1992 trafen sich Hobbyfußballer zum wöchentlichen Freizeitkick auf einem alten Platz neben der Greifswalder Jugendherberge und entschlossen sich nach einigen spannenden Duellen mit Teams aus der Nachbarschaft, den Fußball in Vorpommern aufzumischen. Bei der Namensfindung half der Zufall: Gründungsmitglied Jan Breitsprecher musste derart herzhaft über einen Witz lachen, dass dieses Lachen an das Wiehern eines Hengstes erinnerte. Der Name der Greifswalder Hengste war gefunden. Um sich der kritischen Sportwelt auf seriöser Ebene entgegenzustellen, erfolgte 2006 der Namenswechsel zu HFC Greifswald 92. Das Kürzel lässt vermuten, dass man sich nicht komplett von den „Hengsten“ trennen wollte – ein Kompromiss zur Identitätserhaltung.
„Mittlerweile gehört unser Verein mit seinen 230 Mitgliedern zu den größten Vereinen in Greifswald“, sagt Vorstandsmitglied Felix Ropella-Szneider. Drei Herren- und fünf Jugendmannschaften sorgen für regen Betrieb auf dem Sportplatz. Was den Hengsten fehlt: eine Frauen- und Mädchensparte. 2010 gab es noch eine Spielgemeinschaft mit den Damen vom Greifswalder SV 04. 2016 lief die Sonderregelung des Landesfußballverbands zum Betrieb der Spielgemeinschaft jedoch ab, sodass die Frauen zum Greifswalder FC wechselten und der HFC fortan kein Frauenteam mehr stellen konnte.
Dennoch ist nun eines der neuesten Mitglieder Anna Geßner. Sie ist Medizinstudentin an der Universität Greifswald und spielt seit ihrer Jugend Fußball. Vom TSV Bremerode ging es für die gebürtige Hannoveranerin zur TSG Ahlten, wo sie in der U17-Mannschaft Bundesligaluft schnuppern konnte. Nach längerer Spielpause fand sie im September letzten Jahres beim HFC ihre neue Fußballheimat. Das Besondere daran: Anna ist somit Mitglied einer Herrenmannschaft in der Kreisoberliga und seit November letzten Jahres per Sonderregelung spielberechtigt. Damit darf sie als erste Frau in MV mit und gegen Männer am aktiven Spielbetrieb teilnehmen. Am 5. März ist sie beim Pflichtspiel der „Hengste“ gegen den SV Fichte Greifswald dabei.
Anna Geßner ist dabei zwar die erste, aber nicht mehr die einzige Frau mit Spielrecht in einer Männermannschaft: Der Sportverein aus Viereck, einer Gemeinde südlich von Torgelow, hat laut dem Landesfußballverband kurz nach der Bestätigung Geßners für vier Frauen ebenfalls das Sonderspielrecht bekommen. Auch sie könnten noch im März mit Beginn des Pflichtspielbetriebs für den Vierecker SV zum Einsatz kommen.
Frauen und Mädchen bisher nur in Jungenteams
Vor dem 17. September durften Frauen und Mädchen nur in Jungenmannschaften auflaufen oder in Freundschaftsspielen der Herrenmannschaften. Alternativ konnten Frauen und Mädchen per Zweitspielrecht in einem anderen Verein mit Mädchen- und Frauensparte kicken, statt in ihrem Stammverein.
Diese Möglichkeiten nutzen viele. Zwar haben von insgesamt 475 Vereinen mit Fußballabteilungen in Meck-Vorp nur 30 Vereine insgesamt 37 Frauenteams und 12 insgesamt 30 Mädchenteams, doch bei 53 Prozent der Klubs ohne eigene Frauen- und/oder Mädchenmannschaften sind Spielerinnen registriert, die entweder in einem Team eines anderen Vereins oder in der eigenen Jungenmannschaft kicken. Damit kommen aktuell 43 Prozent der Vereine in MV ganz ohne Frauen aus.
Bisher sind die Zahlen zu weiblichen Mitgliedern und Spielerinnen im Fußball in MV eher ernüchternd: Während deutschlandweit knapp 16 Prozent der Mitglieder im Deutschen Fußball-Bund, dem größten nationalen Sportfachverband der Welt, weiblich sind, sind es in MV lediglich neun Prozent.
Der Landesfußballverband sieht darin „ein großes Entwicklungspotenzial“, wie es Pressesprecher Robert French ausdrückt. Besonderes Augenmerk lege der Verband darauf, die Klubs selbst für die Potenziale und Chancen des Frauen- und Mädchenfußballs zu sensibilisieren: „Denn die nachhaltige Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs ist schlussendlich sehr eng gekoppelt mit den Entscheidungen und allen voran der Bereitschaft an der Basis. Hier skizziert sich aber in den letzten Wochen und Monaten ein deutlich freundlicheres Bild.“ Auch der FC Hansa Rostock hat angekündigt, nach 30 Jahren wieder eine Frauen- und Mädchensparte zu gründen.
Update: Anna Geßner spielt auch in der Saison 2023/24 beim HFC, der dann in der Kreisliga antreten wird. Im letzten Spiel der Saison 2022/23 stand Geßner gegen die zweite Mannschaft des FSV Blau-Weiß Greifswald in der Startaufstellung. KATAPULT MV sprach im März mit Anna Geßner über das Fußballspielen in einer Männermannschaft und wie es ist, eine Vorreiterin zu sein. Zum Interview
Ab der Saison 2023/24 spielen die Hansa-Frauen in der Verbandsliga Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem wird ein Nachwuchsteam in der Altersklasse der D-Juniorinnen aufgebaut. Dieses spielt zunächst in einer Liga mit Jungen-Teams und wird zusätzlich an Turnierrunden für Mädchen-Teams in MV teilnehmen.
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 17 von KATAPULT MV.
Quellen
- E-Mail vom Landesfußballverband MV vom 7.2.2023.↩
- E-Mail vom Landesfußballverband MV vom 27.1.2023.↩
- E-Mail vom Landesfußballverband MV vom 7.2.2023.↩
- Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (Hg.): Deutscher Fussball-Bund (DFB), auf: b-b-e.de.↩
- DFB (Hg.): DFB-Mitgliederstatistik 2021/2022, auf: dfb.de.↩
- E-Mail vom Landesfußballverband MV vom 27.1.2023.↩
- Ebd.↩
- Flägel, Victoria; Hübbe, Morten: Endlich Frauenfußball bei Hansa?, auf: katapult-mv.de (20.1.2023) / DPA (Hg.): Hansa Rostock plant Einstieg in den Frauenfußball (24.1.2023).↩
- F. C. Hansa Rostock (Hg.): Kommende Saison geht’s los: Frauen- und Mädchenfußball beim F.C. Hansa, auf: fc-hansa.de (3.3.2023).↩