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Schweriner Industriepark

Vorzeitiger Baubeginn von Chemiewerk genehmigt

Biozide sowie Konservierungs- und Desinfektionsmittel: Diese möchte das Unternehmen Vink Chemicals so bald wie möglich im Schweriner Gewerbepark herstellen. Davor sind allerdings noch zahlreiche Auflagen zu erfüllen, denn bei der Fabrik handelt es sich um eine „Störfallanlage der oberen Klasse“. Ein Störfall, ein schwerer Unfall mit gefährlichen Stoffen, kann zu einer ernsten Gefahr werden. Auch deshalb hält der BUND an seiner Kritik fest. Die Stadt hingegen begrüßt den Bau des Werkes.

„Der (…) beantragte vorzeitige Beginn für die Errichtung der Anlage zur Herstellung von Bioziden wird (…) zugelassen“, heißt es in der Entscheidung des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt (Stalu) Westmecklenburg zum geplanten Chemiewerk der Firma Vink Chemicals im Schweriner Industriepark. Das Unternehmen will nach eigenen Angaben in Schwerin in industriellem Umfang Biozide sowie Konservierungs- und Desinfektionsmittel herstellen.

Öffentlich wurde die Genehmigung 14 Tage nach der amtlichen Mitteilung an das Unternehmen. Nach eigenen Angaben war die Behörde nicht verpflichtet, die Entscheidung zu veröffentlichen. Der Antragsteller Vink Chemicals habe, um „für bessere Transparenz“ zu sorgen, die Veröffentlichung „angeregt“.

Zahlreiche Auflagen müssen noch erfüllt werden

Die Schweriner Stadtvertretung und -verwaltung begrüßten die Ansiedlung schon zu Beginn der Planung. Ebenso frühzeitig meldete der Landesverband der Umweltschutzorganisation BUND Bedenken gegen die neue Produktions- und Lagerstätte von giftigen Chemikalien an. „Wir lehnen die Ansiedlung komplett ab“, heißt es nach wie vor auf der Website des BUND. Für Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag zeigt die Genehmigung des vorzeitigen Baubeginns, „dass wichtige Voraussetzungen zur Produktionsaufnahme wie die Abgasreinigungsanlage, die Kampfmittel- und Munitionsbergung, die Einleitung von Niederschlagswasser, die Handhabung von eventuell wassergefährdenden Stoffen und Abwasserentsorgung, Brandschutz wie Feuerwehr noch völlig offen sind“. Der BUND prüfe derzeit, ob ein Baubeginn rechtlich zulässig ist oder spätere Änderungen eventuell unmöglich sind.

BUND fordert weiterhin Umweltverträglichkeitsprüfung

Bereits zu Beginn der Planungen für das Werk forderte die Organisation eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die bislang nicht erfolgt ist. „Auf jeden Fall wird der BUND vor Betriebsbeginn weiterhin auf einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, denn der Betrieb einer Chemiefabrik in der geplanten Größenordnung birgt erhebliche Risiken“, so Corinna Cwielag. Die BUND-Vertreterin ist überzeugt: „Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg hat die Anordnung einer vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung aus unserer Sicht zu Unrecht unterlassen.“

Keine Antwort von der Stadtverwaltung

Die Genehmigung des Stalu weist die geplante Fabrik wegen der Menge an Gefahrstoffen als „Störfallanlage der oberen Klasse“ aus. Sogenannte Störfälle sind schwere Unfälle mit gefährlichen Stoffen. In Störfallanlagen sind diese vorhanden oder können entstehen, sodass diese zu ernsten Gefahren oder Sachschäden führen können.

Mit einem Unternehmen dieser Störfallklasse fehle der Stadt Schwerin bislang jegliche Erfahrung und Infrastruktur, weswegen ein möglicher Störfall „überhaupt nicht beherrschbar“ sei, ist der BUND in seiner Stellungnahme überzeugt.

Der Ortsbeirat (OBR) Wüstmark/Göhrener Tannen zeigte schon im Mai 2023 Interesse an den Details des Bauvorhabens. Eine Anwohnerin aus Stern Buchholz hatte zur geplanten Ansiedlung eine Beschwerde geschickt. Der OBR verlangte daraufhin von der Stadtverwaltung Auskunft, ob eine Beteiligung der Bürgervertretung des betreffenden Ortsteils vorgesehen sei. „Antwort: noch offen“, heißt es im Sitzungsprotokoll. Laut Protokoll der Sitzung vom 27. September wartete der OBR nach wie vor auf eine Antwort der Verwaltung.

Für das Stalu stellt die Öffentlichkeitsbeteiligung einen wesentlichen Aspekt der vorzeitigen Zulassung dar.

Fast sieben Millionen Euro von Land und Bund

Die Ansiedlung der Chemiefabrik wird mit Steuermitteln gefördert. Aus dem Programm der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ erhält Vink Chemicals laut Zuwendungsbescheid 6,67 Millionen Euro. Das Geld aus diesem Programm kommt grundsätzlich je zur Hälfte vom Bund und vom Land. Die zugesagten Fördermittel werden jedoch erst gewährt, wenn die finale Baugenehmigung erteilt ist. Werden die Förderbedingungen nicht eingehalten, muss der Finanzzuschuss ganz oder anteilig zurückgezahlt werden. Vink Chemicals muss sich für fünf Jahre an die Förderbedingungen halten und die angegebene Zahl neuer Arbeitsplätze nachweisen. „Mehr als 40 Jobs“ will der Chemiehersteller schaffen.

Arbeitsplätze und Lieferketten

Die Stadt Schwerin begrüßt die Ansiedlung von Vink Chemicals. Neben der Schaffung neuer Arbeitsplätze leiste das Unternehmen einen Beitrag zur Sicherung der Lieferketten von chemischen Produkten. Gerade die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass es wichtig sei, in Deutschland die Produktionskapazitäten auf- beziehungsweise auszubauen, schreibt die Stadtverwaltung. Der BUND hingegen argumentiert, dass es sich bei den sogenannten technischen Konservierungsstoffen um zum Teil hochgiftige, in Europa nicht mehr zugelassene Stoffe handele. Für das umstrittene Fungizid Carbendazim beispielsweise lief schon 2016 die Genehmigung für Europa aus.

Das Unternehmen selbst schweigt sich aus: Auf mehrfache Nachfragen, ob die Behauptungen des BUND Mecklenburg-Vorpommern korrekt seien, ob das Unternehmen über Baufortschritte informieren werde und in einen Bürgerdialog eintreten wolle, hat Vink Chemicals bislang nicht geantwortet.

Die Stadtverwaltung und das Stalu haben nach einer Vorabinformation durch die Stadt Schwerin und der Bekanntmachung des Genehmigungsverfahrens einschließlich des Erörterungstermins durch das Stalu keine weitere Öffentlichkeitsbeteiligung geplant.

Richtigstellung

In einer Vorversion dieses Artikels haben wir behauptet, das Unternehmen Vink Chemicals plane, im Schweriner Gewerbepark u.a. auch Pflanzenschutzmittel herzustellen. Diese Behauptung trifft nicht zu. Richtig ist vielmehr, dass das Unternehmen Vink Chemicals nicht plant, im Schweriner Werk Pflanzenschutzmittel herzustellen.Die Redaktion

Quellen

  1. Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg (Hg.): Errichtung einer Anlage zur Herstellung von Bioziden am Standort Schwerin, Bekanntmachung der Zulassung des vorzeitigen Beginns, auf: stalu-mv.de (2.10.2023).
  2. E-Mail des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg vom 11.10.2023.
  3. Von der Heide, Katharina: Errichtung eines Chemiewerks nahe Schwerin geplant, auf: katapult-mv.de (27.3.2023).
  4. BUND MV (Hg.): Vink Chemicals Ansiedlung, auf: bund-mecklenburg-vorpommern.de.
  5. E-Mail von Corinna Cwielag vom 10.10.2023.
  6. Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg (Hg.): Immissionsschutzrechtlicher Bescheid, S. 9, auf: stalu-mv.de (15.9.2023).
  7. Ortsbeirat Wüstmark/Göhrener Tannen (Hg.): Sitzungsprotokoll vom 10.5.2023, S. 4, auf: bis.schwerin.de.
  8. Ortsbeirat Wüstmark/Göhrener Tannen (Hg.): Sitzungsprotokoll vom 27.9..2023, S. 3, auf: bis.schwerin.de.
  9. Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg (Hg.): Immissionsschutzrechtlicher Bescheid, S. 7, auf: stalu-mv.de (15.9.2023).
  10. E-Mail des Ministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit MV vom 11.10.2023.
  11. Hauspost Nr. 308, S. 25 (Oktober 2023).
  12. E-Mail der Pressestelle der Landeshauptstadt Schwerin vom 6.10.2023.
  13. BUND MV (Hg.): Fehlerhafte, unvollständige Antragsunterlagen, keine UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) und ein genehmigter vorzeitiger Baustart, auf: chemiefabrik-schwerin.de (2.10.2023).
  14. Bauchmüller, Michael; Liebrich, Silvia: Europäische Konzerne exportieren Gifte, die hier verboten sind, auf: sueddeutsche.de (23.4.2020).

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