Der knapp fünfminütige Kurzfilm ist angelehnt an reale Werbespots aus vergangenen Zeiten, in denen die Position einer Frau im Rahmen der Ehe beleuchtet wurde. So porträtiert ein Werbefilm von Dr. Oetker aus dem Jahr 1954 eine Hausfrau, die die Ankunft ihres Gatten Peter mit einem leckeren Kuchen vorbereitet. Dieser werde bald mit einem „Bärenhunger“ nach Hause kommen, deshalb müsse jetzt „Tempo“ gemacht werden.
Gleiches passiert zu Beginn von Nowhere Man. Der Ehemann steht mit Schürze und Handtuch über der Schulter in der Küche, gießt Kaffee in zwei Tassen und tut das, was die Frau im Dr.-Oetker-Werbespot ebenfalls macht: Er wartet. Nur nicht auf Peter, sondern auf seine Frau Ingrid. Entspannte Blasmusik mit eingängiger Melodie im Hintergrund begleiten die Szenerie. Eine Frauenstimme aus dem Off gibt den Tenor des Films vor: „Sie wissen ja, der Mann verbringt meist den ganzen Tag zu Haus’ …“
Auch ein weiteres hochaktuelles Thema bindet die 24-jährige Regisseurin in die Handlung ein: Mansplaining. Ingrid bricht auf einmal die Stille und erklärt ihrem Mann völlig ungefragt, der Kuchen würde ja viel besser schmecken, wenn er die trockenen und feuchten Zutaten separat mische. Sätze, die viele Frauen in der heutigen Zeit zur Genüge kennen. Auf diesem Weg verschafft der Kurzfilm mir als Zuschauerin eine leichte Genugtuung. Natürlich lebt die Stilistik von Nowhere Man von Übertreibungen und fairerweise muss man dazusagen, dass weder damals noch heute alle Männer gleich waren, beziehungsweise sind.
Dennoch ist Pfaus Konzept, den Spieß einmal umzudrehen, simpel und genial gleichermaßen. Der Film zeigt dem Publikum eindrücklich, wie absurd überhaupt eine standardisierte Rollenverteilung ist. Wenn ich mir überlege, dass es solche Werbespots tatsächlich einmal gegeben hat, mit der Frau als Schoßhündchen, kann ich nur den Kopf schütteln.
So sinnvoll ich Nowhere Man auch finde, erscheint mir das Gesamtprodukt jedoch nicht ganz schlüssig. Handelt es sich um einen Werbefilm? Zwischen einzelnen Sequenzen, die zweifellos dafür sprechen, wirken andere Szenen wie die schlichte Parodie eines von der Frau dominierten Ehelebens. An dieser Stelle wäre eine klare Positionierung in meinen Augen sinnvoll gewesen. Auch bei der Tonmischung fehlt der nötige Feinschliff. Der Dialog ist an manchen Stellen kaum zu verstehen. Die Texte werden von den Darstellern durchaus glaubhaft transportiert, wobei ich einige Wörter auch nach mehrfachem Anschauen des Films rein von der Akustik her nicht verstanden habe. Durchaus positiv ist mir hingegen das Setting und der Kleidungsstil der Protagonisten aufgefallen. Die Komödie erhält so eine stimmige Gesamtatmosphäre und lädt das Publikum in eine authentische Wohnung der Sechzigerjahre ein.Pfau schafft mit ihrem komödiantischen Kurzfilm Nowhere Man einen feministischen Beitrag zum diesjährigen Wettbewerb, der sich seinen Platz unter den Teilnehmenden mehr als verdient hat. Ich für meinen Teil war nach dem Film einfach froh, in einer Zeit mit mehr Emanzipation zu leben. Auch wenn dahingehend selbst nach 70 Jahren noch viel Luft nach oben ist.
Diese Rezension entstand im Rahmen der unabhängigen filmab!-Redaktion zum FiSH-Filmfest im Stadthafen Rostock vom 28. April bis 1. Mai 2022 in Kooperation mit KATAPULT MV. Hier stellen sich die jungen Redakteur:innen vor: Das ist die filmab!-Redaktion 2022.