Über die sogenannte Belarus-Route fuhren die 38-jährige Frau und der 39-jährige Mann mit einem Transporter im August vergangenen Jahres mit 16 Migrant:innen über Polen nach Deutschland. Bei Löcknitz wurden sie festgenommen. Nach medizinischer Versorgung durch die Bundespolizei wurden die 16 Iraker:innen in Erstaufnahmeeinrichtungen nach Nostorf und Stern Buchholz gebracht. Nach Angaben des zuständigen Hauptkommissars sind Asylanträge gestellt worden. Ihr aktueller Status sei der Polizei nicht bekannt.
Die beiden Angeklagten wurden mit Fußfesseln in den Saal gebracht und für das illegale Einschleusen von Migrant:innen verurteilt. Die angeklagte Frau wurde zu zwei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt, ihr Partner zusätzlich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und des Kontakts zur Schleuserbande zu drei Jahren. Einer der Verteidiger plädierte dafür, nicht das letzte Glied einer solchen Schleusungskette zu bestrafen, da das Paar nachweislich nur beauftragt worden sei. Eine Berufung kann bis nächsten Donnerstag eingelegt werden.
Laut Richter fiel die hohe Zahl der Migrant:innen beim Urteil stark ins Gewicht. Die Tat aus dem August 2021 sei sowohl für ihn als auch für den damals zuständigen Hauptkommissar die erste mit einer solch großen Anzahl geschleuster Personen gewesen. Der Kommissar bestätigte mehrere weitere Fälle mit ähnlicher Personenzahl, mit denen er in der Folgezeit konfrontiert gewesen sei.
Tatverlauf
In ihren Aussagen schilderten die beiden polnischen Angeklagten den Tatverlauf. Das Paar führt in Warschau auf dem Markt einen Gemüsestand. Dort soll der Angeklagte von Unbekannten angesprochen worden sein. Da seine Frau Miet- und Kreditschulden hatte, willigte er ein, Migrant:innen für insgesamt 3.000 Zloty (umgerechnet rund 667 Euro) durch Polen über zwei Grenzen zu transportieren. Wagen und Handy zur Ortung und Festlegung des genauen Treffpunktes stellten die Unbekannten. Die Angeklagte, seine Frau, erfuhr nach eigenen Angaben erst nach Fahrtantritt von dem Plan.
An der Grenze zu Belarus holten sie die 16 Iraker:innen, darunter vier Kinder, ab. Über Polen fuhren sie zehn bis zwölf Stunden zur deutschen Grenze. Sie erklärten, große Angst gehabt und sich gegenseitig beteuert zu haben, so etwas nur einmal zu machen. Bei Löcknitz ließen sie die Menschen in einem Waldstück aussteigen. Anwohner:innen wurden auf die Menschengruppe aufmerksam und riefen die Polizei. Da sich der nunmehr leere Transporter im Ort verfuhr, fiel er den Beamt:innen auf. Bei Einsicht in den Laderaum fanden die Polizist:innen Essens- und Getränkereste und schlossen auf die kurz zuvor gemeldete Gruppe Migrant:innen im Wald. Die an der Festnahme beteiligten Beamt:innen waren im Prozess als Zeug:innen geladen.
Der heute verhandelte Fall der beiden Schleuser:innen ist nur einer von vielen. Im Herbst 2021 wurden laut Bundespolizei mehr als 1.050 illegal eingereiste Migranten auf der Belarus-Route in Vorpommern aufgegriffen. Der belarusische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte als Reaktion auf die EU-Sanktionen erklärt, er werde Migrant:innen in Richtung EU nicht mehr aufhalten. Der EU zufolge schleuste er Menschen aus Krisengebieten absichtlich ein. Laut einem Polizeibeamten, der die 16 Migrant:innen im August verhört hatte, hatte die Gruppe zuvor bereits vier- bis fünfmal versucht, von Polen nach Belarus zurückzukehren, doch war sie immer wieder nach Polen zurückgedrängt worden.
Reaktion vom Landesflüchtlingsrat und Rostocker Initiativen
Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern kritisierte, dass Menschen in dieser Situation wie Gegenstände behandelt würden. Die „Festung Europa“ fördere kriminelle oder gewerbliche „Geschäftsmodelle“ von Menschenhandel und Schleusung, indem sie keine legalen Grenzübertritte ermögliche.
Arne Bölt von „Rostock hilft“ und „Rostock hilft Solinetz“ hält eine Strafverfolgung Einzelner für nicht zielführend. Vielmehr sei die Anklage der zwei Schleuser:innen eigentlich „eine Anklage gegen die beteiligten Staaten“.