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LT-Club Rostock

Hausrecht oder Diskriminierung?

Die Debatte um Diskriminierung durch den Rostocker LT-Club hat Fahrt aufgenommen. Am Samstagabend waren Menschen ohne deutschen Pass von den Türstehern nicht zur Party gelassen worden. Inzwischen wird über die Grenzen des Hausrechts diskutiert und der Club hat ein fragwürdiges Statement abgegeben.

Der Abend des 4. Januar: Nicolás bekommt einen Anruf von seinen Freund:innen. Sie wollen im Rostocker LT-Club feiern und er soll dazukommen. So weit, so normal für den Auszubildenden. Als er kurz nach Mitternacht am Club ankommt, fragt ihn eine Gruppe junger Menschen, ob er einen deutschen Pass habe. „Das hat mich ein bisschen gewundert. Ich dachte, das ist ein Scherz“, erinnert er sich.1

Kein Deutscher, kein Einlass

Als er dann selbst vor dem Türsteher steht, ergibt die Frage plötzlich Sinn. Der Ecuadorianer wird nicht eingelassen, weil er keinen deutschen Pass besitzt. Dies sei Anweisung des Besitzers. Nicolás ist schockiert und verwundert: „Dann habe ich meine Freunde angerufen und gesagt, dass ich draußen stehe, weil ich keinen deutschen Ausweis habe. Sie waren auch sehr geschockt.“ Als seine Freund:innen den Türsteher fragen, bekommen sie dieselbe Antwort: Ohne deutschen Ausweis kein Einlass.

Inzwischen sprechen ihn auch andere junge Menschen an, die vor der Tür stehen. Unter ihnen sind weitere Betroffene, Frauen aus den Niederlanden und Russland. Einer aus der Gruppe habe dann die Polizei gerufen, erinnert sich Nicolás. „Er wollte auch wissen, ob das überhaupt legal ist, dass wir wegen unserer Herkunft nicht in einen Club dürfen.“

Hausrecht oder Diskriminierung?

Die eintreffenden Polizisten verweisen auf das Hausrecht und können keinen „strafrechtlich relevanten Sachverhalt“ feststellen. Auch in den Sozialen Netzwerken weisen Kommentator:innen im geschilderten Fall immer wieder auf das Hausrecht hin – also das Recht, frei zu entscheiden, wen man in die eigenen Räumlichkeiten lässt. „In den Kommentaren fühlen sich alle, als ob sie Anwälte wären“, so Nicolás. Aber greift hier tatsächlich das Hausrecht?

„Ein Club darf Menschen nicht direkt oder indirekt wegen ihrer ethnischen Herkunft oder aus rassistischen/antisemitischen Gründen abweisen – hier greift das Diskriminierungsverbot des AGG“, erklärt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auf ihrer Website. AGG steht für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Darin ist ein Diskriminierungsverbot für alle „Güter und Dienstleistungen, die öffentlich am Markt angeboten werden“ festgeschrieben – also auch für Clubbesuche.2

Die Grafik zeigt, wann das Hausrecht gilt und ab wann es sich um Diskriminierung handelt. Anlass der Grafik war die Diskriminierung von Menschen ohne deutschen Pass oder Ausweis am Einlass des LT-Clubs in Rostock.

Staatsbürgerschaft als Vorwand für Rassismus

Der Hamburger Rechtsanwalt Matthies van Eendenburg stellt fest: „Die Einlassbeschränkung in dem Rostocker Club auf Menschen mit der deutschen Staatsbürgerschaft könnte eine Verletzung von § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG sein.“ Er merkt allerdings an, dass im AGG die Staatsangehörigkeit als Diskriminierungsgrund nicht genannt wird. Einige Hinweise sprächen aber dafür, dass die Staatsangehörigkeit in diesem Fall nur ein Vorwand sei. Wenn nämlich Einlasskontrollen beispielsweise durch einen Türsteher stattfinden, ist die „Person des Clubbesuchers nachrangig und es geht primär um die Überprüfung der Volljährigkeit“, so van Eendenburg. Die für Clubbetreiber relevanten Informationen, wie das Alter, ließen sich auch einem ausländischen Pass entnehmen. Außerdem sei „der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit (…) für Geschäfte des alltäglichen Lebens eine sehr unübliche Bedingung“.3

Video geht viral

Nach dem Vorfall im LT-Club gehen Nicolás und seine Freunde zu einer anderen Party. Außerdem macht er aus den kurzen Videoschnipseln, die er am Abend aufgenommen hat, ein Video und lädt es bei Instagram hoch. Inzwischen wurde der Clip 165.000-mal angeklickt. „Meine Absicht war es nicht, damit viral zu gehen. Ich fand das einfach nur witzig. Aber nicht lustig witzig, sondern seltsam witzig“, so der 24-Jährige. In den über 200 Kommentaren unter dem Video finden sich viele Solidaritätsbekundungen, aber auch Beleidigungen. Nicolás versucht demgegenüber so neutral wie möglich zu bleiben und nicht in die Konfrontation zu gehen: „Ich glaube, das ist für meine seelische Gesundheit am besten.“

Die Aufmerksamkeit, die das Video und damit auch er selbst bekommen hat, verunsichert ihn: „Mehrere Freunde von mir, die an der Uni sind, reden davon. Und deren Freunde reden auch davon. Ich fühle mich ein bisschen im Spotlight.“ In den LT-Club kommt er jetzt nicht mehr rein, vermutet Nicolás. Aber er wolle „da sowieso nicht mehr feiern gehen“.

Club spricht von Missverständnis

Inzwischen hat sich der LT-Club auf Instagram zu den Vorfällen geäußert. Es handle sich um „Missverständnisse“, die intern besprochen und „eindeutig verurteilt“ worden seien. „In den letzten Wochen haben wir vermehrt Delikte von Gruppen männlicher Personen (unabhängig von ihrer Herkunft) sowie Belästigungen gegenüber Frauen beobachten müssen“, so die Verantwortlichen.4 Warum jedoch deutsche Männer in den Club gelassen sowie Frauen aus dem Ausland abgewiesen wurden, wird im Text nicht erklärt. Auch auf den Vorwurf, die Türsteher hätten auf Anweisung des Clubleiters gehandelt, geht das LT in dem Beitrag nicht ein.

Für Nicolás ist das Statement unzureichend: „Wenn die explizit sagen, dass keine Personen ohne deutschen Ausweis reinkommen, wo ist dann das Missverständnis?“ Inzwischen hat er sich juristisch beraten lassen, will aber keine rechtlichen Schritte gegen den Club unternehmen.

Antidiskriminierungsstellen bieten Hilfe

Friederike Wardenga arbeitet für die Antidiskriminierungsberatung Greifswald und Vorpommern-Rügen. Sie sieht in Nicolás’ Fall eine klare Diskriminierung. „Uns wurde bisher kein solcher Fall gemeldet. Aber aus dem Austausch mit anderen Beratungsstellen wissen wir, dass so etwas immer wieder vorkommt“, so Wardenga. Negative Schlagzeilen machten zuletzt beispielsweise ein Schweriner Club oder die Rumpelkammer in Neubrandenburg.5 Wardenga empfiehlt Betroffenen, sich an eine Beratungsstelle zu wenden. Dort findet dann ein Erstgespräch statt. „Es ist wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem über das Erlebte gesprochen werden kann“, erklärt sie. In diesem Rahmen können auch weitere Schritte geplant werden.

Was tun als Zeug:in?

Wenn man Zeug:in von Diskriminierung zum Beispiel an der Clubtür wird, empfiehlt Wardenga, erst einmal nicht auf Konfrontation zu setzen: „Man sollte die betroffene Person im Nachgang ansprechen. Wenn man sich direkt einmischt, kann das als übergriffig empfunden werden oder Scham bei den Betroffenen auslösen.“ Besser sei es, zu fragen, was genau passiert sei und ob die betroffene Person Hilfe benötige. „Man kann, wenn das gewünscht ist, auch die eigenen Kontaktdaten mitgeben und sich als Zeug:in bereit erklären“, so Wardenga. Auch Informationen über Beratungsstellen sind in diesen Momenten hilfreich. Nicht alle wissen, dass Diskriminierung an der Clubtür verboten ist. Es kann deshalb auch helfen, Betroffene darauf hinzuweisen. Wardenga hat noch einen weiteren Tipp für Personen, die Diskriminierung beobachten: „Sich solidarisch zeigen und selbst auf den Clubbesuch verzichten.“

  1. Telefonat mit Nicolás am 8.1.2025. ↩︎
  2. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hg.): Alltagsgeschäfte, auf: antidiskriminierungsstelle.de. ↩︎
  3. E-Mail von Matthies van Eendenburg vom 9.1.2024. ↩︎
  4. @lt_club: Beitrag vom 8.1.2024, auf: instagram.com. ↩︎
  5. Bönisch, Bastian: Vom Türsteher abgelehnt: Kommen keine Ausländer in Neubrandenburger Club?, auf: nordkurier.de (13.12.2024). ↩︎

Autor:in

  • Porträt von Lilly Biedermann Redakteurin Katapult MV in Greifswald

    Redakteurin in Greifswald

    Geboren und aufgewachsen in Sachsen. Ist zum Studieren vom tiefen Osten in den kalten Osten nach Greifswald gezogen.

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