Medienkritik

Wie die OZ die wichtigste Frage offen lässt

Morgen findet in Güstrow zum dritten Mal die sogenannte Fight Night statt. Liest man Ostsee-Zeitung und Nordkurier, ist das Boxevent vor allem aufgrund von sportlicher Unterhaltsamkeit und dem Benefizgedanken erwähnenswert. Die OZ überträgt sogar live. Was die Redaktionen in ihrer Berichterstattung – zum Beispiel im Rahmen der „wichtigen Fragen zum Kampfabend“ – allerdings auslassen, ist die Nähe der Veranstaltung zum Rechtsextremismus. Seit Jahren gibt die Güstrower Fight Night Neonazis und Rechtsextremen eine Bühne – innerhalb und außerhalb des Rings. Das ist längst öffentlich bekannt, wie Berichte anderer Medien aus den Vorjahren belegen.

„Boxkämpfe für den guten Zweck – 22 Duelle bei Güstrower Fight Night“. So titelte die Ostsee-Zeitung am Mittwoch online zur gleichnamigen Boxveranstaltung am Wochenende. Die „wichtigsten Fragen zum Kampfabend“ soll der Artikel beantworten. Darunter, worauf sich die Zuschauer:innen freuen können oder ob die Veranstaltung übertragen wird – Antwort: Ja, von der Ostsee-Zeitung selbst.1

Was im Artikel nicht steht, hat das Recherchekollektiv Oben Rechts ebenfalls am Mittwoch veröffentlicht: Sowohl die Veranstalter als auch die Veranstaltung selbst fallen durch ihre Nähe beziehungsweise fehlende Abgrenzung zur rechtsextremen Szene auf. Und das nicht erst seit diesem Jahr.

Nähe zum Rechtsextremismus seit Jahren bekannt

Schon 2022 war die Fight Night Gegenstand eines Artikels der Internetplattform Belltower News der Amadeu-Antonio-Stiftung. Nicht nur sollen am Rande der Veranstaltung verbotene und verfassungsfeindliche Kennzeichen – zum Beispiel ein Hitlergruß – gezeigt worden sein, auch Szenekleidung von Thor Steinar oder bekannten rechtsextremen Bands – Landser oder Painful Awakening – wurden im Publikum getragen. Unter den Kämpfern wie auch den Zuschauer:innen: Mitglieder der rechtsextremen Szene.2
Im vergangenen Jahr berichtete unter anderem der NDR über die Veranstaltung. Unter den Kämpfern befänden sich Rechtsextreme, erfuhr der Sender damals aus dem Innenministerium. Dass auch dem Veranstalter das Problem bekannt ist, wird spätestens durch den Beitrag klar. So seien Kämpfer aufgrund ihres radikalen Hintergrunds von dem Event ausgeschlossen worden, ein anderer habe eine zweite Chance bekommen, zitierte der NDR Veranstalter Christian Bürki. Zudem würden die Kämpfer und ihre Kleidung vorher auf Szenebezüge überprüft.3 Auch für die Veranstaltung am Samstag kündigte Bürki an, die Kämpfer im Vorfeld zu überprüfen und auf verbotene Kleidung achten zu wollen.4

Die Grafik gibt einen Überblick zu Sport- und Modemarken der rechtsextremen Szene. Darunten sind Thor Steinar, Pro Violence, SVA Stone, White Rex, Brachial, Pride France, Label 23, Greifvogel Wear, Walhall Athletik, Sport frei, Black Legion, Beloyar, Erik and Sons, Consdaple und Resistend Sportswear.

Hinter diese Prüfung der Kämpfer setzt zumindest Oben Rechts ein dickes Fragezeichen. So hat das Recherchekollektiv bei einigen Kämpfern in diesem Jahr Verbindungen oder Sympathien für die rechtsextreme Szene offengelegt. Bei der Fight Night treten demnach Männer an, die sich schon am 8. Mai zum sogenannten Trauermarsch in Demmin einfanden, an einem Rudolf-Hess-Gedenkmarsch in Berlin teilnahmen oder offen in Neonazi-Shirts – etwa mit Bezug zur verbotenen Organisation Blood & Honour – posierten.5

Auch bei der Person des Veranstalters wird man hellhörig. So ist Bürki Vorsitzender des Allround Sport e.V.,6 der Sporteinrichtungen in Rostock, Stralsund und Güstrow betreibt. Wie eine Recherche von KATAPULT MV erst in diesem Jahr zeigte, trainieren Mitglieder der rechtsextremen Kleinstpartei Der III. Weg in den Güstrower Räumlichkeiten. Dass eine zentrale Figur der Partei in MV, David Mallow, einen Schlüssel hat, legen Wochenendtrainings und dabei entstandene Fotos und Videos nahe.

Wo bleibt der kritische Lokaljournalismus?

So gibt Allround Sport nicht zuletzt mit einer offiziellen Veranstaltung wie der Güstrower Fight Night seit Jahren Neonazis eine Bühne, innerhalb und außerhalb des Rings. Und wird dabei nun auch noch von der Lokalpresse unterstützt. Die Ostsee-Zeitung erwähnt in ihren Ankündigungen des Events die rechtsextremen Verflechtungen um Verein und Veranstaltung nicht.7 Sie überträgt den Abend sogar zum wiederholten Male live.8 Der Nordkurier zitiert in seiner Berichterstattung zumindest den Veranstalter hinsichtlich einer Überprüfung von Boxern und Kleidung, versäumt aber ebenfalls eine kritische Einordnung. Dass es dabei um einen rechtsextremistischen Hintergrund geht, bleibt unerwähnt.9

Wir hätten gerne von der Ostsee-Zeitung gewusst, warum sowohl eine journalistische Einordnung der Akteur:innen unterbleibt, als auch eine Live-Übertragung der Veranstaltung stattfindet. Sind die personellen Verstrickungen nicht bekannt? Und wenn nicht, warum wurde die Veranstaltung im Vorfeld nicht überprüft? Chefredakteur und Redakteur ließen die Frist unserer Anfrage unkommentiert verstreichen.


Mehr zum Thema

Kampfsport ist eine von vielen Arten Rechtsextremer, den vorpolitischen Raum zu besetzen. Eine Übersicht zu zentralen Rechtsextremen in Stadt und Landkreis Rostock sowie Handlungsempfehlungen dagegen für Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft gibt es in unserer Dezemberausgabe. Hier geht es zum Abo.

  1. Ehlers, Stefan: 22 Duelle bei Güstrower Fight Night: Rostocker Jure Praljak kämpft um Titel, auf: ostsee-zeitung.de (27.11.2024). ↩︎
  2. Bernstein, Bea: Gemeinsam mit Neonazis zum Wohl der Kinder, auf: belltower.news (8.12.2022). ↩︎
  3. Stepputat, Hannes: Diskussion um Kampfveranstaltung in Güstrow, auf: ndr.de (2.12.2023). ↩︎
  4. Grabowski, Robert: Güstrows Bürger boxen wieder für Güstrows Kinder, auf: nordkurier.de (15.11.2024). ↩︎
  5. Oben Rechts (Hg.): Benefiz-Veranstaltung mit Neonazi-Kadern, auf: oben-rechts.org (27.11.2024). ↩︎
  6. Allround Sport Gym (Hg.): Impressum, auf: allround-sport-ev.de. ↩︎
  7. Grabowski, Robert: Benefiz Fight Night in Güstrow geht in die dritte Runde, auf: nordkurier.de (17.7.2024) / Grabowski, Robert: Güstrows Bürger boxen wieder für Güstrows Kinder, auf: nordkurier.de (15.11.2024) / OZ (Hg.): Güstrower Busfahrer steigt mit 51 in den Boxring: „Schlau ist die Idee vielleicht nicht, aber geil!“, auf: ostsee-zeitung.de (28.11.2024). ↩︎
  8. Ehlers, Stefan: 22 Duelle bei Güstrower Fight Night: Rostocker Jure Praljak kämpft um Titel, auf:
    ostsee-zeitung.de (27.11.2024) / Barz, Benjamin u. a.: Danilo Albrecht gegen Thomas Bleeck bei der 15. Benefiz Fight Night (Kampf 19), auf: ostsee-zeitung.de (3.12.2023). ↩︎
  9. Grabowski, Robert: Güstrows Bürger boxen wieder für Güstrows Kinder, auf: nordkurier.de (15.11.2024). ↩︎

Autor:innen

  • Redakteurin in Greifswald

    Geboren in Berlin, aufgewachsen in Berlin und Brandenburg. Tauschte zum Studieren freiwillig Metropole gegen Metropölchen.

  • Bild von KATAPULT MV Redakeurin Victoria Flägel

    Redakteurin in Rostock

    Geboren in Rostock. Aufgewachsen in Rostock. Studierte in Rostock. Und Kiel.