Jamel

Scheunenbrand von 2015 bleibt weiter unaufgeklärt

Seit 2007 veranstalten Birgit und Horst Lohmeyer auf ihrem Grundstück das Demokratie-Festival „Jamel rockt den Förster“. Das Engagement gefällt nicht allen Bewohner:innen des kleinen Dorfes nahe Wismar. In der Nacht vom 12. auf den 13. August 2015 brannte die Scheune des Ehepaars bis auf die Grundmauern nieder. Ein Täter wurde bis heute nicht ermittelt. Die Verjährungsfrist endet 2025.

Am 12. August 2015 herrschte in Jamel trockenes Sommerwetter. Volker B. verbrachte jenen Abend in der Ferienwohnung der Lohmeyers. Vor dem Eingang sitzend nahm der damals 38-Jährige plötzlich ein Flackern wahr, das ihn zunächst an ein Lagerfeuer erinnerte. Dann sah er, wie jemand die lange Auffahrt hinunter lief. Aus der Scheune quollen erste Rauchschwaden. Der Urlaubsgast informierte Horst Lohmeyer. Als die beiden Männer ins Freie stürzten, brannte die Scheune schon in voller Ausdehnung. Ein Brandermittler stellte später den Einsatz eines Brandbeschleunigers fest.

Die Rettungsleitstelle in Schwerin erreichte zwischen 0.16 Uhr und 0.35 Uhr ein gutes Dutzend Notrufe. Doch in Jamel gibt es keine Feuerwehr. Die herbeigeeilten Helfer:innen aus Gägelow, Hohenkirchen und Plüschow konnten nur noch das Übergreifen der Flammen auf das benachbarte Wohnhaus verhindern. 

Brennende Scheune im August 2015 (Foto: Horst Lohmeyer)

Polizei: Ermittlungen in alle Richtungen

Die Lohmeyers vermuteten früh ein rechtes Tatmotiv. Wenige Tage vor dem Brand war bekannt geworden, dass das Ehepaar Lohmeyer den Georg-Leber-Preis für Zivilcourage erhalten wird. Und Ende August sollte auch wieder das alljährliche Forstrock-Festival stattfinden. Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten ausweislich der Akten ergebnisoffen in alle Richtungen. Die Spuren am Tatort und eine Funkzellenabfrage führten die Ermittler:innen aber nicht weiter. 

Die eigens eingerichtete „Ermittlungsgruppe Forst“ befragte alle Feuerwehrleute, die in der Brandnacht im Einsatz waren. Ohne Erfolg. Konkrete Verdachtsmomente ergaben sich aus den Vernehmungen nicht. Die Lohmeyers sollten die Namen von Personen auf eine Liste schreiben, mit denen es in letzter Zeit Konflikte gegeben habe. Die Bewohner:innen Jamels wurden ebenfalls befragt. Noch am Brandtag befragten Ermittler:innen des Staatsschutzes in dem Dorf die Anwohner:innen. Der Erkenntnisgewinn hielt sich aber in Grenzen. Die Anwohner:innen gaben sich wechselseitig Alibis. Konflikte im Dorf gäbe es keine, die Lohmeyers lebten isoliert und man erzähle sich, die Eheleute könnten die Scheune selbst angezündet haben. Wahlweise um Aufmerksam zu erzeugen oder die Versicherung zu betrügen. Zumindest das letztgenannte Motiv konnten die Ermittler:innen rasch ausschließen. Das historische Gebäude war nicht versichert. Ein geplanter Wiederaufbau scheiterte letzten Endes an den immensen Kosten. 

Wo früher die Scheune stand, steht heute eine „Pyromide“ als Mahnmal. Der Künstler Harry Schaffer hat das Gebilde aus den verkohlten Holzbalken der Scheune errichtet.

Journalistin nutzte Scheune für Recherchen

Die Ermittler befragten auch Sven Krüger. Der damals 40-Jährige scheint nach außen hin so etwas wie der Anführer der Jameler Neonazis zu sein. Dem vielfach vorbestraften Abrissunternehmer gehören mehrere Immobilien in Jamel. Vom Dachboden der Scheune aus hatte man freie Sicht auf eine Freifläche Krügers, die die rechtsextreme „Dorfgemeinschaft“ regelmäßig für ihre Veranstaltungen nutzt. 

Diese Aussicht auf Krügers Grundstück wusste die Fachjournalistin Andrea Röpke für ihre Recherchen zu nutzen. Die Reporterin war des Öfteren bei Lohmeyers zu Gast, um von der Scheune aus Aufnahmen der rechtsextremen Events zu fertigen. Röpke sieht sich wegen ihrer investigativen Recherchen seit Langem erheblichen Anfeindungen ausgesetzt und war auch schon von gewalttätigen Angriffen betroffen. 

Wie erst jetzt öffentlich bekannt wurde, war Röpke keine zwei Monate vor dem Scheunenbrand von Krüger und weiteren Rechten bei der Arbeit in Jamel beobachtet worden. Am 21. Juni 2015 dokumentierte Röpke eine Sonnenwendfeier der „Dorfgemeinschaft“. Fotos, die KATAPULT MV vorliegen, beweisen, dass die Rechten Röpkes Aussichtspunkt in der Scheune entdeckt hatten. Ihre Veranstaltungen pflegen sie laut Röpke stets gegen neugierige Blicke abzuschirmen. Die Staatsanwaltschaft Schwerin wusste von der Nutzung des Gebäudes durch die Journalistin. Ein Anfangsverdacht gegen konkrete Personen aus der rechten Szene ergab sich für die Ermittler:innen aus dieser Information jedoch nicht.

Neonazi Krüger rief Feuerwehr

In seiner polizeilichen Vernehmung gab Sven Krüger an, das Feuer kurz nach 0.10 Uhr bemerkt zu haben. Von seinem Schlafzimmer aus habe er die brennende Scheune gesehen. Um 0.20 Uhr habe er dann einen Notruf abgesetzt. Einer der zahlreichen Notrufe war nach Aktenlage tatsächlich von einem Handy abgesetzt worden, das auf den Namen von Krügers Ehefrau Janette registriert worden war. 

Umfassende Strukturermittlungen führten die Behörden nicht durch. Die Einbindung der Jameler Neonazis in das global agierende, militante Netzwerk der „Hammerskins“ mit seinen Bezügen zum Rechtsterrorismus spielte bei der Aufklärung des Scheunenbrandes keine nennenswerte Rolle. Für eine Durchsuchung der Neonazi-Häuser oder das Abhören ihrer Telefone fehlte den Ermittler:innen ohnehin der notwendige Anfangsverdacht. Im November 2016 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen vorläufig ein. Bis die Brandstiftung im August 2025 verjährt ist, könnte die Behörde die Ermittlungen allerdings jederzeit wieder aufnehmen. 

Die jetzt bekannt gewordenen Fotos, die auch der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurden, genügten dafür jedoch nicht. „Vor dem Hintergrund, dass die mitgeteilten Tatsachen bereits bekannt und auch Gegenstand der Ermittlungen waren, bestehen keine Gründe, die die Wiederaufnahme des Verfahrens gebieten“, teilte Oberstaatsanwältin Claudia Lange vergangene Woche auf Nachfrage mit. Die Situation in Jamel, namentlich der Konflikt zwischen Familie Lohmeyer und den Dorfbewohner:innen, die der rechten Szene zuzuordnen sind, sei bei den Ermittlungen besonders berücksichtigt worden.

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