Marek Zygmunt und sein fünfköpfiges Team bekommen schon jetzt hoffnungsvolle Anrufe. Frauen hätten von ihrer Forschung gehört und würden sich für erste potenzielle Versuche anbieten. Sie müsse er aktuell leider noch vertrösten, bedauert Zygmunt. Bis es soweit ist, werde es noch einige Jahre dauern. Überzeugt davon, einen entscheidenden Schritt in der Frauenheilkunde zu machen, ist er aber dennoch.
Sein Forschungsteam an der Universitätsfrauenklinik Greifswald beschäftigt sich seit Jahren mit der Behandlung von hormonell bedingten Erkrankungen. Endometriose ist dabei nur ein Aspekt.
Dabei handelt es sich um eine chronische Erkrankung, bei der gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe produziert wird, jedoch außerhalb der Gebärmutter. Es entstehen zum Teil sehr schmerzhafte Entzündungsherde. Ihre Ursache ist bisher unklar, ebenso die Heilung. Es gebe so viele Faktoren, die zum Teil noch gar nicht erforscht sind. Daher bekommen Betroffene ihre Diagnosen oft sehr spät. Im Fall einer Endometriose sind es meist acht, manchmal sogar bis zu zehn Jahre. „Einige der Patientinnen können nicht schwanger werden, andere haben enorme Schmerzen“, erklärt er, „und wieder andere beides“. Etwa jede zehnte Menstruierende ist betroffen. Die Dunkelziffer vermuten Expert:innen weitaus höher. Das Problem seien die Symptome. Diese wären „so untypisch wie ein Chamäleon“. Häufig sei der Eileiter betroffen. Wenn er durch Entzündungen oder Bakterien, wie Chlamydien, verschlossen oder verklebt wird, kann sich das befruchtete Ei nicht einnisten oder bleibt im Eileiter hängen. Das würde zu einer Bauchhöhlenschwangerschaft führen, die operativ entfernt werden muss.
Idee aus der Kardiologie
Die Idee zum neuen Forschungsansatz in der Frauenheilkunde hatte Professor Zygmunt gemeinsam mit dem Rostocker Ingenieurwissenschaftler Klaus-Peter Schmitz, Direktor des Instituts für Implantattechnologie und Biomaterialien an der Uni Rostock. Er forscht an der Verbesserung für Stents – also Gefäßimplantaten – bei Herzkrankheiten. Die Produktionen in Rostock-Warnemünde gelten deutschlandweit als besonders innovativ. In einem Gespräch beider Wissenschaftler vor vier Jahren kam ihnen der Gedanke, warum solche Stents nicht auch für die Frauenheilkunde genutzt werden könnten, erinnert sich Zygmunt.
Sie könnten mit Substanzen gegen Entzündungen ausgestattet werden, die lokal freigesetzt werden. Damit könnte eine Medikation mit Tabletten ausbleiben. Im Körper selbst lösen sich die Stents nach einiger Zeit auf. So kann der Eileiter wieder durchlässig gemacht werden.
Mögliche Alternative zur künstlichen Befruchtung
Um die genauen Prozesse mit ersten Prototypen zu erforschen, arbeiten Ingenieur:innen und Expert:innen aus Radiologie und Frauenheilkunde gemeinsam an den vorklinischen Experimenten.
Ein großer Schritt – auch für die Frauenheilkunde selbst, die laut Zygmunt lange Jahre nicht im Fokus der Forschung stand. Bis 1978 gab es nur wenige Erkenntnisse, etwa über die Funktion und Auswirkungen des Eileiters. Dann kam die Innovation und die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung. Eine Alternative dazu gibt es bis heute aber nicht. „Nicht alle Frauen wollen dieses Prozedere, aus religiösen Gründen oder weil zu viele Medikamente für die Behandlung gebraucht werden“, erklärt der Mediziner. Mit einem neuartigen Implantat könnte die Schwangerschaft natürlicher ablaufen und eine Entwicklung des befruchteten Eies im Eileiter bestehen bleiben. Denn bereits nachgewiesen werden konnte, dass sich das positiv auf die Gesundheit des Ungeborenen auswirken kann.
Außerdem erhofft sich das Team durch die Erforschung weiterer Faktoren neue Erkenntnisse zu Krebserkrankungen und Auswirkungen von Hormonen und Enzymen auf den ganzen Körper.
Endometriose deutschlandweit immer stärker im Fokus
Der Stent ist bereits als Patent angemeldet worden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Projekt finanziell. Insgesamt werden deutschlandweit fünf Verbünde zur besseren Erforschung von Endometriose durch die Bundesregierung gefördert. Und das wird auch benötigt, sagt Professor Zygmunt, um weiterforschen zu können, die Krankheit schneller zu erkennen und besser zu behandeln.
Das Implantat-Projekt aus MV soll keine falschen Hoffnungen machen, betont der Mediziner. Eine Garantie auf eine erfolgreiche Schwangerschaft kann nicht gegeben werden. Aber es kann für alle, die es bisher nicht geschafft haben, eine neue Möglichkeit sein.
Mehr zum Thema Endometriose und wie die Versorgungslage in Mecklenburg-Vorpommern aussieht, lest ihr im weiterführenden Artikel: Die Schmerzen sind eben nicht „normal“.
Quellen
- Telefonat mit Prof. Dr. Marek Zygmunt am 1.10.2024.↩
- Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. (Hg.): Was ist Endometriose?, auf:endometriose-vereinigung.de. ↩
- Bundesministerium für Gesundheit (Hg.): Endometriose, auf: gesund.bund.de.↩
- Institut für ImplantatTechnologie und Biomaterialien e.V. (Hg.): Ehrung besonderer Persönlichkeiten – Prof. Dr.-Ing. Klaus-Peter Schmitz wird mit dem Preis „Macher30 – der Ehrenpreis des Ostens“ ausgezeichnet, auf: iib-ev.de.↩
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Endometriose: „Chamäleon der Gynäkologie“ wird erforscht, auf: gesundheitsforschung-bmbf.de (10.9.2024).↩