Schon morgens um neun begann heute die bereits elfte Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Stiftung Klima und Umweltschutz MV. Ausschussvorsitzender Sebastian Ehlers (CDU) formulierte seine Erwartungen an die heutige Zeugenbefragung so: „Beide Unternehmen“ – gemeint waren die Arbeitgeber der Zeugen – „investierten, wie auch drei weitere westeuropäische Konzerne, jeweils knapp eine Milliarde Euro in den Bau der Ostseepipeline. Es wird interessant sein, von den Zeugen zu erfahren, auf Grundlage welcher Daten und welcher Zukunftserwartungen in ihren Unternehmen entschieden wurde, so hohe Summen in dieses Projekt zu investieren.“
Bessere Position durch Pipelines?
Erster Zeuge in der heutigen Anhörung war Thilo Wieland. Er ist Vorstandsmitglied der Wintershall Dea AG, eines Rohöl- und Erdgasunternehmens mit Sitz in Kassel, das in zwölf Ländern weltweit aktiv ist. Der Wirtschaftsingenieur war zuständig für die Geschäftsbeziehungen mit Russland, nun für Lateinamerika sowie das Transportwesen. Unter anderem war er verantwortlich für beide Nord-Stream-Pipelines und andere Gastransportprojekte. Seit 2015 ist Wieland Teil des Wintershall-Vorstands. Er vertritt zudem die Interessen der Branche als Aufsichtsratsmitglied des Europäischen Gasindustrieverbandes (Eurogas) in Brüssel und ist Mitglied im Aufsichtsrat des Lobbyverbandes Zukunft Gas in Berlin.
Wieland begründete das geschäftliche Engagement von Wintershall Dea bei Nord Stream 2 mit der rückläufigen Gasproduktion in Europa und der Versorgungssicherheit für Industrie und Haushalte. Nord Stream 1 sei in den letzten Jahren unter Volllast gefahren worden. Um die Energiewende zu schaffen, sei das zusätzliche Gas nötig gewesen. Der Ökonom gab als eine Begründung für den Bau von Nord Stream 2 an, dass nach damaligem Verständnis – also 2017 – der Gasimporteur durch Pipelines in einer „besseren Verhandlungsposition“ gewesen sei. LNG-Tanker könnten noch kurz vor der Anlegestelle mit ihrer Ladung wieder abdrehen. Der Transport durch eine Pipeline dagegen sei effizienter, umweltschonender und mache wirtschaftlich Sinn. Auf die Frage, ob die Pipeline für Lieferanten und Abnehmer zu gleichen Teilen ein Vorteil sei oder ob nicht der Abnehmer mehr leide, wenn das Geschäft beendet wird, gab Wieland den Hinweis, dass das russische Gas zu der Zeit sehr wettbewerbsfähig gewesen sei. Kontakte zur Landesregierung in MV habe er nicht gehabt, auch nicht zu Parteienvertreter:innen. Ebensowenig habe man mit der Klimastiftung kooperiert. Seit dem Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine habe das Unternehmen keinen Cent mehr in Russland verdient, sieben Milliarden Euro abgeschrieben und vor drei Tagen angekündigt, sämtliche Aktivitäten einzustellen.
Unterstützung von ganz oben
Als zweiter Zeuge war Klaus-Dieter Maubach vorgeladen, seit knapp zwei Jahren Vorstandsvorsitzender des Energieunternehmens Uniper SE. Der Konzern hat seinen Sitz in Düsseldorf und ist seit Dezember 2022 ein staatliches Unternehmen. Die europäische Aktiengesellschaft ist in mehr als 40 Ländern aktiv und für die Energieversorgung in Europa zuständig, in der Vergangenheit auch in Russland. Uniper beliefert Kommunen und Stadtwerke mit Gas und ist auch im weltweiten Energiehandel aktiv. Maubach war zudem unter anderem Vorstandsvorsitzender der Encavis AG, eines Solarpark- und Offshore-Unternehmens, sowie des Kraftwerksbetreibers Eon. Außerdem ist er Aufsichtsratsmitglied beim Technologiekonzern ABB Deutschland.
Befragt nach den Geschäftsbeziehungen zwischen Uniper und dem russischen Staatskonzern Gazprom, verwies Maubach auf eine jahrzehntelange strategische Partnerschaft. In den Siebzigerjahren sei die Kooperation mit russischen Gaslieferanten Teil der Entspannungspolitik der Bundesregierung gewesen. Die Entscheidung von Uniper, sich an Nord Stream 2 als Investor zu beteiligen, sei 2017 getroffen worden. Grundlage damals: die bis dahin gewohnte Zuverlässigkeit der russischen Gaslieferungen und die Möglichkeit, Transportkapazitäten auszuweiten, um so die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Maubach führte aus: „Für uns war es immer wichtig, dass die damalige Bundeskanzlerin das Projekt unterstützt. Wir haben beobachtet, ob sie sich unter dem Druck der USA von dem Projekt distanziert, was sie meiner Wahrnehmung nach nicht getan hat.“. Schon im Herbst 2021 hätte der Uniper-Vorstand beschlossen, sich aus dem Russlandgeschäft zurückzuziehen. Konkret nach den Beziehungen zwischen Uniper und der Klimastiftung befragt, sagte Maubach, er habe keinen Kontakt zur Stiftung gehabt und es habe auch seines Wissens keine geschäftlichen Beziehungen gegeben.
Nächste Anhörungen im März
Weitere Zeug:innen im Untersuchungsausschuss sind die Sachverständige Claudia Kemfert vom DIW Berlin und Gaslobbyist und ehemaliges Bundestagsmitglied Friedbert Pflüger (CDU). Ihre Anhörung ist am 10. März geplant.
Fazit des Autors
Der Erwartung des Ausschussvorsitzenden Sebastian Ehlers (CDU), etwas über die Beweggründe für die damaligen Investitionen der beiden Konzerne zu erfahren, haben die beiden Manager in ihrer eigenen Sprache entsprochen. Manager sind dazu da, ihren Unternehmen Profite zu sichern. Sie brauchen dazu die Unterstützung der Politik und die hatten sie lange Zeit. Das Ziel des parlamentarischen Untersuchungsausschusses aber ist es nicht, Gegenwartsgeschichte mit ökonomischem Fokus zu diskutieren. Er wird die Rolle der Klimastiftung in weiteren Anhörungen klären müssen.
Quellen
- Landtag MV (Hg.): Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Stiftung Klima und Umweltschutz MV setzt Arbeit mit Zeugenvernehmung fort, auf: landtag-mv.de (17.1.2023).↩
- Zukunft Gas (Hg.): Verbandsprofil, auf: gas.info.↩
- Wintershall Dea (Hg.): Wintershall Dea verlässt Russland, auf: wintershalldea.com (17.1.2023).↩