Die Demonstration verlief friedlich. Die Polizei spricht von circa 2.500 Teilnehmer:innen in der Spitze auf dem Marktplatz und 300 Fahrzeugen beim Autokorso. Eigene Zählungen von KATAPULT MV ergaben eine Teilnehmer:innenzahl von etwa 2.100. Laut Polizei waren 120 Beamt:innen im Einsatz.
Die Versammlung begann verspätet, da zunächst noch zu wenige Ordner:innen vorhanden waren. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) war eine der ersten Redner:innen. Sie dankte in ihrer Rede den Organisator:innen für die Einladung und äußerte Verständnis für die Sorgen der Unternehmer:innen. Ihr Engagement für die Gaspipeline Nord Stream 2, für das sie vor allem in den letzten Monaten stark in die Kritik geraten war, erklärte sie mit der angestrebten Versorgungssicherheit der Bevölkerung. Gleichzeitig betonte sie, dass Russland kein zuverlässiger Gaslieferant mehr sei, und verurteilte den Angriff auf die Ukraine. Dafür erntete sie laute Buhrufe und Pfiffe, Teile des Publikums kehrten ihr aus Protest den Rücken zu, einzelne skandierten „Nord Stream 2“ und „Volksverräter“.
Demonstrierende mehrheitlich aus Unternehmerkreisen
Zu dem Protest aufgerufen hatte die Initiative Unternehmeraufstand MV, ein loser Verbund aus lokalen Unternehmer:innen unter der Leitung von Bestattungsunternehmerin Doreen Peter und Maler- und Lackierermeister Mike Regner. Peter warnte zu Beginn vor Anwesenden, die die Bewegung zu unterwandern versuchten: „Die werden wir erkennen.“ Tatsächlich war das Publikum im Vergleich zu vergangenen Demonstrationen wie etwa in Lubmin deutlich gemäßigter. Die Demonstrierenden stammten mehrheitlich aus dem Kreis der Unternehmer:innen oder Handwerker:innen. Viele waren mit Angestellten vor Ort. Vereinzelt gab es Russlandflaggen oder Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund. So trug eine Teilnehmerin ein Plakat des als rechtsextrem eingestuften Magazins Compact, ein weiterer einen Pullover der rechtsextremen Hooligan-Band Kategorie C. Das Kennzeichen eines Korso-Teilnehmers endete mit A 88. Bloß ein Geburtsjahr oder doch ein rechter Szenecode? Die 88 wird in rechtsextremen Kreisen als Erkennungszeichen verwendet. Sie steht für HH – Heil Hitler.
Protest mit Verbindung in die Querdenker-Szene
Obwohl die Initiative Unternehmeraufstand MV sich auf ihrer Internetseite als überparteilich bezeichnet und eine Nähe zur „Querdenken“-Bewegung dementiert, war diese bei der gestrigen Demonstration nicht zu übersehen. So hing direkt auf der Bühne das Banner des Netzwerks Humane Medizin. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Menschen aus dem Gesundheitssektor, der auf seiner Website sowohl Verschwörungstheorien als auch Falschinformationen über Impfungen verbreitet. Mit 7 Türme Medien war zudem ein sogenanntes „alternatives Medium“ vor Ort, welches auf dem Messengerdienst Telegram eine ganze Bandbreite an Verschwörungsmythen teilt – ob über Impfungen, den Ukrainekrieg oder einen angeblichen Bevölkerungsaustausch, den sogenannten Great Reset.
Gleichzeitig hatten bekannte Gesichter der Querdenker-Szene aus Neubrandenburg über ihre Telegramkanäle für die Demo mobilisiert. Man habe sich wegen deren Erfahrung im Organisieren von Protesten Hilfe bei den Veranstalter:innen der Corona-Demos gesucht, erklärten die Organisator:innen. Ersichtlich wurde dies beispielsweise an der Anwesenheit und prominenten Rolle von Robert F., der schon lange vor Beginn des Ukrainekrieges Demonstrationen gegen die Bundesregierung und deren Corona-Maßnahmen veranstaltet hatte.
Und auch die Forderungen überschneiden sich deutlich: von der Öffnung von Nord Stream 2 über den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine bis hin zu sofortigen Neuwahlen. In mehreren Redebeiträgen wurde Russland als Opfer der Nato-Expansion bezeichnet, der Ukraine und anderen Akteuren die Schuld für den Angriff zugeschrieben. Ramona Heide, eine in Neubrandenburg ansässige Immobilienverwalterin, griff in ihrer Rede zudem den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an: Sie fühle sich durch diesen „verdummt und manipuliert“. Lobende Worte fand sie hingegen für den Nordkurier. Organisator Mike Regner wollte zudem sichergehen, dass KATAPULT MV nicht „von der falschen Seite“ komme, bevor er zu einem Gespräch bereit war.
Insgesamt zogen die Organisator:innen eine positive Bilanz ihrer Veranstaltung und zeigten sich mit der Resonanz sehr zufrieden. Man habe tatsächlich gar nicht so viel Zuspruch erwartet, so Regner. Für die Zukunft seien bereits weitere Proteste geplant, kündigte etwa Robert F. auf der Veranstaltungsbühne an: „Von einem Mal wird das nicht besser! Wir müssen durchhalten und Gesicht zeigen!“