Sie haben die Parteiprogramme analysiert, Themen ausgewählt und die passenden Kandidat:innen zur Bundestagswahl geladen, um mit Unternehmer:innen der Region über die Wirtschaft zu reden: die IHK zu Rostock, die Kreishandwerkerschaft Nordvorpommern und die Stralsunder Mittelstandsvereinigung.
70 Gäste aus der regionalen Wirtschaft sind am Dienstagabend zum Stralsunder IHK-Wahlforum anlässlich der Bundestagswahlen ins Stralsunder Ozeaneum gekommen. Auf dem Podium: Sebastian Adler (FDP), Georg Günther (CDU), Claudia Müller (Grüne) und Leif-Erik Holm (AfD). Nicht erschienen: Kerstin Kassner (Die Linke) und Anna Katharina Kassautzki (SPD). Von den Moderatoren entschuldigt mit den Worten: „Leider keine Zeit.“ Zuvor hatten SPD und Linke um den Schulterschluss mit CDU und Grünen gebeten, „Faschisten in Vorpommern-Rügen keine Bühne zu bieten“ und aufgrund der AfD-Zusage von der Teilnahme am Wahlforum abzusehen. Dies sei die erste Podiumsdiskussion, die sie im Wahlkampf habe absagen müssen, so Kassautzki.
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Vier von sechs Kandidat:innen saßen am Ende auf dem Podium im Tagungsraum des Ozeaneums: jene von CDU, FDP, AfD und Grünen, moderiert von Klaus-Jürgen Strupp, Präsident der IHK zu Rostock, und seinem Vize Torsten Grundke. Zwei Stunden IHK-Fragen und Bürgerdialog mit regionalen Unternehmer:innen waren geplant. Der Bedarf war da für mindestens zweieinhalb Stunden. Wären SPD und Linke dabei gewesen, wäre die jeweilige Redezeit der Kandidat:innen und Zeit für Fragen aus dem Publikum noch kürzer gewesen.
Unternehmer:innen befragen Kandidat:innen aus Wahlkreis 15
Die Gäste befragten die Kandidat:innen zu Themen wie Digitalisierung, Entbürokratisierung, Steuern, Werft- und Industriepolitik, stationärem Einzelhandel, Innenstädte und Onlinehandel, Fachkräfte, Bildung, demografischer Wandel und der Zukunft der Wirtschaft.
In Meck-Vorp müsse sich die Politik mit der Wirtschaft einigen Problemen stellen, so der Tenor des moderierenden IHK-Präsidenten Strupp und seines Vizes Grundke. So würden in Meck-Vorp nur 41 von 100 Menschen in der Industrie arbeiten. Laut Strupp sei Meck-Vorp damit im Bundesvergleich deutlich unterrepräsentiert. Auch der Fachkräfte- und der Azubimangel verschärften das Problem. Über 600 Ausbildungsplätze seien allein in Stralsund für das aktuelle Jahr noch nicht besetzt – vom Fachkräftemangel auf Rügen ganz zu schweigen. Ein bunter Strauß von Fragen zu allen möglichen wirtschaftlichen Herausforderungen verlangte von den Kandidat:innen Ad-hoc-Antworten in zwei Minuten pro Person.
Wir haben die Antworten eurer möglicherweise zukünftigen Volksvertreter:innen mal kurz zusammengefasst:
Georg Günther: Der junge CDUler, der so oft mit Merkel verglichen wird (CDU-Listenplatz 4, geboren 1988 in Greifswald)
- Lokalo und kennt die Region „wie seine Westentasche“
- versteht was von Steuern
- arbeitet im Stralsunder Finanzamt und will auch deshalb ganz dringend eine Digitalisierung und Entbürokratisierung der Verwaltung
- will bei Werften mehr auf nationale Ausschreibungen setzen
- menschengemachter Klimawandel ist für ihn real
- Landwirtschaft: „Es gibt auch Beispiele, wo die Milchtankstelle nicht geklappt hat“
- Ladenschlussgesetze: will auf Lebenswirklichkeiten reagieren (sonntags auf!)
- für eine bessere Ausstattung der Berufsschulen sowie mehr Zusammenarbeit zwischen Handwerksbetrieben und Schulen
Sebastian Adler: Der Unternehmertyp (FDP-Listenplatz 3, geboren 1984 in Greifswald)
- selbst Unternehmer
- versteht auch was von Steuern
- braucht ‘ne Perspektive für die Werften: „Wir verbrennen das Geld eigentlich jedes Jahr für die Werften“
- will Steuergeld eher in andere, langfristige Industriearbeitsplätze stecken
- weiß, dass Meck-Vorp „das Know-how und die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien hat“
- auch günstiger zu produzieren und Energie zwischenzuspeichern ist für Adler kein Problem. Denn es sichere langfristig Industriearbeitsplätze
- schlägt ein neues Mindset für Bauern vor: Landwirt:innen sind auch Business-People und brauchen mehr Marketing
- Ladenschlussgesetz: „Wäre nett, wenn ich meinen Einkauf auch am Sonntag und zu späteren Uhrzeiten erledigen könnte“
- „Man darf sich der Illusion nicht mehr hingeben, dass wir die Konkurrenz mit China noch aufholen“, man müsse anfangen, bei der Digitalisierung erst mal loszulegen, sonst finde Meck-Vorp nie den Anschluss
- hat mit der FDP das ausführlichste Wahlprogramm zur beruflichen Bildung vorgelegt
- sieht ein grundsätzliches Problem mit dem gesellschaftlichen Stellenwert der Berufsausbildungen
Claudia Müller, die Grüne aus dem Bundestag (Grünen-Listenplatz 1, geboren 1981 in Rostock)
- wie Holm seit vier Jahren im Bundestag
- im Bundestag Mittelstandsbeauftragte und unter anderem im Unterausschuss Regionale Wirtschaftspolitik, Sprecherin für maritime Wirtschaft und der Arbeitsgruppe Ost
- findet, in Berlin wird sich zu sehr auf große Unternehmen konzentriert
- will kleine und mittelständische Unternehmer:innen mehr in den Fokus rücken
- hat laut IHK-Präsident „das klimapolitisch ambitionierteste Wahlprogramm“
- will „ohne Zickzackkurse verlässliche Ziele abstecken“
- schlägt gegen das Aussterben der Innenstädte mehr Kultur, Bars und Kneipen vor
- glaubt, China wird vor Deutschland klimaneutral, wenn wir uns nicht beeilen
- für sie eine entscheidende Frage: Wer hat in Zukunft die Marktmacht über unsere Daten?
Leif-Erik Holm, der rechte Elektriker und Volkswirt aus dem Bundestag (AfD-Listenplatz 1, geboren 1970 in Schwerin)
- alter Journalistenkollege von IHK-Präsi Klaus-Jürgen Strupp
- wollte „niemals in der Politik sein“, dann aber doch
- interessiert sich für: „Themen, über die jeder spricht, die aber nicht gelöst werden“
- will Entlastung der Unternehmen und vernünftige Autobahnen
- „Politik geht den Weg des geringsten Widerstands“
- unterstützt Werften nur, wenn sie marktfähig sind – das sehe er aber bei den Werften und „Kreuzfahrtpötten, die noch gar nicht schwimmen“ bis jetzt nicht
- hält wissenschaftliche Ergebnisse zum menschengemachten Klimawandel für „nicht evident“ – und will Kernenergie stärken
- Ladenschlussgesetz: „In anderen Läden ist das ganz normal, am Sonntag einzukaufen“
- „Wir sind halt ein armes Land und werden das auch noch eine Weile bleiben“, Deutschland liege weit hinten mit Ideen, Rohstoffen und Geschäftsmodellen
- findet große Ideen aus Deutschland, wie die Erfindung des MP3-Players, hätten niemals verkauft werden dürfen!!
Best of aus dem Publikum:
„Die Wirtschaft hier hat nichts mit Innovation oder Praxis zu tun. Bürokratie für Kleinunternehmer ist eine mittelschwere Katastrophe.“ – Pensionsbesitzer
„Sie leben in einer Stadt, weil ein Bauer arbeiten geht.“ – Landwirt
„Wie gehen wir mit Wohlstandseinbußen durch die drohende Klimakatastrophe um?“ – UnternehmerAfD: Welche Klimakatastrophe?Grüne: „Wenn wir nichts gegen die Klimakrise tun, wird der volkswirtschaftliche Schaden massiv sein: Dürre, Grundwasser, Munitionsbelastung – Dinge, die Folgekosten nach sich ziehen, wenn man sie nicht angeht.“
„Günstigere Ferkel kommen aus anderen EU-Ländern. Das ist die perfekte Vernichtung von klein- und mittelständischen Unternehmen.“ – Landwirt
„Ich möchte hier noch mal an den Vater unseres Wohlstands erinnern: Ludwig Erhard. Monopole und Kartelle müssen zerschlagen werden!“ – Hotelbesitzer
„Vorschlag: Wir stellen dem Staat die Kosten, die durch die fehlende Digitalisierung entstehen, in Rechnung.“ – ITler, dessen Frage erst mal übersprungen wurde „Geniale Idee“, findet Strupp, er musste auch Leute einstellen, die die Bürokratie erledigen. „Richtiger Anreiz“, meint Holm, es würde aber nicht funktionieren: „Deutschland würde noch schneller pleite sein.“
„Die Afrikanische Schweinepest kommt immer dichter und nicht mal die Weinkönigin hat was gemacht!“ – Landwirt