„Das ist Spekulation“, antwortet Ulrike Seemann-Katz auf die Frage nach der erwarteten Zahl an Geflüchteten in Mecklenburg-Vorpommern. Die Vorsitzende des Flüchtlingsrats MV erklärt, dass viele Ukrainer:innen vermutlich in Polen bleiben wollen, da „die ukrainische Sprache nahe an der polnischen ist und da Polen bereits eine große ukrainische Community hat“. Auch der weitere Verlauf des Krieges werde die Zahl der Flüchtenden beeinflussen.
Nach Schätzungen des Bundes könnten bis zu fünf Millionen Menschen die Ukraine im Zuge des Kriegs verlassen. Nach Deutschland würden dann bis zu einer Million Ukrainer:innen fliehen. „Aus meiner Sicht ist das aber Spekulation und ganz sicher werden nicht jetzt alle auf einmal kommen“, wiederholt Seemann-Katz.
Bis zu 1.000 zusätzliche Unterkünfte
Die Erstaufnahmeeinrichtungen Stern Buchholz bei Schwerin und Nostorf-Horst sind aktuell nahezu voll belegt. Alleine durch die Hygienemaßnahmen wegen der Corona-Pandemie können in Stern Buchholz aktuell nur halb so viele Menschen untergebracht werden wie sonst. Für Stern Buchholz will das Land zusätzliche Kapazitäten für 165 Menschen schaffen, indem ein weiteres Gebäude angemietet und saniert wird. Weitere 80 Plätze sollen im Juli zur Verfügung stehen.
Die Landesregierung hat die Landkreise und kreisfreien Städte außerdem am Donnerstag in einem Krisenstab gebeten, jeweils 100 zusätzliche Plätze für Geflüchtete bereitzustellen. „In der Summe wäre damit zeitnah eine zusätzliche Gesamtaufnahmekapazität von bis zu 1.000 Menschen aus der Ukraine möglich“, heißt es vom Landesinnenministerium. Dass Privatpersonen freie Ferienwohnungen, leere Wohnungen oder andere Unterkünfte anbieten, sei bisher nicht erforderlich.
Kreise und Städte bereiten sich vor
„Die Zahl ist durchaus realistisch und zeitnah umsetzbar“, heißt es vom Landkreis Vorpommern-Greifswald. Auch Greifswalds Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Bündnis 90/Die Grünen) hat die Hilfe der Stadt bei der Aufnahme von Flüchtenden angeboten. „Als sicherer Hafen stehen wir bereit, Flüchtende aus der Ukraine aufzunehmen.“ Außerdem würde auch die Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft Greifswald (WVG) bei der Unterbringung Geflüchteter unterstützen.
Auch Neubrandenburg und Schwerin bereiten sich zusammen mit den städtischen Wohnungsunternehmen auf die Aufnahme von Geflüchteten vor. In Schwerin werden 25 Plätze für Familien mit Kindern in möblierten Wohnungen der kommunalen Wohnungsgesellschaft bereitgestellt sowie weitere für Einzelpersonen in zwei Jugendherbergen. Auch die kommunalen Sozialämter bemühen sich laut Seemann-Katz derzeit um neue Aufnahmekapazitäten, Übergangsunterbringungen und Mietwohnungen.
Etwa 4.000 Ukrainer:innen leben in Mecklenburg-Vorpommern. 2.300 von ihnen sind nach der russischen Annexion der Krim 2014 und 2015 nach MV geflohen. 700 von ihnen sind derzeit eigentlich ausreisepflichtig. Doch am Donnerstag haben Bund und Länder einen Abschiebestopp für Menschen aus der Ukraine beschlossen. Bei zwei Personen wurde die für Anfang März geplante Abschiebung in die Ukraine gestoppt. „Aber Duldungsstatus und Arbeitsverbote bestehen teilweise trotzdem noch“, räumt Seemann-Katz ein. Sie fordert daher Aufenthaltserlaubnisse für die Betroffenen und eine Aufhebung der Arbeitsverbote.
Ukrainer:innen können 90 Tage visumsfrei nach Deutschland einreisen. Auch diese Frist kann für Betroffene nun auf deren Antrag hin verdoppelt werden.
Flüchtende werden in Deutschland über ein Quotensystem nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft auf die Bundesländer verteilt. Für MV beträgt diese Quote zwei Prozent. Werden Asylanträge gestellt, wird nach Herkunftsländern auf die Bundesländer verteilt, erklärt Seemann-Katz. Mecklenburg-Vorpommern ist mit Bayern zusammen für die Menschen aus der Ukraine zuständig.
„Derzeit gibt es aber auf europäischer Ebene eine Diskussion, ob es nicht vorübergehenden Schutz aufgrund der EU-Massenfluchtrichtlinie geben könnte. Dann würde die Aufnahme am Asylsystem vorbei erfolgen“, erklärt Seemann-Katz. So könnten genau bezeichnete Personengruppen eine Aufenthaltserlaubnis von bis zu drei Jahren erhalten. Allerdings wurde die genannte EU-Richtlinie bisher noch nie aktiviert – auch nicht bei der Flüchtlingswelle 2015.
Sachspenden werden lokal vor Ort gesammelt und verteilt. Geldspenden hingegen können an den Flüchtlingsrat MV unter dem Stichwort „Ukraine“ gerichtet werden:
Bank für SozialwirtschaftIBAN: DE12 1002 0500 0001 1943 02BIC: BFSWDE33BER
Mit den Spenden finanziert der Flüchtlingsrat beispielsweise den Willkommen!-Fonds, der unbürokratisch Ausgaben zur Integration finanziert. Wer selbst Unterstützung braucht, kann sich an den Flüchtlingsrat wenden.
Quellen
- E-Mail von Ulrike Seemann-Katz vom 25.2.2022.↩
- NDR (Hg.): Erstaufnahmeeinrichtung in Stern Buchholz wegen Corona voll belegt, auf: ndr.de (10.2.2022).↩
- Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung MV (Hg.): Aktuelle Themen, auf: regierung-mv.de.↩
- E-Mail von Renate Gundlach vom 25.2.2022.↩
- E-Mail von Achim Froitzheim vom 25.2.2022.↩
- Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Hg.): Greifswald übt Solidarität mit der Ukraine, auf: greifswald.de (24.2.2022).↩
- E-Mail von Michaela Christen vom 25.2.2022.↩
- Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg (Hg.): Statement Oberbürgermeister Silvio Witt zur militärischen Invasion in der Ukraine, auf: neubrandenburg.de (25.2.2022).↩
- Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung MV (Hg.): Aktuelle Themen, auf: regierung-mv.de.↩
- Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung MV (Hg.): Krisenstab des Landes beriet kurzfristig zur Ukraine-Krise, auf: regierung-mv.de (24.2.2022).↩
- Bundesamt für Migration und Geflüchtete (Hg.): Erstverteilung der Asylsuchenden (EASY), auf: bamf.de (2.2.2022).↩
- Bölck, Anja: Kommt es zu einer Flüchtlingswelle aus der Ukraine nach MV?, auf: svz.de (23.2.2022).↩
- Rbb24.de (Hg.): So ist die Rechtslage für Ukrainer, die nach Deutschland flüchten, auf: rbb24.de (24.2.2022).↩