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MV-Werften

Wendet Genting Insolvenz in letzter Minute ab?

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Lesedauer: ca. 4 Minuten

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Die Abgeordneten verlangten von Finanzminister Heiko Geue (SPD) Antworten. Zwar fand die Sitzung selbst unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Einige wesentliche Details sickerten dennoch nach außen. Geue sagte nach der Zusammenkunft gegenüber dem NDR, der Bund erwarte, dass die Werfteneignerin Genting Hong Kong sich jetzt bewege. Zwar säßen alle Beteiligten wieder am Verhandlungstisch. Allerdings brauche es ein Vertrauenssignal. Genting müsse zeigen, das Kreuzfahrtschiff „Global 1“ am Standort Wismar fertigstellen zu wollen.

Politiker der Oppositionsparteien nutzten die Gelegenheit, gegen die rot-rote Landesregierung auszuteilen. „Ich bin vom Grundsatz her optimistisch und gebe nie auf, bis das letzte Wort gesprochen ist“, sagte CDU-Wirtschaftsexperte Wolfgang Waldmüller. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) müsse die Werftenrettung zur Chefsache erklären und spätestens am Freitag persönlich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprechen.

„Das Fatale an dem ganzen Sachverhalt ist für mich, dass die Landesregierung seit zwei Jahren nicht über einen Plan B nachdenkt“, wetterte AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer im NDR-Nordmagazin. „Was passiert jetzt im Worst-Case-Szenario, wenn die MV-Werften Insolvenz anmelden müssen? Was passiert mit den Mitarbeitern, mit den Fachkräften? Können die irgendwo im Land gehalten werden?“ Die AfD sprach sich zuletzt als einzige der im Landtag vertretenen Parteien gegen Staatshilfen für die MV-Werften aus.

Seit Ende Dezember führt Genting einen Rechtsstreit gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern. In der Klage bezieht sich das Unternehmen auf ein „vertragliches Darlehensversprechen“. Dabei geht es um die Auszahlung eines Darlehens von umgerechnet 78 Millionen Euro. Das Land hatte diese Summe im Rahmen einer Vereinbarung im vergangenen Sommer zugesichert, sollte Genting in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Allerdings gingen die damals Beteiligten davon aus, diese Situation drohe erst 2024 einzutreten, wenn die Megaliner „Global 1“ und „Global 2“ fertiggestellt und an eine Reederei des Genting-Konzerns übergeben worden seien.

Am 23. Dezember hatte der Finanzausschuss der vorzeitigen Auszahlung unter der Bedingung zugestimmt, dass sich der Bund mit einer Leistung aus dem Wirtschaftsstabilitätsfonds gleichfalls an der Werftenrettung beteilige. Die zuständigen Bundesministerien pochen nach derzeitigem Stand wiederum auf eine Eigenbeteiligung Gentings. Konkret soll es um 60 Millionen Euro gehen, die das Hongkonger Unternehmen zur Rettung ihrer Werften an der Ostseeküste beisteuern soll.

Der Bund hatte den Werften bereits mit 300 Millionen Euro unter die Arme gegriffen. Nun könnten – frühestens Mitte Februar – weitere 300 Millionen folgen. Allerdings nur, wenn der Genting-Konzern zusätzlich eine Übernahmegarantie für die „Global 1“ über 600 Millionen Euro abgibt. Der tatsächliche Wert des Schiffs wird etwa auf das Doppelte beziffert. Die Werfteigentümerin dürfte den Ozeanriesen also auf Staatskosten quasi zum Schnäppchenpreis erwerben. Im Gegenzug wäre der Werftstandort Wismar zumindest bis Ende dieses Jahres gesichert – und mit ihm rund 2.000 Arbeitsplätze.

Das Landgericht Schwerin hatte dem Eilantrag der Werften am 28. Dezember in vollem Umfang stattgegeben. Einen Tag später revidierten die Richter nach einem Widerspruch der Landesregierung jedoch ihre Entscheidung. Genting sollte demnach zunächst nur einen mittleren einstelligen Millionenbetrag erhalten. Nachdem das Land dem Gericht weitere Unterlagen vorgelegt hatte, hob die dritte Kammer am 30. Dezember den Beschluss vom Vortag ganz auf. Am kommenden Dienstag (11. Januar) möchten die Richter die Beteiligten anhören. Dass das Gericht am gleichen Tag eine Entscheidung verkünden wird, ist möglich, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Für die MV-Werften könnte ein neuerlicher Gerichtsbeschluss zu spät kommen. Am Freitag, also morgen, sind die Löhne fällig. Fließt bis dahin kein Geld, ist ein Insolvenzantrag wahrscheinlich nicht mehr zu vermeiden. Antragsberechtigt sind nämlich nicht nur die Werften, sondern auch ihre Gläubiger:innen.

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Fußnoten

  1. NDR (Hg.): MV-Werften: Land wartet auf Signal von Genting, auf: ndr.de (5.1.2022).
  2. NDR (Hg): Nordmagazin vom 5.1.2022.
  3. Ebd.
  4. NDR (Hg.): MV-Werften: Land wartet auf Signal von Genting, auf: ndr.de (5.1.2022).
  5. Ebd.
  6. NDR (Hg): Nordmagazin vom 5.1.2022.
  7. Ebd.
  8. Telefonat mit Detlef Baacke, Pressesprecher des Landgerichts Schwerin, am 6. Januar 2022.
  9. NDR (Hg): Nordmagazin vom 5.1.2022.
  10. §§ 13, 14 Insolvenzordnung.

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