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NS-Geschichte in Maurinmühle

Kunst erinnert an Gräueltaten an Kindern

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Lesedauer: ca. 4 Minuten

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Maurinmühle, nur wenige Kilometer von der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze am Ratzeburger See (Nordwestmecklenburg) gelegen, ist ein Ort mit trauriger Vergangenheit. Das Kunstprojekt ORTSZEIT rückt diese wieder in die Gegenwart. Es geht um das Schicksal von Zwangsarbeiterinnen und ihren Kindern im nationalsozialistischen Deutschland.

Von der Mühle zum Waisenhaus

Bereits im Mittelalter trieb das kleine Flüsschen Maurine hier eine Getreidemühle an. Doch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderte sich die Nutzung der Mühle und des ehemaligen Wohnhauses der Müllerfamilie. Der Komplex diente nun als Fremdenpension, Lungenheilanstalt und Erholungsheim. Schließlich wurde an diesem abgelegenen Ort ein Waisenhaus eingerichtet. Während des von Nazideutschland entfachten Krieges wurden ab 1943 auch Säuglinge polnischer, ukrainischer und russischer Zwangsarbeiterinnen hierher verschleppt. Es begann „das tödlichste Kapitel des Ortes“, in dem Babys bewusst vernachlässigt und „zu Tode gepflegt“ wurden. 

Bis zum Beginn der Sechzigerjahre verfiel der Mühlenkomplex. Seine Geschichte verschwand damit aus dem öffentlichen Bewusstsein. Jahrelang schwiegen Zeitzeug:innen und ihre Nachkommen über die Schicksale vor Ort. Auch die Archive sind lückenhaft und so schien die Geschichte von Maurinmühle vergessen.

Viele offene Fragen

Der Wismarer Historiker Lukas Augustat hat zu den Verbrechen an den Kindern der Zwangsarbeiterinnen in Maurinmühle geforscht. In Augustats Aufsatz finden sich dazu zahlreiche Quellennachweise wie Aktenvermerke von NS-Jugendämtern, Korrespondenzen verantwortlicher Dienststellenleiter und zuständiger Ministerien sowie Auszüge aus Interviews. Darunter erschütternde Dokumente. „Die Beschreibungen des körperlichen Zustandes decken sich mit den vielfach belegten ‚Greisengesichtern‘ dort verhungernder Säuglinge“, schreibt Augustat. 

Trotz vieler gesichteter Quellen bleiben für den Historiker der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg einige Fragen offen. Unklar ist etwa die Finanzierung des Heimes oder ob es weitere ähnliche Orte im Raum Schönberg gab. Auch Fragen zum Leben und Sterben der Säuglinge auf den Höfen oder die Rolle der Väter sind weiter unbeantwortet, erklärt der Historiker. Vorrangig sollte es seiner Auffassung nach aber darum gehen, „alle die Identitäten und Lebensgeschichten der Opfer zu ermitteln, sowie alle Tatorte und Grabstätten ausfindig und sichtbar zu machen“.

Auf dem Friedhof im nahe gelegenen Carlow gibt es seit den Sechzigerjahren einen Hinweis auf die Taten in Maurinmühle. Dort sorgte der damalige Bürgermeister Heinz Buchholz „durch die Aufstellung eines schlichten Grabsteines mit der Aufschrift ‚Hier ruhen neun Kinder der Volksrepublik Polen‘ für eine erste Form des öffentlichen Gedenkens“.

Kunst zur Wahrheitsfindung und Versöhnung

Das Kunstprojekt ORTSZEIT des Rostocker Frauenkulturvereins Die Beginen hat sich in den vergangenen zwei Jahren intensiv mit dem grausamen Kapitel der NS-Zeit auseinandergesetzt. Für das Projekt hat die University of the Arts Magdalena Abakanowicz in Poznań (Polen) die Schirmherrschaft übernommen. Das Konzept, die Kuration und die Projektleitung verantwortet die in Nordwestmecklenburg lebende Künstlerin Annette Czerny. Polnische und deutsche Künstler:innen beteiligen sich daran. 

Das aktuelle Teilprojekt ORTSZEIT IV zeigt Arbeiten von Künstler:innen aus der Schweiz, Polen und Deutschland. Schon im vergangenen Jahr setzten sich die Organisator:innen unter dem Titel ORTSZEIT III mit dem Schicksal der Zwangsarbeiterinnen und ihrer Kinder auseinander. Bei Konzerten, Live-Performances und Informationsveranstaltungen konnten sich Besucher:innen mit der Geschichte Maurinmühles auseinandersetzen. ORTSZEIT IV knüpft daran an. Es gibt zwei Ausstellungsorte: In der St. Laurentius-Kirche Schönberg werden Fotografien, Malereien, Zeichnungen, Grafiken, Skulpturen, Objekte und Videoinstallationen präsentiert. Direkt vor Ort in Maurinmühle können künstlerische Klang-, Boden- und Raum-Installationen betrachtet werden. 

Kuratorin Annette Czerny beim Aufbau ihrer Installation DIE UNBEWOHNBARE HOFFNUNG
Kuratorin Annette Czerny beim Aufbau ihrer Installation DIE UNBEWOHNBARE HOFFNUNG (Foto: Peter Scherrer)

Dort findet sich auch eine Installation der Kuratorin und Künstlerin Annette Czerny. Es gehe ihr darum zu zeigen, dass an diesem Ort Mütter ihre Kinder nicht schützen durften, erklärt sie ihr Werk. Hier im Waisenhaus in Maurinmühle seien damals keine Lieder an den Wiegen erklungen. Die Worte und die Klänge, die Czerny in ihrer Soundcollage für die Installation zusammengestellt hat, sind den toten Kindern gewidmet – und all jenen, denen Schutz und Fürsorge verwehrt blieb. Es handelt sich um Wiegenlieder, die für das Kunstobjekt von Frauen in ukrainischer, russischer, polnischer, hebräischer, persischer, deutscher und weiteren Sprachen eingesungen wurden. 

Neben Czerny haben sich 13 weitere Künstler:innen beteiligt. Auch die Fotografin Janet Zeugner gehört dazu. Sie stellt im ehemaligen Waschhaus in Maurinmühle ihre Bilder aus. 

Sowohl die Ausstellungen in Maurinmühle als auch in Schönberg finden im Rahmen des 37. Schönberger Musiksommers statt und sind noch bis zum 10. September zu sehen.

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Fußnoten

  1. Rostocker Frauenkulturverein Die Beginen (Hg.): ORTSZEIT IV – Maurinmühle Teil 2, auf: die-beginen-rostock.de.
  2. Augustat, Lukas: Maurinmühle in Mecklenburg: NS-Kinderheim und ‚Ausländerkinder-Pflegestätte‘. Verbrechen, Spuren und Aufarbeitung, S. 11 (April 2023).
  3. Ebd., S.12.
  4. Ebd. S. 38.
  5. Ebd, S. 26.

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