Vor vier Jahren wurde das Netzwerk der Künstlerhäuser in Norddeutschland ins Leben gerufen. Zu diesem Zusammenschluss gehören in Mecklenburg-Vorpommern das Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop, das Edvard-Munch-Haus in Warnemünde und das Künstlerhaus Schloss Plüschow in Upahl. Ziel des Netzwerks ist es, Künstler:innen zu fördern, aber auch eine Schnittstelle zwischen Kunst und Gesellschaft zu bilden.
Ein konkreter Schritt war es, ein Residenzprogramm für geflüchtete ukrainische Künstler:innen finanziell zu unterstützen. Die Spenden der norddeutschen Künstlerhäuser gehen in Iwano-Frankiwsk im Westen der Ukraine an das Künstlerhaus „The Assortment Room/Asortymentna kimnata“ und helfen, den Betrieb des Projekts mit Ausstellungs- und Atelierräumen am Laufen zu halten.
Erst mal praktische Hilfe benötigt
Die Künstlerhäuser unterstützen nicht nur die Kunst in der Ukraine. Sie helfen auch Geflüchteten in MV. So beispielsweise das Künstlerhaus Schloss Plüschow. Verantwortlich für die Arbeit rund um den bekannten Kunstbetrieb dort ist seit Jahren das Ehepaar Miro Zahra und Udo Rathke. Sie entschieden sich nach Beginn des russischen Angriffskrieges, auch bei sich aktiv zu werden. Denn nicht unweit vom Künstlerhaus, im nur zwei Kilometer entfernten Friedrichshagen, fanden geflüchtete Mütter und Kinder Aufnahme.
Als die ersten Menschen dort ankamen, stand zuerst die praktische und pragmatische Hilfe im Vordergrund. „Da habe ich nicht an die Kunst gedacht, denn es war klar, erst einmal müssen wir bei den Dingen des Alltags helfen“, beschreibt Zahra die Prioritäten. Dazu gehörten beispielsweise Behördengänge, Impftermine, Arztbesuche oder Wohnungseinrichtungen. Hilfreich war für die in Böhmen geborene Miro Zahra, dass sie sich sowohl auf Russisch als auch auf Polnisch, Ukrainisch und Englisch verständigen kann.
Benefizkonzerte zur Unterstützung der Ukrainehilfe
Es soll jedoch auch über Gemeindegrenzen hinweg geholfen werden. Und so organisierte Miro Zahra zur Unterstützung des Ukrainisch-Deutschen Kulturvereins Schwerin vor drei Wochen ein Benefizkonzert in der Dorfkirche in Friedrichshagen. Über 400 Euro gaben die Konzertbesucher:innen für die Arbeit des Vereins. Dass die Spendenbereitschaft „auch nach fast zehn Wochen Krieg in der Ukraine ungebrochen“ sei, freut Zahra besonders. Ein weiteres Konzert ist bereits für den 6. Juni in der St. Nikolaikirche in Grevesmühlen geplant. Dann soll die ukrainische Musikerin Svitlana Nikonorova auf der Bandura Lieder aus ihrer Heimat spielen, erzählt Zahra.
Unterstützung bei der künstlerischen Entwicklung
Obwohl erst mal die praktische Hilfe im Vordergrund steht, wollen die Kunstschaffenden auf Schloss Plüschow den Geflüchteten auch ein Angebot zur weiteren künstlerischen Entwicklung machen. So zum Beispiel der achtjährigen Viktoria, genannt Víka. Sie floh mit ihrer Mutter Lena, gemeinsam mit anderen Müttern und Kindern, im März erst von Browary in der Oblast Kyjiw nach Lwiw, dann weiter bis nach Friedrichshagen. Sie hatte bereits in ihrer Heimat mehrere Preise bei Malwettbewerben gewonnen und möchte auch in ihrem neuen Zuhause in Friedrichshagen weiter malen. Im Garten des Schlosses Plüschow konnte sie an den ersten Zeichenstunden in Deutschland teilnehmen.
Die künstlerische Weiterbildung von Geflüchteten ist nicht nur eine Herzensangelegenheit der Künstlerhaus-Verantwortlichen. Auch die Künstler:innen, die zu Studien und Arbeiten im Schloss untergebracht sind, beteiligen sich an der Förderung ihrer jungen Kolleg:innen. In Zusammenarbeit mit den Bildungsträgern in Grevesmühlen bemüht sich Miro Zahra zurzeit außerdem um Kunstunterricht für junge Talente in Grevesmühlen.
Beim Talentcamp, das Miro Zahra in Zusammenarbeit mit dem Künstlerbund MV jährlich organisiert, können Anfang August Kinder aus geflüchteten Familien teilnehmen. Fünf Plätze gebe es extra für sie, erzählt Zahra gegenüber KATAPULT MV. In diesem Jahr steht die künstlerische Sommerfreizeit in der Jugendbildungsstätte Pfarrhaus Damm unter dem Motto „Für eine nachhaltige und friedliche Zukunft“.
Gaststipendien für ukrainische Künstler:innen
Die Künstlerhäuser in Norddeutschland haben auch Möglichkeiten geschaffen, bereits etablierte ukrainische Künstler:innen zu unterstützen. So stellen sie etwa Gaststipendien für Geflüchtete zur Verfügung. Darüber hinaus werden bei der diesjährigen Sommerausstellung auf Schloss Plüschow unter anderem Werke der ukrainischen Künstlerin Lada Nakonechna zu sehen sein. Da im Schloss Plüschow gegenwärtig alle Mieträume für „Artists in residence“ ausgebucht sind, können Gaststipendien für ukrainische Künstler:innen dort erst wieder nach der Sommerpause vergeben werden. Trotzdem eröffnet die Kunstszene in MV Geflüchteten bereits jetzt Möglichkeiten, am künstlerischen Leben teilzunehmen. Besonders ehrenamtliches Engagement sei dabei „einfach unverzichtbar, um den Menschen auch im künstlerischen Leben zu helfen“, resümiert Zahra.
Quellen
- nkn-art.de.↩
- Netzwerk der Künstlerhäuser in Norddeutschland (Hg.): The Assortment Room/Asortymentna kimnata, auf: kuenstlerhaus-lauenburg.org (31.3.2022).↩