Straßenbau

Streit um Schweriner Nordumgehung

Der Bau der Schweriner Nordumgehung ist eigentlich beschlossene Sache. Die B 104 soll künftig den Paulsdamm direkt mit der B 106 verbinden. Kommunalpolitik und Verkehrsministerium hatten das Vorhaben zuletzt trotz Protest von Anwohner:innen vorangetrieben. Doch jetzt drückt das Umweltministerium auf die Bremse, stimmt in Teilen den Argumenten von Bürgerinitiative und Grünen zu. Das federführende Wirtschaftsministerium sieht darin jedoch keinen Grund, nicht an den Bauplänen festzuhalten.

Die geplante Nordtrasse soll die Lücke im äußeren Schweriner Ring schließen, die aktuell noch zwischen dem Paulsdamm und der Anschlussstelle zur B 106 klafft. So soll einerseits die Verbindung zwischen den Oberzentren Schwerin und Lübeck und und andererseits die Erreichbarkeit der beiden Autobahnen A 14 und A 20 aus weiten Teilen Westmecklenburgs verbessert werden. Des Weiteren zielt der Lückenschluss auf eine Verkehrsentlastung der Ortsdurchfahrt und die damit verbundene Minderung von Lärm- und Luftschadstoffemissionen sowie höhere Verkehrssicherheit. Im Jahr 2014 waren für den Ausbau Kosten in Höhe von 33 Millionen Euro veranschlagt worden. Mittlerweile werden für das Großprojekt laut Wirtschaftsministerium 60 Millionen Euro veranschlagt.

Nordumgehung als „vordringliches Projekt“

Für den Bau der Straße ist der Bund verantwortlich. Die Pläne reichen bis ins Jahr 2003 zurück. 2013 wurde dann auch die Landeshauptstadt Schwerin über das Land am Aufstellungsverfahren zum neuen Bundesverkehrswegeplan 2030 beteiligt. Darin ist das Bauvorhaben enthalten. Der Hauptausschuss der Stadtvertretung nahm die Pläne damals zustimmend zur Kenntnis. Das Gremium signalisierte dem Land außerdem, dass das Projekt vordringlich sei. „Dem lag und liegt die Überzeugung zugrunde, dass das Projekt wichtig ist zur Entlastung der Schweriner Innenstadt von Durchgangsverkehren beiträgt“, erklärt Stadtsprecherin Michaela Christen.

Diese Position erreichte auch das Bundesverkehrsministerium. Das Projekt wurde Teil des Bundesverkehrswegeplans 2030, den der Bundestag im August 2016 beschloss. Das Vorhaben ist dort ebenfalls als „vordringlicher Bedarf“ genannt.

Die Schweriner Stadtvertretung gab im März 2022 ihre Zustimmung zu dem Bauvorhaben. Dort sprachen sich vor allem die Kommunalpolitiker:innen von CDU und AfD für den Lückenschluss im äußeren Ring aus.

Wirtschaftsminister unterstützt Straßenbau

Für die Umsetzung des Projekts ist das Straßenbauamt Schwerin als regional zuständige Landesbehörde verantwortlich. Eine Auskunft zum Projekt gibt die Behörde dennoch nicht. Auf die Frage nach dem aktuellen Planungsstand verweist sie an das übergeordnete Wirtschaftsministerium. Der dort zuständige Minister Reinhard Meyer (SPD) sprach sich zuletzt öffentlich für das Projekt aus. „Wir stehen zum Projekt, der Bund steht zum Projekt, die Stadt steht zum Projekt, insofern gehe ich davon aus, dass gebaut wird“, sagte der SPD-Politiker kürzlich gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk. „Wir werden jetzt in die verschiedenen Planungs- und Beteiligungsverfahren gehen und da wird die Bürgerbeteiligung eine Rolle spielen und da werden wir immer wieder betonen, warum es wichtig ist, diese Nordumgehung zu bauen.“

Grüne kritisieren Bauvorhaben

Erklärte Gegner des Projekts sind die Grünen. Aufgrund ihrer Initiative stimmte die Stadtvertretung überhaupt noch einmal über die Nordtrasse ab. Darüber hinaus richtete ihre Neubrandenburger Abgeordnete Jutta Wegner am 20. Juni im Landtag eine Kleine Anfrage an die Landesregierung. Die beteiligten Ministerien haben bis zum 20. Juli Zeit, sich zu Wegners umfangreichem Fragenkatalog zu äußern. „Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern muss ihren Hang zu unsinnigen Vorhaben im Straßenbau endlich aufgeben“, kommentiert die Verkehrspolitikerin. So habe besonders die Schweriner Nordumfahrung ihren Sinn, nämlich die Stadt von innerstädtischem Verkehr zu entlasten, durch bereits erfolgte Entlastungsmaßnahmen längst verloren und dürfe somit nicht gebaut werden. „Sie führt mitten durch wertvolles Moor und zerstört wertvollen Ackerboden“, beklagt Wegner. Außerdem erhöhe sie die Belastung der Anwohner:innen im anliegenden Dorf Rampe mit noch mehr Durchgangsverkehr.

Bürgerinitiativen möchten Bau verhindern

Dort hat sich auch längst eine Bürgerinitiative formiert. Das Dorf liegt zwischen dem Paulsdamm und der Autobahnauffahrt Schwerin-Nord. Die Bundesstraße führt als Hauptstraße mitten durch den kleinen Ort. Laut der Bürgerinitiative fürchten die betroffenen Anwohner:innen im Falle des Baus der Umgehungsstraße eine erhöhte Belastung ihrer Grundstücke durch den zu erwartenden Durchgangsverkehr. Weitere Bürgerinitiativen haben sich auf der anderen Seite des Paulsdamms gegründet. Auch deren Mitglieder äußerten gravierende Bedenken. Alle sind sich einig: die geplante Trasse würde in erheblichem Umfang Ackerflächen, Naturschutzgebiete und ein Moor belasten. Die Entlastung für die Schweriner Innenstadt sei dagegen fraglich. Die Anwohner:innen starteten eine Petition, die an die Petitionsausschüsse von Bundes- und Landtag sowie an Landes- und Bundesregierung gerichtet ist. Allein im Internet kamen knapp 1.900 Unterschriften zusammen.

Landwirtschaftsministerium kritisiert Wirtschaftsressort

Ungeahnte Unterstützung erhielten die Straßenbaukritiker:innen nun auch vom Landesumweltministerium. In einer Stellungnahme an den Petitionsausschuss des Landtages positionierte sich das Haus von Minister Till Backhaus (SPD) überraschend gegen das Bauvorhaben. Das Ministerium kritisiert, das Projekt solle auf besonders ertragreichen Böden durchgeführt werden, die einen besonderen Schutz genießen. Der Bau der Straße entzöge der Landwirtschaft so hervorragende Böden von überregionaler Bedeutung. Schützenswert seien auch die Niedermoorbereiche des Wickendorfer und des Ramper Moores. Ferner erhöhe eine Bebauung und Versiegelung die Gefahr von Schäden durch die Folgen des Klimawandels – zum Beispiel Starkregen und Dürren –, was ebenfalls berücksichtigt werden müsse.

„Hinsichtlich des angedachten Weiterbaus der Ortsumgehung Schwerin steht zu befürchten, dass die Anbindung der Schweriner Ortsumgehung an den Paulsdamm bei Rampe die dortige Situation noch verschärfen dürfte“, heißt es in der Stellungnahme. Das Umweltministerium rechnet in Rampe also, genau wie die Anwohner:innen, mit einer Zunahme des Durchgangsverkehrs. Es stehe daher zu befürchten, dass sich der Verbrauch höchst schutzwürdiger Böden für den Weiterbau der Schweriner Ortsumgehung perspektivisch in einer Ortsumgehung für Rampe fortsetzen könnte.

Wirtschaftsministerium hält an Plänen fest

Im Wirtschaftsministerium lässt man diese Einwände im Moment nicht gelten. „Der Bund, das Land und die Stadt stehen zum Projekt“, betonte Pressesprecher Gunnar Bauer auf Nachfrage. Ein Vorteil bestünde darin, dass insbesondere der Schwerlastverkehr nicht mehr direkt durch Schwerin fahren müsse, sondern die Ortsumgehung nutzen könne. „Wenn Staus vermieden werden können, kommt dies den Menschen und auch der Umwelt zugute“, sagt Bauer. Die Berücksichtigung von öffentlichen und privaten Belangen werde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erörtert.

Wann das Verfahren beginnen kann, ist noch ungewiss. Ein Zeitpunkt könne noch nicht seriös vorhergesagt werden, so Bauer. „Aufgrund der Komplexität, der schwierigen Baugrundverhältnisse und der sensiblen Umwelt sind noch weitere Teilplanungen notwendig.“

Quellen

  1. Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hg.): Projektinformationssystem (PRINS) zum Bundesverkehrswegeplan 2030: Projekt B104-G10-MV-T3-MV, auf: bvwp-projekte.de.
  2. Ebd.
  3. Schüttpelz, Bert: Schwerin will nicht auf Nordumgehung verzichten, auf: svz.de (29.3.2022).
  4. Lußky, Andreas: Schwerin: Streit über Sinn oder Unsinn der Nordumgehung, auf: NDR.de (5.7.2022).
  5. Landtag MV, Drucksache 8/776 (20.6.2022).
  6. Lußky, Andreas: Schwerin: Streit über Sinn oder Unsinn der Nordumgehung, auf: NDR.de (5.7.2022).
  7. Open Petition (Hg.): Planungen für die Nordumfahrung der Landeshauptstadt Schwerin dringend stoppen!, auf: openpetition.de (Stand: 5.7.2022).

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