Die Veranstalter um Martin Klein von der „Querdenken“-Partei „Die Basis“ sind froh: Die Demo ist größer als beim letzten Mal. Heute findet sie in der Lubminer Musikmuschel statt. Der umliegende Park ist einigermaßen voll. Leute schwenken Flaggen – russische, pommersche und auch viele Deutschlandfahnen. Einige zeigen die Wirmer-Flagge. Sie wird auch in der rechtsextremen Szene häufig verwendet.Manche Ordner haben sich auf verschiedene Weise ein großes „Z“ auf die Warnweste geschrieben. Beispielsweise hat jemand „Schol Z in den Knast“ auf dem Rücken stehen. Auf diese Weise wird angedeutet, dass man die russische Invasion unterstützt.
Wer ist unwillkommen?Die Redner:innen der Demo stellen zu Beginn klar, wer hier heute willkommen ist und wer nicht. Ein paar rechte und rechtsoffene Medien werden begrüßt. Darunter Auf1, ein Medium, das seit Monaten Verschwörungstheorien verbreitet. Als Lokalmedium wurde Greifswald-TV begrüßt. Das sind also heute die Guten.Wer ist nicht willkommen? Der Spiegel. Die Leute applaudieren. Ebenfalls nicht willkommen ist Katharina Degrassi von der Ostsee-Zeitung. Die Leute applaudieren. Der NDR, so der Redner, sei heute gar nicht mehr hergekommen. Die Leute applaudieren. Dafür ist jedoch Russia Today anwesend.Neben der Bühne wird es hektisch. Leute rennen irgendwohin, andere laufen weg. Manche rufen, andere wenden sich ab und schauen nun vor die Bühne. Was ist passiert? Drei ukrainische Aktvistinnen zeigen dort Kriegsbilder und eine ukrainische Flagge.
Die Reaktion der Demoteilnehmenden wirkt ungehalten und nicht ganz so friedlich, wie es sich vom Veranstalter gewünscht wurde. Die ukrainischen Frauen werden angeschrien und später auch weggerempelt. Am Ende bleibt nur eine der drei stehen. Sie wird immer wieder angefasst. Ihre Demoschilder wurden ihnen entrissen und weggeworfen. Es gibt eine längere Auseinandersetzung. Die Aktivistin bleibt noch 15 Minuten lang stoisch neben der Bühne stehen.Zu diesem Zeitpunkt ist die Aufmerksamkeit des Publikums nicht mehr wirklich auf der Bühne, sondern bei dieser Frau – die dort steht und nicht wegwill. Sie reagiert nicht auf die wütende Meute. Zwei kräftige Männer reden immer wieder auf sie ein, später gibt es Sprechchöre. Der Mund der Aktivistin ist mit Klebeband verschlossen. Sie steht einfach da, den Tränen nahe, alleine und ohne ihre Transparente.
Wer sind die Gegenaktivistinnen?Mariana Yaremchysyna ist Aktionskünstlerin aus Kyjiw und lebt seit einigen Jahren in Deutschland. Gegenüber KATAPULT MV beschwert sie sich über die Ignoranz der Demoteilnehmenden. „Denen ist es egal, dass es in meiner Heimat Krieg gibt. Das ist traurig.“ Yaremchyshna spricht fließend Deutsch.Die Polizei geht relativ deeskalierend mit der Situation um. Personalien werden zwar aufgenommen. Eine Anzeige wird aber nicht erstattet. Die beiden Mitstreiterinnen von Yaremchyshna sind gerade erst aus der Ukraine nach Deutschland geflohen.
Was denken die Teilnehmenden?Manche Demoteilnehmer:innen erzählen KATAPULT MV, dass sie schlicht und einfach die Energiekosten nicht tragen können und ihnen die Ukraine gleichzeitig auch leidtut. Manche sehen das anders und sagen, dass die Ukraine nie hätte unterstützt werden dürfen, dann hätte Russland schon lange gewonnen und der Krieg wäre zu Ende.Andere behaupten wiederum, dass man in Lubmin lediglich die Gaspipeline aufdrehen müsste, dann würde das Gas wieder fließen – selbst wenn sogar die russische Regierung bestätigt, dass die Pipelines derzeit nicht befüllt werden.Unter den Rednern ist auch der rechtsextreme Politiker Andreas Kalbitz, ehemals AfD. Er wird vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als rechtsextrem. Kalbitz war früher außerdem Mitglied der inzwischen verbotenen neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend.
Die nächste Rednerin sagt: „Feminine Politik ist gut, wenn sie in Italien stattfindet.“ Es gibt kaum Applaus für die Anspielung. Wahrscheinlich haben nur wenige Menschen verstanden, dass sich der Satz auf die einzige weibliche Spitzenkandidatin bei den heute stattfindenden Parlamentswahlen in Italien bezieht – die rechtsextreme Giorgia Meloni. Ihre Fratelli d’Italia gelten als rechtspopulistische bis postfaschistische bis rechtsextreme Partei.Die Redner:innen auf der Demo wirken deutlich radikaler als die Teilnehmenden. Die Forderungen überschlagen sich in ihrer Härte. Nicht immer wird applaudiert. Die Grenze zur Volksverhetzung wird in manchen Fällen nicht mehr ganz klar gewahrt. An die Politik der derzeitigen Bundesregierung schallt es laut durch die Lautsprecher: „Irgendwann wird das Volk richten. Dann gnade euch Gott!“
Fotos: Sophia Rockenmaier