Die Linkegeboren 1969 in WismarLehrerin (Deutsch, Geschichte), Schulleiterin in KlützBerufswunsch als Kind: Puppendoktor
Eigene Geschichte, DDR und politisches Weltbild
Simone Oldenburg stammt aus Wismar, ist dort zur Schule gegangen und hat in Leipzig studiert. Ihre Großeltern waren Verfolgte des Naziregimes und Widerstandskämpfer, sagt sie. Der Großvater war Vorsitzender der KPD in Nordwestmecklenburg und habe dort auch die SED mitgegründet. „Mit diesem Kampf, den meine Großeltern erlebt haben, und mit den Erzählungen bin ich groß geworden und das hat mich natürlich geprägt“, fasst sie zusammen.
Sie selbst wollte nicht der SED beitreten, ging aber nach der Wende zur PDS. In der Wendezeit, während ihres Studiums, habe sie realisiert, dass sie in einer Diktatur lebe, und dann auch an Montagsdemos teilgenommen. „Deswegen ist es wichtig, dass wir die Partei sind, die sich am meisten mit ihrer Vergangenheit beschäftigt.“
Über die DDR sagt sie: „In der DDR ist Unrecht geschehen, aber die DDR war kein Unrechtsstaat.“ Sie räumt aber ein, dass es in der DDR keine unabhängige Justiz gab, ein Machtwechsel durch freie und geheime Wahlen nicht möglich gewesen sei und es keine unabhängige Kontrolle der Exekutive durch die Legislative gegeben habe.
Oldenburg versteht sich selbst als demokratische Sozialistin. „Das heißt, dass ich mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehe und dass für mich der Kapitalismus eine Gesellschaftsform ist, die es zu überwinden gilt, hin zu einem sozialistischen Leben.“ In keinem anderen Land sei die soziale Herkunft so entscheidend für den Bildungserfolg. Statt des Geldes solle man die Fähigkeiten der Menschen „in den Mittelpunkt stellen, um gemeinsam ein Land zu verändern, was dann solidarisch und demokratisch und menschenfreundlicher ist.“
Bildungspolitik
Die ausgebildete Gymnasiallehrerin hat auch schon an Grundschulen gearbeitet und ist seit 2018 Schulleiterin. Simone Oldenburg ist Fraktionsvorsitzende der Linken und bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Sie kritisiert den Bologna-Prozess: Lehramtsstudenten studierten größtenteils dasselbe wie jene außerhalb eines Lehramtsstudiengangs. „Das heißt, es ist viel zu viel Wissenschaft und viel zu wenig Methodik und Didaktik.“
Deshalb würden auch bis zu 85 Prozent der Lehramtsstudierenden in MV ihr Studium abbrechen, und deshalb müsse das Studium reformiert werden: „Mehr Methodik, mehr Didaktik. Die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer von den Wissenschaftlichen trennen und wirklich Pädagogik machen.“
Wegen der hohen Abbrecherquote gebe es auch so einen großen Lehrermangel. „Eine Viertelmillion Stunden fallen gänzlich aus, da hast du auch keine Vertretung.“ Das führe auch zu mehr Schulabbrechern, jeder zehnte Schüler bekomme keinen Abschluss. Das sei der höchste Wert bundesweit. Daher habe die Linke es sich zum Ziel gesetzt, in den nächsten fünf Jahren 1.000 Lehrkräfte zusätzlich an die Schulen zu holen.
Lehrer sollten motiviert werden, bis zur Rente zu arbeiten: „Wir wollen Lehrern und Pädagogen 10.000 Euro Prämie geben, wenn sie bis zum Eintritt ins Rentenalter arbeiten.“ Die Klassengröße sollte auf 25 Schüler beschränkt und die Unterrichtsstunden der Lehrer reduziert werden. In MV sind es 27 Stunden, viele Bundesländer hätten nur 24. Das solle dem Abwandern von Lehrkräften entgegenwirken.
Zudem brauche es Unterstützungssysteme für Kinder, die schulmeidendes Verhalten zeigen. Die Linke fordere einen besseren Betreuungsschlüssel für Kita, Krippe und Hort sowie eine Ausbildungsplatzplanung. Ein Erfolg wäre für sie, die Zahl der Schul- und Ausbildungsabbrecher zu reduzieren ‒ durch mehr Unterricht, eine längere Schulzeit und eine Verlängerung der Berufsschulpflicht.
Arbeitsplätze, Niedriglohnland MV, bedingungsloses Grundeinkommen
Die Linke will das Wirken der Treuhandanstalt nach der Wende aufarbeiten. „Wir waren der Ausverkauf des Ostens. Wie viele Firmen sind für eine Mark über den Ladentisch gegangen? Das hat natürlich zu dieser großen großen Arbeitslosigkeit geführt. Und Mecklenburg-Vorpommern war eben die verlängerte Werkbank mit Niedriglöhnen. Das ist ja das Markenzeichen von Mecklenburg-Vorpommern bis heute.“
Die Linke sei für 13 Euro Mindestlohn und eine Vergaberegelung öffentlicher Aufträge an Unternehmen, die Mindestlohn zahlen und weitere soziale Kriterien erfüllen, etwa Tarifgebundenheit.
Es gebe noch zu viele Menschen in Leiharbeit. „Der Durchschnitt in Mecklenburg-Vorpommern verdient 6.500 Euro weniger als der Durchschnitt in der Bundesrepublik. […] Das ist die gesamte Jahresmiete einer Zweieinhalb-Zimmer-Neubauwohnung. […] Es kann nicht sein, dass das so bleibt.“ Die Löhne sollen gesteigert werden durch Erhöhung der Tarifbindung, die Bildung von Betriebsräten, Zurückdrängen befristeter Arbeitsverträge und die Ausbildung von Arbeitskräften für die Bereiche, wo es Bedarfe gibt.
Die Ich-bin-Hanna-Bewegung war ihr kein Begriff, sie sei sich aber der prekären Beschäftigungsverhältnisse an den Unis bewusst. „Wir haben das in Mecklenburg-Vorpommern sehr doll, an beiden Universitäten. Deswegen sagen wir, dass wir mehr Geld in die Universitäten geben müssen.“ „Ich denke, dass Bildung nicht davon abhängig sein darf, ob ich irgendwo zusätzliche Gelder herkriege. Der Staat und das Land sind dafür zuständig, dass gelehrt und gelernt werden kann. […] Drittmittel kann man natürlich einwerben, aber nicht, um den Grundstock zu finanzieren.“
Zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen sagt Oldenburg: „Ich denke, dass nichts bedingungslos sein kann. […] Aber ich bin dafür, dass jeder Mensch gut leben kann, und insofern denke ich, dass wir ein Grundeinkommen brauchen. […] Für mich ist es wichtig, dass sich diejenigen auch für die Gesellschaft engagieren, von der sie das Geld bekommen. Also dass man dann ehrenamtlich tätig ist oder oder oder.“
Kriegsschiffe in Wolgast
„Wir sind gegen die Kriegsschiffe, die gebaut werden, auch wenn sie nur Patrouillenboote sind. Wir haben auch mit Wolgast geredet, mit den Betriebsräten, dass wir sagen: Wir möchten nicht eure Arbeit abschaffen, aber wir möchten nicht, dass in Mecklenburg-Vorpommern in Kriege investiert wird.“
ÖPNV, Mobi-Pass, Kinderkarte
Die Linke will den öffentlichen und den Schienenpersonennahverkehr ausbauen. „Wir möchten in den Hauptverkehrszeiten im Stundentakt fahren und in den Randzeiten im Zweistundentakt. Das kostet 60 bis 80 Millionen im Jahr.“
Zudem hätten sie einen „Mobipass“ entwickelt, mit dem man ermäßigt reisen könne und der für Kinder, Jugendliche und Rentner kostenlos sei.
Außerdem wolle man eine Kinderkarte ‒ kein Bargeld ‒ mit mindestens 50 Euro im Monat für alle Kinder einführen. Damit könnte Kindern die Mitgliedschaft in Sportvereinen finanziert werden oder der Besuch von Kino oder Museum. „Ich möchte weg davon, dass die Herkunft über den Weg eines Kindes entscheidet. Dazu ist die Kinderkarte ein kleiner Baustein.“
Klima- und Umweltschutz und Nord Stream 2
„Wir streiten für eine bessere Finanzierung und auch für mehr Moore, weil wir damit auch die Stickstoffbelastung senken können. Es gibt Mooraktien in Mecklenburg-Vorpommern, das ist eine Möglichkeit, aber hier haben wir noch Bedarf.“
Obwohl der Weltklimarat vor Kurzem sagte, wir müssten bis 2026 unsere CO2-Emissionen stoppen, hält die Linke an ihrem Ziel der CO2-Neutralität bis 2035 fest. „Wenn ich von der Machbarkeit ausgehe, dann ist 2026 nicht zu schaffen. Du kannst es nicht mit der Brechstange machen. […] Es ist wichtig, dass wir nicht bei den Falschen die Einschnitte machen. Wir brauchen ein Auto, aber wir brauchen auch mehr öffentlichen Personennahverkehr. […] Wenn wir dann Busse und Bahnen haben, die wirklich jedes Dorf erreichen und vielleicht ‒ was wir uns wünschen ‒ im Einstundentakt fahren. Aber dann werden sie immer noch auf das Auto angewiesen sein und wir werden ihnen das Auto nicht wegnehmen.“
Hinsichtlich der erneuerbaren Energien spricht Oldenburg sich für einen Energiemix aus, zum dem nicht nur Windkraft, sondern auch Solarenergie gehöre. Geothermie stehe nicht im Fokus. Stattdessen müsse die Wasserstoffenergie in den Blick genommen werden.
Hinsichtlich des Ausbaus von Windkraftanlagen bleibt sie etwas vage. Bestehende Windräder sollten aber zunächst modernisiert werden, damit sie mehr Energie erzeugen (sogenanntes Repowering).
Oldenburg spricht sich für die Gaspipeline Nord Stream 2 aus. „Eine Pipeline, die zu 95 Prozent fertig ist, warum soll die nicht fertig gebaut werden? Ist das nicht die größte Umweltsünde?“ „Wir können bis 2035 nicht auf Erdgas verzichten.“ Dass Bedarfsermittlungsstudien von den Betreibern selbst stammen sollen, empfindet sie nicht als kritisch.
Auch dass die umstrittene Stiftung Klima- und Umweltschutz MV mit 20 Millionen Euro durch Gazprom finanziert wird und nur mit 200.000 Euro vom Land, sieht sie nicht als Problem: „Das Ziel dieser Stiftung ist auch, Umweltprojekte in Mecklenburg-Vorpommern zu forcieren, die wir brauchen. Das sind jedes Jahr zwei Millionen Euro und diese Projekte brauchen wir für Umweltpolitik. Und dann sehen wir weiter, wie wir mit dieser Stiftung umgehen, wenn wir dann 2035 nicht mehr auf das Erdgas angewiesen sind.“
Corona
Sie ist gegen einen Impfzwang für Kinder: „Mein Sohn ist geimpft, aber wir haben keinen Impfzwang und das ist auch gut so.“
Digitalisierung
„Da sind wir ein Entwicklungsland, da sind wir wirklich hinterher. […] Wir müssen jetzt ausbauen.“
NSU
„Der NSU-Untersuchungsausschuss läuft ja seit einigen Jahren. Wir waren ja das letzte Bundesland, was überhaupt in die Puschen gekommen ist. […] Wir müssen den unbedingt in der nächsten Legislaturperiode weiterführen, weil noch so viel im Argen liegt.“
Legalisierung von Cannabis
„Wir wollen 15 Gramm straffrei.“
Steuern für Reiche
„Die Vermögensabgabe betrifft nur die Millionäre und das auch nur bei einem Nettovermögen von zwei Millionen Euro. Ein zu besteuerndes Vermögen bei 70.000 Euro, dann mit dem Steuersatz von 53 Prozent.“
Position zur AfD
Wenn die AfD Anträge stellt, würden diese mit einer linken Regierung nicht angenommen werden. „Die können unseren Anträgen gerne zustimmen […] Für mich ist immer ganz wichtig, dass du weißt, was das Motiv eines Antrags ist. Und wir haben eine AfD, die nun wirklich weit entfernt ist von irgendwelchen bahnbrechenden Ideen, erst recht in der Bildungspolitik. […] Sie wollte zum Beispiel mal Deutschkurse, die für ausländische Kinder vorgeschaltet werden. Die Kinder haben bei uns natürlich alle Deutschkurse, […] es gibt Deutschkurse für Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache. Und da wusste man genau, was das Motiv ihres Handelns ist. Das Motiv ist nicht, das Bildungssystem zu stärken, sondern eben auszugrenzen. Und deswegen wird es für mich auch keine Zusammenarbeit und keinen Antrag von denen geben, dem ich irgendwie zustimme.“