Schwerin
Propalästinensische Demo am jüdischen Lichterfest
Von Morten Hübbe
Lesedauer: ca. 5 Minuten
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„Wir wollen ein Zeichen setzen; von Menschen für Menschen“, sagt Surik Jangoyan, Organisator und Anmelder der Demonstration Frieden in Palästina. Der gebürtige Armenier gehört zur ethnisch-religiösen Gruppe der Jesiden und stehe weder auf muslimischer noch auf israelischer Seite, sagt er. Als Vater zweier Kinder könne er das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht ertragen. Deshalb sei ihm die Demonstration, die am 8. Dezember um 18 Uhr auf dem Alten Garten beginnt, wichtig.
Demoveranstalter will für Gerechtigkeit einstehen
Neben Unterstützungskundgebungen für Israel haben bundesweit in den letzten Wochen auch propalästinensische Demonstrationen stattgefunden, die allerdings mit antisemitischen sowie volksverhetzenden Parolen und Gewaltdelikten auffielen. Für die am Freitag stattfindende Demo Frieden in Palästina sei mit der Stadt Schwerin verabredet, dass ausschließlich palästinensische Flaggen gezeigt werden dürfen. Als Organisator stehe er in der Verantwortung, so Jangoyan. Dass israelische Flaggen nicht erlaubt seien, möchte der Veranstalter nicht als Abwertung verstanden wissen. Stattdessen gehe es darum, mögliche Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen den Demonstrationsteilnehmer:innen zu vermeiden. Jangoyan könne sich durchaus vorstellen, in Zukunft eine Friedensdemo zu organisieren, die beiden Parteien zusammenbringe. „Ich wünsche mir dann, dass die Menschen für beide Seiten offen sind und nicht für eine Seite Partei ergreifen.“ Frieden sei für alle da, so der Demoveranstalter. Wer Frieden möchte, dürfe niemanden ausschließen.
Jangoyan wird am Freitag auch als Redner auftreten. Israel habe das Recht auf Selbstverteidigung, dennoch sei es für ihn schwer hinnehmbar, dass das israelische Militär weiterhin den Gazastreifen aus der Luft angreife. „Die Hamas hat Israel angegriffen und wurde dafür bombardiert, wenn aber unschuldige Zivilisten sterben, ist das keine Selbstverteidigung mehr“, so Jangoyan. Dabei stelle er nicht den Krieg gegen die Hamas infrage, wünscht sich dafür aber ausschließlich den Einsatz von Bodentruppen.
Jüdisches Fest Chanukka beginnt am 7. Dezember
Die Demonstration Frieden in Palästina fällt auf den zweiten Tag des jüdischen Lichterfestes Chanukka. Das Familienfest erinnert an den jüdischen Kampf gegen den Hellenismus vor rund 2.200 Jahren und die Weihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem. Einen Konflikt sieht Jangoyan mit seiner propalästinensischen Demonstration nicht. Chanukka sei ihm vorab nicht bekannt gewesen. „Ich sehe nichts Verwerfliches darin, zum Frieden aufzurufen.“ Er wolle keine Hetze, sagt er.
Ebenfalls für den kommenden Freitag war eine Demonstration unter dem Titel Wir gratulieren zu Chanukka durch Klaus Kuske, Pastor der evangelisch-lutherischen Friedenskirchengemeinde in Schwerin, angemeldet. Diese Kundgebung wurde auf den 12. Dezember verlegt. Dann findet in der Schweriner Synagoge ein Konzert zu Chanukka statt und Kuske möchte der jüdischen Gemeinde mit seiner Veranstaltung gratulieren. „Mich erschreckt der stark angewachsene Antisemitismus in Deutschland und der Welt nach dem Anschlag der Hamas am 7. Oktober“, erklärt Kuske seine Beweggründe. Dass sich Jüdinnen und Juden auch hier im Land bedroht fühlten, mache ihn betrübt. Mit der Veranstaltung zu Chanukka wolle er der jüdischen Gemeinde in Schwerin und allen Juden und Jüdinnen klare Unterstützung zusagen. „Jüdisches Leben ist nach 1990 wieder in Deutschland entstanden und gewachsen. Darüber bin ich persönlich sehr froh und dankbar.“
Eskalation im Nahen Osten
Am 7. Oktober griff die Terrororganisation Hamas Israel sowohl aus der Luft als auch am Boden an. Dabei drangen Terroristen aus dem Gazastreifen ins israelische Grenzgebiet ein, überfielen die Siedlung Be’eri und ein in der Nähe stattfindendes Musikfestival. Im Verlauf des Angriffs wurden mehr als 1.000 Menschen in Israel getötet. Außerdem nahmen die Terroristen Geiseln, von denen nach offiziellen Angaben bis heute mehr als 100 Personen nicht zurückgekehrt sind. Es ist bei Weitem nicht der erste Anschlag der Hamas auf Israel, doch gilt er als der schlimmste Angriff auf Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust. Erst einen Tag später gelang es dem israelischen Militär, die Kontrolle auf israelischem Gebiet zurückzugewinnen. In den folgenden Tagen hielt der Raketenbeschuss aus Gaza an. Betroffen war vor allem der Süden Israels.
Israel antwortete mit Raketenangriffen auf Gaza und ist mittlerweile auch mit Bodentruppen im Einsatz. Regierungschef Benjamin Netanjahu von der Likud-Partei kündigte einen langen Kampf an, an dessen Ende die Vernichtung der Hamas stehen würde. Das Problem: Terrorist:innen und Zivilbevölkerung sind äußerlich im Gazastreifen nicht voneinander zu unterscheiden.
Seit dem 7. Oktober beschäftigt der Nahostkonflikt erneut Politik und Menschen weltweit. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wiederholte die Worte seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) und betonte, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson sein. Überall im Land, so auch in MV, wurde der Opfer des Terroranschlags gedacht und Israel öffentlich Mut zugesprochen.
Die Vereinten Nationen vermelden unter Berufung auf palästinensische und israelische Quellen, dass in den letzten zwei Monaten mehr als 16.000 Menschen im Gazastreifen ums Leben kamen. Auf israelischer Seite starben mehr als 1.200 Menschen.
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Autor:innen
ist KATAPULT MVs Inselprofi und nicht nur deshalb gern am Wasser. Nutzt in seinen Texten generisches Femininum.