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Krieg in der Ukraine

Schwerin richtet sich auf bis zu 200 Geflüchtete ein

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Nachdem die Landesregierung die Landkreise und kreisfreien Städte vergangene Woche noch um die Bereitstellung von Aufnahmekapazitäten für jeweils 100 Person gebeten hatte, soll die Anzahl der Unterbringungsmöglichkeiten in Schwerin nun verdoppelt werden. Darüber stimmten sich gestern das Innenministerium und die Verwaltung der Landeshauptstadt ab. Hintergrund dieses Schritts sei die nun zu erwartende größere Zahl von Ukrainer:innen, die in Mecklenburg-Vorpommern die Landeshauptstadt ansteuern würden. Vor Ort gibt es bereits eine ukrainische Community. Laut Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) leben etwa 1.000 Menschen ukrainischer Herkunft in der Landeshauptstadt. Ein möglicher Grund für Geflüchtete, gerade dorthin zu kommen.

Nach Angaben von Sozialdezernent Andreas Ruhl (SPD) sind bisher etwa 70 bis 80 Menschen aus der Ukraine in Schwerin eingetroffen. Ganz überwiegend handele es sich dabei um Frauen und Kinder. Männer im wehrfähigen Alter dürfen die Ukraine aktuell nicht verlassen. Am Dienstag sei ein Bus mit 30 Geflüchteten angekommen, berichtet Ruhl. Weitere Busse werden in den kommenden Tagen erwartet.

Geflüchtete vorübergehend in Jugendherberge untergebracht

Die Verwaltung quartiert die Geflüchteten vorübergehend in der Schweriner Jugendherberge ein. Dort gibt es Platz für bis zu 90 Personen. Momentan seien 55 Betten belegt. Die Herberge dient in Schwerin als erste Anlaufstelle für Geflüchtete. Dort werden die Menschen registriert, auf Corona getestet und – bei Bedarf – einer Unterkunft zugewiesen. Ruhl bat am Dienstag auch diejenigen Ukrainer:innen, die in Privatunterkünften unterkommen können, darum, bei der Stadt vorzusprechen und sich aus organisatorischen Gründen erfassen zu lassen.

Neben der Jugendherberge konnte gut ein Dutzend Personen in Notwohnungen der kommunalen Wohnungsgesellschaft Schwerin untergebracht werden. „Dabei handelt es sich um Frauen mit ganz kleinen Kindern“, so Ruhl. Weitere 15 Neuankömmlinge hätten im Schullandheim Raben-Steinfeld untergebracht werden können. Weiterhin hätten Geflüchtete bei Privaten Unterkunft gefunden.

Allerdings steht die Jugendherberge der Stadt nur befristet zur Verfügung. Grund sind bestehende Reservierungen für den Herbergsbetrieb. Deswegen möchte die Verwaltung in der kommenden Woche eine eigene Notunterkunft in Betrieb nehmen. „Wir haben heute drei Objekte begutachtet und möchten uns morgen für eines entscheiden“, erläutert Ruhl die Planung der Kommune.

Rechtliche Fragen bislang ungeklärt

Ungeklärt ist bisher der rechtliche Status der Ankommenden. Ukrainer:innen dürfen sich in Deutschland bis zu 90 Tage ohne Visum als Tourist:innen aufhalten. Die Bundesregierung hatte vergangene Woche beschlossen, diesen Zeitraum auf 180 Tage zu verlängern.

Am Donnerstag möchte die Europäische Union eine verbindliche Richtlinie erlassen. Dann könnte den Menschen eine Aufenthaltserlaubnis ohne langwieriges Asylverfahren gewährt werden. Nach Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung könnten die Betroffenen bei Bedarf Sozialleistungen beziehen und hätten Anspruch auf medizinische Versorgung. Im Idealfall könnte den Betroffenen die Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsgenehmigung bereits im Laufe der kommenden Woche erteilt werden.

Bis dahin werde jedoch niemand im Stich gelassen, betont Ruhl. Den Menschen werde bei Ankunft eine medizinische Grundversorgung angeboten. Wer möchte, könne sich gegen Corona impfen lassen. Die Kosten trägt die Kommune. „Notfalls springen wir ein“, sagte Ruhl. Die Stadt hofft allerdings auf Unterstützung vom Land.

So helfen Schweriner:innen der Ukraine

Die Hilfsbereitschaft der Stadtgesellschaft ist groß. „Es gibt ein unglaubliches Angebot an Hilfe aus dem professionellen und dem ehrenamtlichen Bereich“, freut sich Badenschier. „Ich bin unglaublich beeindruckt, wie die Verwaltung und die Zivilgesellschaft reagiert haben.“ Die Koordination hat für die Landeshauptstadt das ukrainisch-deutsche Kulturzentrum SIĈ übernommen.

Der Verein sammelt in der Landeshauptstadt Sachspenden für den Transport in das Kriegsgebiet. Benötigt werden haltbare Nahrungsmittel, Kettensägen, Isomatten, Schlafsäcke, Laternen und Taschenlampen mit passenden Batterien, Thermoskannen aus Metall, Thermounterwäsche, Sturmhauben, Handschuhe, Fleecejacken, T-Shirts sowie warme Strümpfe vor allem in Männergrößen.

Benötigt werden außerdem Verbandsmaterial und Medikamente, Paracetamol, Antibiotika, Ibuprofen, Novaminsulfon, blutstillende Mittel, Spritzen, Einweghandschuhe und Thermo-Rettungsdecken. Nicht benötigt wird Bekleidung. Die Abgabe ist werktags von 10 bis 18 Uhr in der ehemaligen Postfiliale am Berliner Platz 4 in 19063 Schwerin möglich.

Darüber hinaus sucht die Initiative „Wir sind Paten“ ehrenamtliche Sprachmittler:innen mit guten Ukrainischkenntnissen. Interessierte können sich per E-Mail an schwerin@wirsindpaten.de wenden.

Der Sportverein MSV Pampow hat einen Hilfskonvoi organisiert, der heute Abend in Richtung polnisch-ukrainische Grenze aufbrechen soll. Geliefert werden Hilfsgüter, die von Sponsoren, Mitgliedern und Fans gespendet worden sind. Auf der Rückreise soll der Bus Frauen und Kinder in die Landeshauptstadt transportieren.

Die Stadtverwaltung hat im Internet zahlreiche Informationen für Neuankömmlinge und ehrenamtliche Unterstützer:innen zusammengetragen.

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