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Bundestagswahl 2025

Wählen schwer gemacht: Auslandsdeutsche frustriert von Briefwahl

Wählen aus dem Ausland war schon immer aufwändiger, als in Deutschland direkt zur Wahlurne zu gehen. Doch die diesjährige vorgezogene Bundestagswahl bringt viele Deutsche im Ausland in Zeitnot – oder gar um ihre Stimme. Eine gebürtige Demminerin berichtet von ihren Erfahrungen aus Norwegen.
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„Eine Woche mehr hätte mir gereicht. Aber so funktioniert das nicht.“ Katharina Esch würde sehr gerne ihre Stimme bei der Bundestagswahl abgeben. Doch einfach am Sonntag ins Wahlbüro spazieren, so leicht hat es die gebürtige Demminerin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) schon lange nicht mehr.

Esch lebt seit 2015 im norwegischen Balestrand, einem kleinen Ort mit circa 1.200 Einwohnern, sechs Stunden entfernt von Oslo. Während ihres Studiums verbrachte die heute 41-Jährige ein Semester in Norwegen und verliebte sich in das Land. Als sie dort vor zehn Jahren ein Jobangebot bekam, wanderte sie endgültig aus. Wählen kann sie als Deutsche weiterhin per Briefwahl. Doch durch die vorgezogene Bundestagswahl ist dieses Jahr alles anders als bei den bisherigen Wahlen.1

Da der 23. Februar als neuer Wahltermin erst am 27. Dezember endgültig feststand, sind viele Fristen verkürzt – so auch der Zeitraum für den Versand der Briefwahlunterlagen.2 Diese konnten erst nach dem 30. Januar erstellt werden. Das war der letzte Tag, an dem der Landes- und der Bundeswahlausschuss über Beschwerden gegen die Zurückweisung oder Zulassung von Kreiswahlvorschlägen und Landeslisten entscheiden konnten.3 Erst danach konnten die Kommunen die Listen drucken und versenden.

Zeit für die Briefwahl wird knapp

Beantragen kann man die Briefwahl, seitdem der Wahltermin feststeht.4 Das habe sie auch rechtzeitig bei der Stadt Rostock, ihrer letzten deutschen Meldeadresse, getan, sagt Esch. Doch schon am 4. Februar erreichte sie eine E-Mail aus Rostock: Die Briefwahlstelle meldete, dass ihre Unterlagen ab dem 10. Februar versandbereit seien. Damit blieben nur 13 Tage für einen Brief nach Norwegen und wieder zurück. Für Esch ein sehr knappes Zeitfenster.

Zwar können in vielen Ländern – darunter auch Norwegen – die Briefwahlunterlagen bei der deutschen Botschaft abgegeben und vom amtlichen Kurierdienst mit nach Deutschland genommen werden.5 Das hätte sie jedoch bis zum 17. Februar in Oslo erledigen müssen. Esch ahnte schon Anfang Februar, dass das schwierig werden könnte – und behielt Recht.

Erschwerend kommt hinzu, dass in ihrem Wohnort Balestrand nur dreimal die Woche überhaupt Post geliefert wird. Wären die Unterlagen eine Woche früher losgeschickt worden, hätte das aber reichen können, sagt Esch.

Der Stadt Rostock zufolge habe es diese Woche mehr an Zeit, die Esch sich wünschte, grundsätzlich auch gegeben. Der 10. Februar war als letztmöglicher Termin für den Versand der Briefwahlunterlagen festgelegt und deswegen auch so kommuniziert worden, teilt die Pressestelle auf Anfrage mit. Die Unterlagen für Auslandsdeutsche seien aber alle schon am 4. und 5. Februar versendet worden. Dafür habe es extra eine Expresslieferung gegeben.6

Doch bis zum Gespräch mit Katharina Esch am 17. Februar ist bei ihr noch nichts angekommen. Und langsam wird es eng. Die Frist für den Kurierdienst der Botschaft ist bereits verstrichen. Ein Expressversand, um den sich eine deutsche Freundin, die in Tromsø lebt, bemüht hatte, kostet 140 Euro, sagt Esch. Doch egal wie aussichtslos es ist, sie werde die Unterlagen zurückschicken – zumindest mit Sendungsverfolgung: „Dann kann ich mich wenigstens begründet ärgern, wenn ich sehe, dass der Brief erst am 24. ankommt.“

Die verlorenen Stimmen

Denn besonders bei dieser Wahl ist es Esch wichtig, ihre Stimme abzugeben: „Es ist nur eine Stimme, aber gerade jetzt und gerade in MV ist die so wichtig.“ Sie hat noch immer Kontakt zu Familie und Freund:innen in Demmin und bekommt mit, wie viele Menschen die AfD wählen wollen. Eine Entwicklung, die ihr Angst macht: „Es geht dabei auch gar nicht so sehr um mich, ich lebe ja nicht mehr dort. Es geht mir um meine Familie und Freunde.“

Einen Tag nach dem Gespräch mit KATAPULT MV, am 18. Februar, erhält Esch eine E-Mail aus Rostock. Bedauerlicherweise habe es Komplikationen bei der Ausstellung des Wahlscheins gegeben. Er soll nun erst mit Expressversand verschickt werden. Am Abend bekommt sie die Benachrichtigung von DHL, dass ihre Post am 21. Februar ankommen soll. „Damit habe ich rein gar keine Chance, diese bis zum nächsten Tag nach Deutschland zu bekommen. Am Freitag wird hier nicht mal die Post ausgeliefert“, schreibt Esch.7

Die Stadt Rostock schreibt dazu, dass „in sehr seltenen Einzelfällen“ Fehler nicht ausgeschlossen werden könnten. Generell seien aber alle Unterlagen fristgerecht versendet worden. Zu Katharina Eschs Fall könne man sich nicht weiter äußern.8

Eschs Wählerstimme ist verloren. Sie ist jedoch nicht die einzige Deutsche im Ausland, für die die Fristen zu knapp waren. In den sozialen Netzwerken finden sich viele Kommentare von Betroffenen, die keine Chance sehen, ihre Stimme rechtzeitig abzugeben – vor allem in weiter entfernten Ländern. Auch eine Freundin von Esch, die in Nordnorwegen lebt, habe aufgegeben: „Sie versucht jetzt noch, auf Social Media Bekannte umzustimmen, doch nicht die AfD zu wählen“, erzählt Esch.

Esch hätte sich Alternativen für Wähler:innen aus dem Ausland gewünscht. Eine verlängerte Frist für die Briefwahl aus dem Ausland zum Beispiel oder die Möglichkeit, online oder direkt in der Botschaft zu wählen. Die letzten beiden Optionen gibt es in anderen Ländern wie Estland oder Brasilien bereits. In Deutschland ist all das aktuell nicht möglich.

Weiterlesen:

Mehr zur Bundestagswahl gibt es auf unserer Themenseite.

  1. Telefonat mit Katharina Esch am 17.2.2025. ↩︎
  2. Deutscher Bundestag (Hg.): Vorgezogene Neuwahl mit verkürzten Fristen, auf: bundestag.de (30.12.2024). ↩︎
  3. Die Bundeswahlleiterin (Hg.): Termine und Fristen, auf: bundeswahlleiterin.de. ↩︎
  4. Die Bundesregierung (Hg.): So funktioniert die Briefwahl, auf: bundesregierung.de (9.1.2025). ↩︎
  5. Die Bundeswahlleiterin (Hg.): Deutsche im Ausland, auf: bundeswahlleiterin.de. ↩︎
  6. E-Mail der Pressestelle der Stadt Rostock vom 19.2.2025. ↩︎
  7. E-Mails von Katharina Esch vom 18.2.2025. ↩︎
  8. E-Mail der Pressestelle der Stadt Rostock vom 20.2.2025. ↩︎

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