Am kommenden Mittwoch soll der Landtag über einen Antrag der „Jamaika-Opposition“ abstimmen. CDU, FDP und Grüne möchten Vorwürfen gegen die beiden Unikliniken in Greifswald und Rostock nachgehen. Ihr Ziel: Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. So soll auch Druck auf die regierende SPD ausgeübt werden. Untersucht werden müssten mehrere Legislaturperioden, die Rede ist von mehr als 25 Jahren.
Hat Wissenschaftsministerium Aufklärung verhindert?
Der Untersuchungsausschuss soll Vorgänge zu Fragen der medizinischen Versorgung, insbesondere im Verantwortungsbereich der beiden Krankenhäuser, prüfen. „Bereits in der vergangenen Wahlperiode haben wir uns im damals zuständigen Bildungsausschuss für eine Aufklärung der Vorgänge an den Universitätsklinika unseres Landes eingesetzt“, sagte CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow vergangene Woche Mittwoch. Das für die Unikliniken zuständige Wissenschaftsministerium von Bettina Martin (SPD) habe in der vergangenen Wahlperiode bei entsprechenden Fragen gemauert, so Liskow. Zudem sei die Verantwortung zurückgewiesen und teils sogar bestritten worden, für die Kliniken zuständig zu sein.
Verdacht: Missmanagement und strategisch fragwürdige Entscheidungen
Thematisch geht es zum einen um den Verdacht des Missmanagements und der Verschwendung von Steuermitteln. So soll durch Beratungsfehler zur Veränderung der betrieblichen Altersvorsorge für Beschäftigte ein Millionenschaden für die Uniklinik Greifswald entstanden sein.
Zum anderen gibt es den Vorwurf strategisch fragwürdiger Entscheidungen, die zu einer Gefährdung der ganzheitlichen Arztausbildung sowie der medizinischen Versorgung führen könnten. Hier steht vor allem das Universitätsklinikum Rostock im Fokus. So hatten etwa im August 2021 leitende Ärzt:innen der Uniklinik einen Brandbrief an die Landesregierung verfasst. Darin hieß es, dass die Unimedizin ihrem Auftrag als Maximalversorgerin nicht mehr gerecht werde. Zudem sei die Kinder- und Jugendmedizin in ihrer Arbeitsfähigkeit gefährdet.
Doch die Uniklinik Rostock stand damit nicht zum ersten Mal im Zentrum des öffentlichen Interesses. Bereits 2018 sorgte die Entlassung des Rostocker Klinikchefs Christian Schmidt für Aufmerksamkeit. Dem damaligen Vorstandsvorsitzenden war die Verschwendung von Steuergeldern durch den Abschluss unwirtschaftlicher Verträge vorgeworfen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelte ohne Ergebnis. Schmidt durfte im Juni 2020 kurzfristig in sein Amt zurückkehren, bevor er im August 2021 erneut freigestellt wurde. Dieses mal von Aufsichtsratschef Mathias Brodkorb (SPD). Als Grund wurden Meinungsverschiedenheiten über Personalkürzungen zwischen den beiden Männern genannt.
Verantwortlichkeit und zukünftige Ausrichtung klären
Die dringend aufzuklärenden Management- und Aufsichtsfehler hätten zu einem nicht unerheblichen finanziellen Schaden für das Land geführt. Es handele sich um einen zweistelligen Millionenbetrag, erklärt René Domke, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. Die Richtlinien guter Unternehmensführung schienen systematisch missachtet worden zu sein. So gehe es bei der Gefährdung der medizinischen Versorgung nicht um Bagatellen, die im Tagesgeschäft aufgeklärt werden könnten.
Ziel des gemeinsamen Vorgehens der drei Fraktionen sei es, Verantwortlichkeiten festzustellen. Es sollen aber auch Rückschlüsse für die künftige Ausrichtung von Management und Aufsichtsgremien, für Organisation und Struktur der Universitätskliniken gezogen werden können.
„Es gilt, nach Schwächen, Mängeln und Versäumnissen in den Kontrollstrukturen zu fahnden und deren Unabhängigkeit gegenüber höhergestelltem Führungspersonal zu stärken“, meint Harald Terpe, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag. Missstände müssten aufgeklärt werden, findet der Gesundheitspolitiker. „Zudem erwarten wir uns Schlussfolgerungen für die notwendige Neuaufstellung zur Erfüllung des Versorgungs- und Ausbildungsanspruchs der Klinika“, so Terpe.
SPD gegen Untersuchungsausschuss
Die SPD sieht die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses kritisch. Dieser müsste dann Vorgänge untersuchen, die fünf Legislaturperioden umfassten. Das binde nicht nur enorme Ressourcen, sondern verursache ebenso gewaltige Kosten.
Die SPD stelle sich dem Thema jedoch in der Sache, so Dirk Stamer (SPD). Eine dahingehende Absprache habe es auch bereits mit der CDU-Fraktion gegeben – „und zwar in ihrer früheren Rolle als unser Koalitionspartner in Verantwortung für das Gesundheitsministerium“.
Bereits in der vergangenen Legislaturperiode seien dem Bildungsausschuss umfangreiche Akten, Protokolle und Unterlagen vorgelegt worden, die Einsicht sei für alle Fraktionen möglich gewesen. Und auch in dieser Legislatur hätten zunächst entsprechende Anträge im Ausschuss gestellt werden können. „Jetzt allerdings mehr als 25 Jahre und damit mehrere Wahlperioden in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten zu wollen, bevor andere Wege ausgeschöpft wurden, ist irritierend“, kritisierte Stamer.
Quellen
- Landtag MV (Hg.): Vorläufige Tagesordnung der 13. Sitzung des Landtags, auf: landtag-mv.de (3.3.2022).↩
- Burghardt, Florian: Falsch beraten? Unimedizin Greifswald fehlen Millionen bei der Betriebsrente; auf: procontra-online.de (2.10.2018).↩
- Becker, Andreas: Millionenschäden an Unikliniken in MV sollen aufgeklärt werden, auf: nordkurier.de (23.2.2022).↩
- Meyer, Andreas: Skandal an Rostocker Uni-Klinik: Was wusste die Politik?, auf: ostsee-zeitung.de (3.7.2018) / Aerzteblatt.de (Hg.): Schmidt wieder Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Rostock, auf: aerzteblatt.de (29.6.2020).↩
- NDR (Hg.): Vorstand beurlaubt: Führungskrise an der Unimedizin Rostock, auf: ndr.de (25.8.2021).↩