Der 14. Mai ist eigentlich ein schönes Datum, um Geburtstag zu haben, möchte man meinen. Doch dieses Jahr ist Frieda Meising aus Rostock „etwas frustriert“. Nicht, weil sie im Mai 18 Jahre alt wird, sondern weil sie durch die vorgezogene Bundestagswahl um eine Premiere gebracht wurde: Im September hätte sie zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl wählen dürfen, nun wird es damit doch nichts. Denn wer am neuen Termin der Wahl, dem 23. Februar, noch nicht 18 Jahre alt ist, darf nicht wählen. „Jetzt wird schon wieder über die eigene Zukunft abgestimmt, ohne dass wir mitbestimmen dürfen“, sagt Frieda. Auf ihre erste Bundestagswahl habe sie sich gefreut, auch schon überlegt, wen sie wählen soll. In ihrem Freundeskreis ist Frieda die einzige, die nun doch nicht wählen darf.1
Doch damit ist sie nicht allein. Deutschlandweit sind am 23. Februar schätzungsweise 2,3 Millionen Erstwähler:innen wahlberechtigt.2 Das sollen laut Statistischem Bundesamt rund 400.000 Menschen weniger sein als bei einer Wahl im kommenden September.3 Auch für Mecklenburg-Vorpommern lässt sich die Zahl nur schätzen. Die Landeswahlleitung und das Statistische Amt MV können nach eigener Aussage keine Auskunft über die Zahl der Nun-doch-nicht-Erstwählenden treffen.4 Laut dem aktuellen Statistischen Bericht des Amtes haben zum Stichtag 31.12.2023 MV-weit 14.571 Menschen gelebt, die 2007 zur Welt gekommen sind, dieses Jahr also 18 Jahre alt werden.5 Zwischen dem vorgeschobenen Wahltermin am 23. Februar und dem ursprünglichen Datum am 28. September liegen rund sechs Monate. Geht man von einer gleichmäßigen Verteilung der Geburtstage aus, dürfen in MV circa 7.000 junge Menschen wegen der verschobenen Wahl nun doch noch nicht wählen.
Frieda findet vor allem skurril, dass sie vergangenes Jahr ihre Stimme schon einmal abgeben durfte: Die Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern und die Europawahl sind ab 16 Jahren. „Wieso dürfen wir die nächsthöhere Ebene, das EU-Parlament, wählen, aber nicht den Bundestag?“ fragt sie. Dass sie eine Absenkung des Wahlalters sinnvoll findet, begründet Frieda auch mit der deutschen Demographie: Nur rund 13 Prozent der Wahlberechtigten sind 2025 unter 30 Jahre alt. Die über 50-Jährigen machen 58,6 Prozent von ihnen aus, allein die Gruppe Ü70 kommt auf 23,2 Prozent.6 „Diejenigen, die die Zukunft betrifft, dürfen gar nicht wählen”, sagt Frieda. Außerdem habe sie schon andere Rechte und Pflichten und verstehe nicht, warum das Wahlrecht nicht dazu gehöre.
Zur Verschiebung des Wahltermins hat Frieda gemischte Gefühle: „Es ist schon vieles blöd gelaufen. Ich fand es erstmal erschreckend, dass unsere Regierung zerbrochen ist. Dann der Wahlkampf, die verkürzten Fristen für die Briefwahl, der Haushalt, der nicht beschlossen werden konnte. Aber es hätte auch nicht viel Sinn gehabt, diese Regierung jetzt noch weiter durchzuziehen.“ Eine Verzögerung der Neuwahlen hätte vielleicht der AfD noch mehr Stimmen gebracht, sagt Frieda.
Das ist eine ihrer größten Befürchtungen bei der bevorstehenden Wahl: ein Rechtsruck. Aber sie hat auch „nicht so viel Lust auf Merz als Kanzler“. Frieda hofft, dass die Zustimmung für die AfD nicht so stark wird wie bei den vergangenen Landtagswahlen sein wird und dass die Linke wieder in den Bundestag einzieht. „Ich finde es wichtig, dass es auch eine starke linke Opposition gibt. Vor allem, wenn gerade auch die Mitte nach rechts rutscht.“
Diese Sorge teilen nicht alle ihrer Altersgenossen. Bei den U18-Wahlen entschieden sich in MV fast 35 Prozent für die AfD, rund 19 Prozent für die Linke.7 Eine starke Spaltung bemerkt Frieda in ihrem Umfeld aber nicht. „Klar gibt es welche, die eindeutig AfD wählen würden. Aber eher in den Jahrgängen unter mir und mit denen habe ich nicht so einen großen Kommunikationsbedarf.“
Die aktuelle Politik berücksichtige junge Menschen zu wenig, findet Frieda. Das Thema Klimawandel komme viel zu kurz und nur bei der Schuldenbremse werde dann die Jugend vorgeschoben. Dabei müsse man doch jetzt in ihre Zukunft investieren. „Es wird nur für die Wahlberechtigten Politik gemacht. Das ist zwar irgendwie logisch, aber auch frustrierend.“
Bei ihrer ersten Bundestagswahl ist Frieda voraussichtlich 21 Jahre alt. Bis dahin will sie sich auf Demos engagieren und überlegt, vielleicht in eine Partei einzutreten. „Aber da bin ich noch nicht ganz sicher, in welche.“
Wen sie gewählt hätte, da ist sie sich ziemlich sicher. Ihre Stimme wird sie aber zunächst nur bei der Junior-Wahl an ihrer Schule abgeben können.
- Interview mit Frieda Meising am 18.2.2025. ↩︎
- Statistisches Bundesamt (Hg.): Bundestagswahl 2025: mindestens 59,2 Millionen Wahlberechtigte, auf: destatis.de. ↩︎
- Tagesschau (Hg.): Wer wählen darf – und wer nicht, auf: tagesschau.de (16.1.2025).
↩︎ - E-Mail vom Statistischen Amt Mecklenburg-Vorpommern vom 5.2.2025.
↩︎ - Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Statistische Berichte Bevölkerung vom 4. Juli 2024, auf: laiv-mv.de (4.7.2024). ↩︎
- Statista (Hg.): Altersstruktur der Wahlberechtigten bei den Bundestagswahlen 2013, 2017, 2021 und 2025, auf: de.statista.com.
↩︎ - Deutscher Bundesjugendring (Hg.): Wahlen U18, auf: wahlen.u18.org. ↩︎