Windkraft

Drei Fragen – drei Antworten … mit Johann-Georg Jaeger

Der Vorsitzende des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE MV), Windradbetreiber und Rostocker Bürgerschaftsmitglied Johann-Georg Jaeger (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im Interview über die Rolle der norddeutschen Bundesländer bei der Windenergie, Ausbauziele und stockende Genehmigungsverfahren. Das Interview wurde im Mai geführt.

KATAPULT MV: Wie steht MV im Vergleich zu anderen Bundesländern bei der Windkraft da?

Johann-Georg Jaeger: Wir haben in MV mit etwa sieben Milliarden Kilowattstunden einen sehr geringen Stromverbrauch. Und mit 1,6 Millionen Einwohnern ist MV eines der kleinsten Länder, hat aber im Verhältnis einen relativ hohen Anteil erneuerbarer Energien. In MV werden 200 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gewonnen. Dazu kommen noch die Sektoren Wärme und Verkehr. Aber Strom ist der Edelstein unter den Energieträgern, Strom wird die wichtigste Energieform sein, auch im ganzen Verkehr über E-Mobilität. Strom ist die zentrale Energieform der Zukunft.

Und zwei zentrale Formen davon sind Photovoltaik und Windkraft. Aus Sonne und Wind können wir was machen, das sind die einzigen erneuerbaren Energien im Strombereich, die wir massiv ausbauen können. Wir haben noch viele Dachflächen frei. Aber da der höchste Strombedarf in den Wintermonaten liegt, ist die Windkraft bei Strom spielentscheidend.

MV spielt innerhalb der Bundesrepublik eine große Rolle für die Energiewende. Ein Dorf zu versorgen, ist relativ einfach. Aber wir können Kohle nur abschalten, wenn wir die Industrie und Großräume wie Hamburg sicher mit Strom versorgen können. Und dafür brauchen wir die Flächenländer. Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die besten Windländer in Deutschland. In MV ist praktisch jeder Standort geeignet.

Weiter im Süden geht das eher auf Bergkuppen, Wind setzt Wind voraus. In Bayern setzt man vor allem auf Sonne. Bis vor Kurzem machte Bayern beim Windkraftausbau aber auch mit seiner 10H-Regelung dicht. Ein Windrad muss demnach das Zehnfache seiner Höhe Abstand halten zur Wohnbebauung, zu einem Dorf. Damit entfallen praktisch alle Standorte.

Wie viel schneller müsste der Ausbau vonstattengehen?

Die Bundesregierung hat da konkrete Zahlen: Wir haben gerade 55.000 Megawatt Windkraft an Land, der Endausbau soll bei knapp über 150.000 liegen, das ist das Dreifache. 10.000 Megawatt müssen wir also im Jahr zubauen.

Das heißt aber nicht, dass wir auch die Zahl der Windkraftanlagen von jetzt 30.000 auf dann 90.000 verdreifachen müssen. Alle neuen Windräder sind viel leistungsstärker, sodass wir im Endausbau auf 33.000 Windkraftanlagen kommen. Doch die sind auch größer, müssen daher mit mehr Abstand zueinander stehen. Und das erfordert mehr Fläche. Deswegen sollen zwei Prozent der Landfläche für Windkraft ausgewiesen werden, aktuell sind 0,7 Prozent bebaut.

Es gibt vier Planungsregionen in MV und erst eine ist nach mehr als zehn Jahren Planungszeit fertig mit der Ausweisung der Eignungsräume.

Warum dauern die Genehmigungsverfahren so lange?

Ein zentrales Thema ist die Verwaltungsspitze. Von der Ministerpräsidentin kommt kein Signal, dass Anträge mit Vorrang und zielstrebig zu genehmigen sind. Und so heißt es in der Verwaltung: prüfen, prüfen, prüfen. Dann wird überlegt, ob eine Genehmigung erteilt wird, es entsteht ein Gutachten-Pingpong.

Wenn alle Unterlagen vollständig abgegeben sind, entstehen Fristen für die Genehmigungsbehörde. Die Behörden bestätigen einfach nicht, dass die Unterlagen vollständig sind. Dann treffen die Behörden keine Entscheidung, sondern fordern lieber noch mal ein Gutachten. Man findet immer einen Grund, warum die Greifvögel noch mal zwei Jahre untersucht werden müssen. Außerdem lehnen Behörden auch aus Angst vor Klagen eher Anträge ab. Der Naturschutz hat mit dem Verbandsklagerecht gute Möglichkeiten, solche Genehmigungsprozesse aufzuhalten. So dauert ein Genehmigungsverfahren fünf bis sieben Jahre.

Und da geht es um Artenschutz, zum Beispiel vom Schwarzstorch. Aber in MV gibt es weniger als 15 Paare. Zu diesen ist ein absurd großer Abstand erforderlich. Obwohl er eher zu Fuß unterwegs ist. Nur zwei Schwarzstörche sind deutschlandweit nachweislich an Windrädern zu Schaden gekommen. Aber wir müssen die Art schützen, nicht jedes einzelne Individuum. Sonst muss ich auch den Straßenverkehr einstellen.

Die höchsten Todesraten von Vögeln gibt es durch Glasscheiben und Katzen. Aber bei Windkraft herrscht null Toleranz. Bisher sind erneuerbare Energien in der Debatte auch mit Naturschutz immer nur „nice to have“. Und genehmigt werden sie nur, wenn wirklich niemand was dagegen hat.

Wir brauchen einen funktionierenden Artenschutz, müssen aber auch die Windenergie ausbauen und die Population stattdessen an anderer Stelle schützen: Laut einem Experten, der 1.200 Rotmilane besendert hat, sind etwa zwei Prozent der Rotmilane an Windkraftanlagen ums Leben gekommen. Das ist nicht irrelevant. Wenn wir aber nach seinen Aussagen deren Nester besser vor Waschbären schützen, indem wir Brutbäume unten mit Manschetten umwickeln, könnten wir erheblich mehr als zwei Prozent Jungvögel schützen.

Ganz anders haben die Prozesse beispielsweise beim Tesla-Werk in Brandenburg funktioniert. Solche konzentrierten Genehmigungsverfahren könnte man natürlich auch für andere Projekte durchführen, die man für system- und sicherheitsrelevant hält: Wir wissen, dass die Anlagen kommen, über Ausgleichsmaßnahmen wird abgekoppelt diskutiert.

Mehr dazu: Kampf gegen Windmühlen

Dieses Interview erschien gekürzt in der gedruckten Ausgabe 8 von KATAPULT MV und kann im KATAPULT-Shop bestellt werden.

Autor:in

  • Bild von KATAPULT MV Redakeurin Victoria Flägel

    Redakteurin in Rostock

    Geboren in Rostock. Aufgewachsen in Rostock. Studierte in Rostock. Und Kiel.