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Ausstellung in Rostock

Kunst inmitten des Krieges

Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan wird die Künstlerin und Galeristin Hafiza Qasimi in ihrer Heimat verfolgt, weil sie sich für Frauenrechte engagiert. Nachdem sowohl ihre Galerie als auch ihre Kunstwerke von den Radikal-Islamisten zerstört wurden, malte sie neue, ließ sie fotografieren und verbrannte sie anschließend. Die Fotografien sind aktuell beim Frauen*kulturverein „Beginen“ ausgestellt. Ein Film, der die Entstehung der Werke dokumentiert, wird heute Abend von ihrem Bruder gezeigt.

Die schwarze Zukunft“, „Stumme Wut“ und „Unbesiegbare Frauen“ heißen die hellen, farbenfrohen Kunstwerke, die derzeit in Rostock beim Frauen*kulturverein „Beginen“ im Heiligengeisthof hängen.

Doch so hell und froh, wie die Bilder auf den ersten Blick erscheinen, sind sie nicht. Sie erzählen vom Leben von Frauen und Kindern im von den Taliban regierten Afghanistan. Von Frauen, die Kinder für Essen verkaufen müssen. Von Frauen, die hinter dem Augengitter einer Burka eingesperrt sind. Von Mädchen, die nicht in die Schule gehen dürfen.

Gemälde von Hafiza Qasimi ausgestellt in der Nikolaikirche in Rostock.
Gemälde von Hafiza Qasimi ausgestellt in der Nikolaikirche in Rostock.

Die meisten Bilder hat Hafiza Qasimi gemalt. Die heute 23-Jährige stellte 2019 das erste Mal ihre Malerei im renommierten Kulturhaus in Kabul aus. Darüber hinaus engagierte sie sich mit Kunstprojekten für die Rechte von Frauen und Mädchen, bildete sie in Kunst und Malerei aus. Sie war erfolgreich und machte sich in Afghanistan einen Namen als emanzipierte Künstlerin.

Ihr Markenzeichen: Frauen mit langen, wehenden Haaren, Friedenstauben, ein blau-grüner Globus. Und seit dem 15. August 2021: bewaffnete Taliban. Denn den Radikal-Islamisten sind selbstständige und selbstbewusste Frauen ein Dorn im Auge. Daher fürchtet die Künstlerin seit der Machtübernahme der Taliban in ihrer Heimat um ihr Leben.

Hafiza Qasimi vor einem ihrer typischen Kunstwerke.
Hafiza Qasimi vor einem ihrer typischen Kunstwerke.

Bereits eine Woche nach der Machtergreifung zerstörten die Taliban die Kunstwerke und die gesamte Galerie von Hafiza Qasimi. Monatelang tauchte sie unter, stellte ihre Arbeit sogar ein, aus Angst. 

Doch dann fing sie heimlich wieder an zu malen, bei ihren Eltern zuhause. Innerhalb eines Monats fertigte sie zusammen mit fünf anderen Künstlerinnen 23 Gemälde, die sie jedoch selbst wieder verbrannte. Aus Angst vor den Taliban, die alle Häuser in Kabul durchsuchten.

Hafiza Qasimi engagierte sich mit Kunstprojekten für Frauen und Mädchen in Afghanistan.
Hafiza Qasimi engagierte sich mit Kunstprojekten für Frauen und Mädchen in Afghanistan.

Doch bevor sie die Kunstwerke zerstörte, ließ sie alle abfotografieren. Nun werden 20 Reproduktionen der ursprünglichen Malereien in Originalgröße in Rostock ausgestellt. Außerdem ließen sich die Künstlerinnen während des Monats bei der Arbeit filmen. Heute Abend wird der 15-minütige Kurzfilm vor Publikum gezeigt.

Die Kunstwerke werden bis zum 15. Mai bei den Beginen in Rostock ausgestellt.
Die Kunstwerke werden bis zum 15. Mai bei den Beginen in Rostock ausgestellt.

Organisiert hat die Ausstellung Mohammad Aman Anosh, Qasimis Bruder. Er selbst ist 2015 über das Mittelmeer nach Deutschland geflohen. Seit acht Monaten versucht er nun bereits, auch seine Schwester nach Rostock in Sicherheit zu bringen. Ohne Erfolg. Nur Ortskräfte können nach Deutschland einreisen. Qasimi als Künstlerin nicht. 

Anosh hat alles versucht: Familiennachzug sei nicht möglich, da sie als seine Schwester nicht zur Kernfamilie gehöre. Für ein Studienvisum benötige sie einen Studienplatz, 10.000 Euro auf einem Bankkonto, eine Krankenversicherung und eine Wohnung. All das hat Qasimi nicht.

Künstlerin und Galeristin Hafiza Qasimi
Künstlerin und Galeristin Hafiza Qasimi

Keine humanitäre Hilfe

„Wie ich sie über humanitäre Hilfe nach Deutschland holen kann, weiß ich nicht“, gibt Anosh zu. Er habe bereits zu zwei Bundestagsabgeordneten der Grünen und der SPD Kontakt gehabt und um Hilfe gebeten. „Zurück kam nur eine lange, nutzlose E-Mail, die erklärt, warum man nichts machen kann.“

Auch über die Martin Roth-Initiative habe er es bereits versucht. Die Initiative hilft Kunst- und Kulturschaffenden, die sich in ihrem Heimatland für die Freiheit der Kunst, Demokratie und Menschenrechte engagieren, indem sie temporäre Schutzaufenthalte ermöglicht. Doch dafür brauchen sie eine Aufnahmezusage vom Auswärtigen Amt. Anoshs E-Mail-Anfrage blieb bis heute unbeantwortet.

Afghanistan darf nicht vergessen werden

Während mittlerweile 11.700 aus der Ukraine vor Krieg und Verfolgung Geflüchtete offiziell in MV eine Unterkunft gefunden haben, versuchen immer noch Menschen, Afghanistan zu verlassen.

„Afghanistan darf nicht vergessen werden“, appelliert Anosh. „Gestern sind drei Bomben in Kabul explodiert, eine direkt neben dem Haus meiner Familie. Darüber berichtet im Moment niemand.“ Alle seien zu sehr mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt, um sich für die Lage der Menschen in Afghanistan zu interessieren. „Aktivisten und Journalisten werden dort bestraft, gefoltert, getötet“, erinnert Anosh. Und ergänzt: „Die Kunst im Land verschwindet bald vollständig. Dann ist nur noch Krieg.“

Ausstellung und Filmvorführung

Um 19.30 wird Anosh heute eine Führung durch die Ausstellung geben und den Kurzfilm über die Entstehung der Werke zeigen. Im Anschluss daran soll in einem Gespräch diskutiert werden, wie die Frauen nach Deutschland in Sicherheit gebracht werden können. 

Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht notwendig. Bis zum 15. Mai werden die Werke der Künstlerinnen montags bis mittwochs zwischen 10 und 16 Uhr im Heiligengeisthof zu sehen sein. Die Werke können ab 50 Euro erstanden, für einen Spendenbeitrag von fünf Euro kann eine Postkarte gekauft werden.

Spenden-Postkarte: The woman itself is a symbol of peace. (Foto: Mohammad Aman Anosh)
Spenden-Postkarte

Die Bilder wurden zuvor bereits in der Petrikirche in Rostock ausgestellt. Anosh möchte die Werke an weiteren Orten in MV und ganz Deutschland ausstellen. Im September werden sie in Hamburg zu sehen sein. 

Wo die Werke nach den Beginen gezeigt werden, weiß Anosh noch nicht. Vielleicht in der Straze in Greifswald, überlegt er laut. Für Angebote und Vorschläge sei er offen.

Quellen

  1. Die Burka bedeckt den gesamten Frauenkörper vollständig, die Augen sind mit einem engmaschigen Gitter bedeckt. Sie ist keine traditionell islamische Bekleidung. Die Taliban zwingen Frauen, sie in der Öffentlichkeit zu tragen. (NDR (Hg): Verschleierung: Burka, Niqab und Hidschab – das ist der Unterschied, auf: ndr.de (4.8.2017).)
  2. martin-roth-initiative.de.
  3. Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung MV (Hg.): Aktuelle Themen, auf: regierung-mv.de.
  4. Schmiedt, Golo: Die Angst der Künstlerinnen in Kabul, auf: deutschlandfunkkultur.de (1.9.2021).

Autor:in

  • Bild von KATAPULT MV Redakeurin Victoria Flägel

    Redakteurin in Rostock

    Rostock-Redakteurin und kinderlose Katzenlady

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