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Lokaljournalismus und Demokratie

Wenn niemand berichtet

Ostdeutschland 2021: eine Region – eine Zeitung. Wenn man Glück hat. Was passiert, wenn Lokalredaktionen schließen, zeigt eine neue Studie der Harvard-Universität: Es wird teuer – vor allem für den Steuerzahler. Wenn keine Lokaljournalisten vor Ort sind und der Wirtschaft und Politik auf die Finger schauen, verselbständigen sich kriminelle Energien.

Wenn die Öffentlichkeit fehlt, Lokalredaktionen reduziert, eingestampft oder gleich ganze Zeitungen aufgegeben werden, bleibt das nicht ohne Folgen. Das zeigt eine aktuelle Studie der Ökonomen Jonas Heese, Gerardo Pérez-Cavazos und Caspar David Peter im Journal of Financial Economics Die Forscher untersuchten, wie Firmen reagieren, wenn sie nicht mehr von lokalen Medien beobachtet werden. Das Ergebnis: Mit der Schließung von Lokalzeitungen nehmen kriminelle Machenschaften zu. In Gegenden, in denen Redaktionen geschlossen wurden, stieg die Summe der von Behörden verhängten Bußgelder gegen Firmen um durchschnittlich 15 Prozent – dort wo gar keine Lokalzeitung mehr existierte, sogar um 36 Prozent. Auch die Schadstoffemissionen erhöhten sich um 18,3 Prozent. Es zeigte sich zudem, dass nicht nur die Zahl der Straftaten anstieg, auch die Schwere der Delikte und damit die Höhe der Strafzahlungen nahm zu. „Wenn es keine Lokalzeitung mehr gibt, die der Wirtschaft vor Ort auf die Finger schaut, begreifen das viele Firmen ganz offensichtlich als Freifahrtschein für Betrug und Regelverletzungen“, sagt Heese in der Süddeutschen Zeitung. Die Dunkelziffer sei vermutlich extrem hoch. Fehlen investigative Recherchen durch Lokaljournalisten und damit die Ansprechpartner für Informationen aus der Bevölkerung, sei die Konsequenz steigende kriminelle Energie: Betrug, Finanzvergehen, Wasser- und Luftverschmutzung sowie Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften nehmen zu. Bußgelder würden bezahlt und Prozesse geführt, ohne dass die Firmen um ihr Image fürchten müssen – denn niemand berichtet über all ihre Verstöße. Nicht umsonst führte die Washington Post 2017 ihren Slogan Democracy Dies in Darkness ein – zu Deutsch „Demokratie stirbt im Dunkeln“. Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Sterben die lokalen Medien, fehlt die wichtigste Kontrollinstanz für skrupellose Machenschaften in Wirtschaft und Politik. Die Menschen vor Ort zahlen dafür einen hohen Preis.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 2 von KATAPULT MV. 

Quellen

  1.  Heese, Jonas; Pérez-Cavazos, Gerardo; Peter, Caspar David: When the Local Newspaper Leaves Town: The Effects of Local Newspaper Closures on Corporate Misconduct, in: Journal of Financial Economics (21.7.2021).
  2. Hulverscheidt, Claus: Warum Lokalzeitungen für gutes Klima sorgen, auf: sueddeutsche.de (21.10.2021).
  3. Paul Farhi: The Washington Post’s new slogan turns out to be an old saying, auf: washingtonpost.com (24.2.2017).

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