Zum Inhalt springen

Lokaljournalismus und Demokratie

Wenn niemand berichtet

Von

Artikel teilen

Wenn die Öffentlichkeit fehlt, Lokalredaktionen reduziert, eingestampft oder gleich ganze Zeitungen aufgegeben werden, bleibt das nicht ohne Folgen. Das zeigt eine aktuelle Studie der Ökonomen Jonas Heese, Gerardo Pérez-Cavazos und Caspar David Peter im Journal of Financial Economics Die Forscher untersuchten, wie Firmen reagieren, wenn sie nicht mehr von lokalen Medien beobachtet werden. Das Ergebnis: Mit der Schließung von Lokalzeitungen nehmen kriminelle Machenschaften zu. In Gegenden, in denen Redaktionen geschlossen wurden, stieg die Summe der von Behörden verhängten Bußgelder gegen Firmen um durchschnittlich 15 Prozent – dort wo gar keine Lokalzeitung mehr existierte, sogar um 36 Prozent. Auch die Schadstoffemissionen erhöhten sich um 18,3 Prozent. Es zeigte sich zudem, dass nicht nur die Zahl der Straftaten anstieg, auch die Schwere der Delikte und damit die Höhe der Strafzahlungen nahm zu. „Wenn es keine Lokalzeitung mehr gibt, die der Wirtschaft vor Ort auf die Finger schaut, begreifen das viele Firmen ganz offensichtlich als Freifahrtschein für Betrug und Regelverletzungen“, sagt Heese in der Süddeutschen Zeitung. Die Dunkelziffer sei vermutlich extrem hoch. Fehlen investigative Recherchen durch Lokaljournalisten und damit die Ansprechpartner für Informationen aus der Bevölkerung, sei die Konsequenz steigende kriminelle Energie: Betrug, Finanzvergehen, Wasser- und Luftverschmutzung sowie Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften nehmen zu. Bußgelder würden bezahlt und Prozesse geführt, ohne dass die Firmen um ihr Image fürchten müssen – denn niemand berichtet über all ihre Verstöße. Nicht umsonst führte die Washington Post 2017 ihren Slogan Democracy Dies in Darkness ein – zu Deutsch „Demokratie stirbt im Dunkeln“. Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Sterben die lokalen Medien, fehlt die wichtigste Kontrollinstanz für skrupellose Machenschaften in Wirtschaft und Politik. Die Menschen vor Ort zahlen dafür einen hohen Preis.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 2 von KATAPULT MV. 

MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo!

Schon 5.096 Abonnent:innen

179,9 %

🎉 Ziel I:

19.000 Euro

Ziel II: 57.000 Euro

(11.400 Original-Abos)

Fußnoten

  1.  Heese, Jonas; Pérez-Cavazos, Gerardo; Peter, Caspar David: When the Local Newspaper Leaves Town: The Effects of Local Newspaper Closures on Corporate Misconduct, in: Journal of Financial Economics (21.7.2021).
  2. Hulverscheidt, Claus: Warum Lokalzeitungen für gutes Klima sorgen, auf: sueddeutsche.de (21.10.2021).
  3. Paul Farhi: The Washington Post’s new slogan turns out to be an old saying, auf: washingtonpost.com (24.2.2017).

Autor:innen

Redakteurin bei KATAPULT MV.

Neueste Artikel

24.03.2023

Meck-Vorp räumt auf

Frühjahrsputz ist angesagt! Auch in MV wird fleißig aufgeräumt an diesem Wochenende. Tipp: Da werden auch die Uhren wieder umgestellt...

23.03.2023

Zehn Jahre und noch viel zu tun

Vor zehn Jahren wurde in Meck-Vorp das Gesetz zur Anerkennung der Berufe von Migrant:innen verabschiedet. Mit einem sehr bürokratischen Namen: Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz. Seitdem haben rund 7.500 Menschen ihre Ausbildung anerkennen lassen können. Beraten werden sie von drei Servicestellen im Land. Und die haben noch einige Verbesserungsvorschläge.
„Kunst inmitten des Krieges“ Ausstellungseröffnung in Rostock: Jemand betrachtet ein Gemälde, auf dem Hände sich von innen an dem Augengitter einer Burka festhalten und nach draußen greifen.

23.03.2023

Afghanische Künstlerin kann erstmals eigene Ausstellung eröffnen

Am Mittwoch wurde im Rostocker Rathaus die Ausstellung der afghanischen Künstlerin und Frauenrechtsaktivistin Hafiza Qasimi eröffnet. Es war das erste Mal, dass die 24-Jährige dies persönlich tun konnte. Seit anderthalb Jahren ist sie auf der Flucht vor den Taliban, von Afghanistan kam sie über Iran nach Deutschland.