Zum Inhalt springen

OB-Wahl in Greifswald

Tolani greift an

Von

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Artikel teilen

Es hätte ein richtig langweiliger Abend werden können. Doch dann konterte Madeleine Tolani nach ein paar Minuten: „Ein Moorbeauftrager würde eventuell nur Däumchen drehen.“ Der derzeitige Oberbürgermeister Stefan Fassbinder hatte sich vorher darüber beschwert, dass die CDU in der Bürgerschaft verhindert habe, 30 neue Stellen zu schaffen, worauf Tolani entgegnete, dass diese mit „Augenmaß“ geschaffen werden müssten, und schloss mit dem oben zitierten Satz.

Die Diskussion wurde von da an etwas emotionaler geführt, auch weil die Unterschiede bei vielen Themen groß sind. Tolani will „Autofahrer nicht diskriminieren“, sie möchte Parkplätze in der Innenstadt erhalten – Fassbinder dagegen will Radwege ausbauen, Innenstadtparkplätze verringern und stattdessen das Parkplatzangebot außerhalb der Stadt erweitern.

Der Amtsinhaber positionierte sich dafür, mehr Kultur anzubieten, mehr Veranstaltungen nach Greifswald zu bringen. Die Stadt habe derzeit ein Problem, zu oft von der Lärmschutzverordnung ausgebremst zu werden. Tolani sah das einerseits ähnlich, betonte andererseits aber auch:

„Der Bürger hat das Recht, die Polizei zu rufen, wenn die Nachtruhe nicht eingehalten wird. Es ist wichtig, dass junge Menschen das lernen.“

Beide waren sich inhaltlich einig, sich an geltendes Recht zu halten, dennoch machte die Ausdrucksweise klar, wie unterschiedlich die Perspektiven sind.

Zwischendurch wurde die Debatte hitzig. Der Grund: Axel Hochschild von der CDU. Er war der Einzige, der für seine Fragen, die dann zu Redebeiträgen wurden, aufstand und flammende Statements gegen den derzeitigen Oberbürgermeister hielt. Das machte er insgesamt dreimal.

Im Publikum saßen 18 Männer und nur 5 Frauen. Veranstaltet wurde die Diskussion von Jan Bokelmann von der Firma Bodden Bau in der Alten Mensa.

Eines der größten Probleme sehen die Greifswalder Unternehmer:innen darin, dass keine Fachkräfte in die Stadt kommen. Sie haben Probleme, ihre offenen Stellen zu besetzen.

Warum ziehen Leute weg?
Wir haben daraufhin bei Instagram gefragt, ob es Lesende gibt, die aus der Region weggezogen sind, und wenn ja, warum. Die Antworten sind teils überraschend. Am häufigsten wurden genannt:

1. Weil die Löhne gering sind.
2. Weil es keine Arbeitsplätze gibt.

Das ist deshalb interessant, weil die Frage eher in die Richtung ging, wie die Politik die Stadt so attraktiv machen kann, dass mehr Menschen hier arbeiten wollen. In unserer Mini-Umfrage wurde dieses Argument hingegen nicht ein einziges Mal genannt. Stattdessen könnten die Greifswalder Unternehmer:innen bei sich selbst nach Lösungen suchen und die Gehälter erhöhen.

Fassbinder beantwortete die Frage damit, dass Greifswald ein besseres Image brauche. Denn eigentlich habe die Stadt eine „hohe Lebensqualität“. Tolani verwies darauf, dass die „Rahmenbedingungen für Unternehmen“ verbessert werden müssten. Dazu gehöre auch, die Steuern nicht zu erhöhen. Fassbinder stimmte dem zu.

Was schätzen die beiden eigentlich aneinander?
Frau Tolani empfindet die Auseinandersetzung mit Herrn Fassbinder auf Nachfrage des Moderators als fair. „Er führt einen fairen Wahlkampf.“ Fassbinder lobte: „Tolani brennt für Greifswald.“

Die Stichwahl findet am Sonntag, dem 26. Juni 2022 statt.

MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo!

Autor:innen

Ist einsprachig in Wusterhusen bei Lubmin in der Nähe von Spandowerhagen aufgewachsen, studierte Politikwissenschaft und gründete 2021 KATAPULT MV.

Veröffentlichungen:
Die Redaktion (Roman)
Fredrich rastet aus

Neueste Artikel

Karte mit 83 Joints. Überschrift: So viel Cannabis dürfen Erwachsene in der Öffentlichkeit bei sich haben. 25 Gramm in Joints, 1 Joint entspricht durchschnittlich 0,3 Gramm Cannabis.

19.04.2024

High sein und frei sein?

Cannabis soll entkriminalisiert werden. Erst der Konsum, später auch die kommerzielle Abgabe in lizenzierten Geschäften. So hat es der Bundestag beschlossen. Dennoch wird das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und der Änderung weiterer Vorschriften“, kurz CanG, weiterhin kontrovers diskutiert. Gemeinsames Fazit der kritischen Stimmen: Die Teillegalisierung ist Murks.

18.04.2024

Mission Dokumentation

Der Fotograf Martin Maleschka zieht seit zwanzig Jahren durch die ostdeutschen Bundesländer auf der Suche nach Baukunstwerken aus der DDR-Zeit. Er dokumentiert mit seiner Kamera, was noch erhalten wird, macht Fotos, wo einst Kunst war und heute nichts mehr geblieben ist. Auf einer gemeinsamen Spurensuche in Grimmen wird deutlich, was Maleschka antreibt – das kontinuierliche Verschwinden eines Teils seiner Heimat.

17.04.2024

Demokratie beschützen heißt Kultur beschützen

MVs Kulturlandschaft steht einer unmittelbaren Bedrohung gegenüber, wenn antidemokratische Positionen in der Kommunalwahl an Einfluss gewinnen. In Greifswald wurde erst kürzlich gegen mehrere Kultureinrichtungen von antidemokratischen Gruppierungen gehetzt. Diese seien „versiffte Buden“, „Brutstätten linker Subkulturen“ oder „kommunistische Kaderschmieden“. Warum schweigen so viele Kunst- und Kulturschaffende im Land?