen zu einer einzigen Festivalstadt. Erstmals öffnet sich das Musiktheaterfest auch für andere Sparten und lässt unterschiedliche Stimmen und Instrumente des Landes erklingen. In über 20 Veranstaltungen werden neben Musiktheater sowie Blas- und Chormusik auch Figuren- und Sprechtheater zu erleben sein. Eine bunte Vielfalt für alle Altersgruppen bieten zudem Workshops, Bürger:innensingen, Figuren- und Jugendtheater, die Feuerwehrkapelle und Mitmachaktionen. Operettengala und Musicals runden den Veranstaltungskalender des Grimmener Kulturhauses ab.

Den Höhepunkt des Festivals bildet die Eröffnungsveranstaltung mit der Oper Luise Greger, eine pommersche Gans am Donnerstag, dem 22. September um 19 Uhr im Kulturhaus. Diese handelt von der im Jahr 1861 geborenen Greifswalderin, die über einhundert Lieder komponierte und zu Lebzeiten eine in Europa bekannte Liedkomponistin und Kammersängerin war. Das erste Mal kommt es damit zur Wiederaufnahme eines Stückes. Luise Greger wurde bereits im letzten Jahr gespielt.

Kulturelle Vielfalt nachhaltig in Gefahr

Doch so groß die Freude über das diesjährige Festival ist, so sind von den Veranstalter:innen auch ernstere Töne zu hören. In den letzten Jahren sei vieles anders geworden, sagt die Künstlerische Leiterin der Opernale, Henriette Sehmsdorf, gegenüber KATAPULT MV und bezieht sich damit auf die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Opernale-Vereins, Hans-Henning Bär, war sie zu neuen Ideen gezwungen. Beispielsweise wurde das im Sommer 2020 ausgefallene Programm kurzerhand von einem Bühnen- in ein Hörstück in fünf Episoden umgewandelt, das seit diesem Frühjahr online als Podcast abrufbar ist. Es heißt Ein Glas aufs Land und eins auf die See und ist ein musikalischer Mix über das Kommen, Gehen und Bleiben in Vorpommern.

Die letzten Jahre haben nicht nur an den Nerven der Kulturveranstalter:innen und Künstler:innen gezehrt. Sie hätten auch zur Schwächung des ganzen Systems geführt, so Sehmsdorf. Denn was für die Natur gelte, gelte auch für die Kultur: „Eine große Artenvielfalt sichert das ganze Ökosystem.“ Da seien Flexibilität und viel Durchhaltevermögen gefragt. Und trotzdem funken sie inzwischen SOS. Pandemie, Krieg und die strukturelle Krise des ländlichen Raums haben dem Festival gewaltig zugesetzt. Ein genereller Abwärtstrend sei auf dem Land in Vorpommern zu beobachten: Kneipen schließen und junge Menschen ziehen weg, die Bevölkerung wird immer älter. Viele Soloselbständige aus der Kulturbranche hätten diese Phase nicht überstanden, seien lautlos verschwunden, erzählt Sehmsdorf. Die kulturelle Vielfalt gebe es „wahrscheinlich nicht mehr lange“, dabei solle doch gerade gezeigt werden, was es in Vorpommern alles gebe.

Auch das Publikum zeigt sich bei vielen Veranstaltungen dieses Sommers aus verschiedenen Gründen noch zögerlich beim Kartenkauf. Sehmsdorf führt das einerseits auf die „sprichwörtliche Corona-Couch“ zurück, von der manche nicht so gerne aufstehen würden. Andererseits hätten viele auch immer noch Angst, sich anzustecken. Zudem gebe es aktuell einfach zu viele Veranstaltungen parallel. Alle Veranstalter:innen holen ihre Vorstellungen, die in den letzten Jahren ausfallen mussten, in diesem Sommer nach.

Dabei sei Breitenkultur essenziell, so der gesellschaftspolitische Ansatz der Opernale. Das Anliegen der Veranstalter:innen ist es, die vielen Kulturakteur:innen in ihrem Bemühen zu unterstützen, neue Besucher:innen zu gewinnen und Identifikation zu stiften. Damit senden sie auch ein Signal in Richtung Politik, den Kulturakteur:innen im ländlichen Raum mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Quellen

  1. opernale.de.
  2. Opernale-Institut für Musik & Theater in Vorpommern (Hg.): Achtung Vielfalt!, auf: opernale.de.
  3. E-Mail von Henriette Sehmsdorf vom 23.8.2022.
  4. Ebd.

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