Flucht und Migration

Politisch gewollte Ungleichbehandlung

Aus der Ukraine Geflüchtete erhalten Zugang zu Sozialleistungen, eine Arbeitserlaubnis und eine Krankenversicherung. Und das ohne langjährige, zermürmende Asylverfahren. Dinge, von denen andere Geflüchtete und Migrant:innen in Deutschland nur träumen können. Ganz zu schweigen von einer menschenwürdigen Unterkunft, ausreichender medizinischer Versorgung und dem Schutz der Familie.

„Schon seit Jahren betreibt die Bundesregierung Flüchtlingspolitik nach Klassen“, sagt ein Sozialarbeiter einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende in Rostock, der ungenannt bleiben möchte.

Besonders schwer hätten es seiner Beobachtung nach Geflüchtete aus Afghanistan. Viele seien bereits drei bis vier Jahre in Deutschland, hätten immer noch keinen Aufenthaltstitel und müssten immer noch in Gemeinschaftsunterkünften leben. „Durchschnittlich sind es zwei Jahre, das ist eine lange Zeit. Aber einige wohnen schon sehr viel länger bei uns“, erzählt der Sozialarbeiter.

Keine menschenwürdigen Unterkünfte

Nach der europäischen Asylkrise 2015 wurden viele Unterkünfte geschlossen. „In Rostock hatten wir mal fünf, jetzt sind es nur noch zwei. Und die sind voll. Das waren sie auch schon, bevor der Krieg losging“, sagt der Sozialarbeiter. Wegen der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und der zunehmenden Fluchtbewegung über die Polen-Belarus-Route im vergangenen Sommer seien mehr Menschen gekommen.

Mohammad Aman Anosh floh 2015 aus Afghanistan über die Türkei, das Mittelmeer und Griechenland nach Deutschland. Seit 2018 lebt der 28-Jährige in Rostock. Er kennt den Weg von Geflüchteten durch deutsche Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte, bürokratische Vorschriften und Schikanen.

Laut dem Rostocker Sozialarbeiter sei die diskriminierende Behandlung unterschiedlicher Geflüchteter am deutlichsten bei den Integrationskursen zu beobachten: Noch 2015 durften Menschen aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Eritrea und dem Iran staatliche Integrationssprachkurse belegen. „Diese Regelung wurde immer weiter eingeschränkt. Heute dürfen nur noch Syrer:innen und Eritreer:innen teilnehmen“, sagt der Sozialarbeiter.

Mohammad wurde der Zugang zu Integrationssprachkursen verwehrt. „Die ersten sechs Monate habe ich private Deutschkurse belegt – da habe ich richtig viel bezahlt.“ Doch es sei notwendig gewesen. Sprachkenntnisse brauche man, um Anschluss zu finden, sich zu integrieren und wohlzufühlen.

Ganz Europa ist sich erstmals einig

Aus der Ukraine Geflüchtete erhalten Zugang zum Sozialsystem, eine Arbeitserlaubnis, eine Krankenversicherung, hätten Anspruch auf eine Wohnung und Schulunterricht für ihre Kinder. Grund dafür ist die sogenannte Massenzustromrichtlinie der Europäischen Union, die etwa eine Woche nach Kriegsausbruch aktiviert wurde. In Deutschland wurde sie in Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes umgesetzt. So erhalten aus der Ukraine Geflüchtete eine Aufenthaltserlaubnis für ein bis drei Jahre, ohne Asyl beantragen zu müssen.

Diese Möglichkeit besteht in der EU bereits seit 2001, als Reaktion auf die Jugoslawienkriege in den 1990er-Jahren. Sie sollte im Fall einer großen Fluchtbewegung die schnelle und unbürokratische Erteilung eines rechtlichen Schutzstatus vereinfachen und so die Überlastung von Asylbehörden verhindern, da keine Einzelfälle mehr geprüft werden müssen. Aktiviert wurde diese EU-Richtlinie vorher allerdings noch nie – auch nicht in der Asylkrise 2015. Die EU-Staaten konnten sich vorher nie auf eine Aktivierung einigen.

„Ich begrüße sehr, dass der Paragraf 24 in der ganzen EU umgesetzt wurde“, sagt Jana Michael. Sie ist seit dem 22. Februar Integrationsbeauftragte des Landes. Zwei Tage später begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zum ersten Mal sei sich ganz Europa einig gewesen, dass Menschen schneller aufgenommen werden müssen. „Das ist ganz neu.“ Und ein signifikanter Unterschied zu den vergangenen Fluchtströmen nach Europa.

„Ich möchte das gar nicht schönreden“, sagt die Integrationsbeauftragte zur Ungleichbehandlung von Geflüchteten. Auch aktuell komme es an der polnischen Grenze immer wieder zu rassistischen Vorfällen. „Menschen, die nicht ukrainisch gelesen werden, werden mitunter nicht über die Grenze gelassen.“

Langwierige und schikanierende Asylverfahren

Sieben Jahre hat Mohammads Asylverfahren gedauert, seine Anträge wurden immer wieder abgelehnt. Ein Gericht hat erst kürzlich entschieden, dass er bleiben darf. Doch seinen Aufenthaltstitel hat er immer noch nicht in der Hand, das kann noch ein paar weitere Monate dauern.

Auch der Sozialarbeiter berichtet, dass Geflüchtete immer wieder gegen Bescheide von Behörden klagen und sich aufwendig und langwierig ihr Recht erstreiten müssten. Drei Viertel der Afghanistan-Bescheide sind rechtlich grob falsch und werden von Gerichten kassiert. „Der Staat versucht die Menschen über Jahre mürbe zu machen. Das ist politisch gewollt.“

„Das Asylverfahren hat mich viel Zeit und Mühe gekostet. Und nicht nur mich, sondern viele Geflüchtete, auch aus anderen Ländern“, erzählt Mohammad. Das deutsche Asylsystem sei ungerecht, mache Geflüchteten und Migrant:innen das Leben schwer.

Die Asylpolitik Mecklenburg-Vorpommerns war in den vergangenen Jahren geprägt von Abschottung und dem Diktat der kalten Herzen.

Appell von „Jugend spricht“ an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) für eine Aufnahmeprogramm von Afghan:innen

Vom Wohlwollen der Sachbearbeiter:innen abhängig

Im Herbst 2015 kommt Raid* aus seiner Heimatstadt in Nordafrika nach Berlin. Der damals 19-Jährige wollte schon immer in Deutschland studieren. Seine große Schwester ist schon zwei Jahre vor ihm nach Deutschland gekommen, sie wohnt in Rostock, studiert dort Maschinenbau im Master. Deswegen zieht auch Raid in die Hansestadt, beginnt Mechatronik zu studieren. Ende 2017 läuft sein Studienvisum ab.

Aus Angst, keine Verlängerung zu erhalten und abgeschoben zu werden, meldet Raid sich erst vier Monate nach Ablauf seines Visums bei der Ausländerbehörde. Der Grund: Erst dann hatte er eine eigene Wohnung, einen Mietvertrag und somit eine Meldebescheinigung, die er für die Verlängerung braucht.

Der zuständige Sachbearbeiter macht ihm Mut, als Raid ihn auf seine verspätete Meldung anspricht. Er werde seine Visumsverlängerung erhalten, wenn er bis morgen alle Unterlagen besorge und vorlege. Am nächsten Tag ist sein Sachbearbeiter vom Vortag nicht da. Stattdessen hat er einen Termin bei einer Kollegin, die bis heute seine Sachbearbeiterin bleiben sollte.

Sie verlängert sein Visum nicht. Auf dem Dokument, das er von nun an alle drei Monate erneut erhält, steht „Aussetzung der Abschiebung (Duldung)“. „Wenn man als Ausländer das Wort ‚Abschiebung‘ auf einem offiziellen Dokument sieht, kriegt man Panik“, erklärt Raid. Er habe sofort gegoogelt, was „Aussetzung“ bedeutet.

Kein Zugang zum Arbeitsmarkt

Mohammad ist 21 Jahre alt, als er seinen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften in Afghanistan macht. Er gründet seine eigene Firma, eine Finanzberatung, die mit Softwarelösungen Korruption bekämpfen will. Aus diesem Grund befindet er sich einige Monate später in Lebensgefahr und flieht.

In Deutschland wollte Mohammad weiterstudieren, seinen Master absolvieren. Drei Jahre musste er um seinen Studienplatz kämpfen. Sein Bachelor-Abschluss aus Afghanistan wurde in Deutschland nicht anerkannt. „Ich habe überall nachgefragt, bei der Arbeitsagentur, beim Sozialamt. Ich wollte studieren. Aber alle sagten mir, das Studium sei hier nicht leicht. Ich solle lieber etwas anderes machen.“

Er begann eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. Doch selbst sein Arbeitgeber hielt ihn für überqualifiziert. „Aber ich musste eine Ausbildung machen, um mich vor der Abschiebung zu schützen.“ Durch sie würde er einen Aufenthaltstitel erhalten.

Über die bundesweite Servicestelle für Internationale Studienbewerbungen „Uni Assist“ wurde sein Bachelor mit der Note 1,5 doch noch in Deutschland anerkannt. Mohammad bewarb sich an Universitäten für ein Masterstudium und alle nahmen ihn an: Berlin, München, Rostock. Er entschied sich für Rostock und zog im Oktober 2018 in die Hansestadt, um Dienstleistungsmanagement zu studieren. Seit wenigen Monaten hat er seinen Masterabschluss und arbeitet als Projektkoordinator im Eine-Welt-Landesnetzwerk.

Kein Schutz der Familie

Doch seine ganze Familie lebt noch immer in Afghanistan. Seine Schwester, Hafiza Qasimi, ist Künstlerin und fürchtet seit über einem halben Jahr um ihr Leben. „Die Taliban haben bei der Machtübernahme den Frauen ihre Freiheit genommen. Menschen verhungern, viele Leben sind in Gefahr“, erzählt Mohammad. Seine Stimme bricht.

Er zeigt ein Video von brennenden Gemälden. Seine Schwester hat sie selbst verbrannt. Aus Angst. „Die Taliban gehen in Häuser und kontrollieren, was die Leute zu Hause haben“, erklärt er.

Hafiza und viele andere Menschen, die in Afghanistan um ihr Überleben kämpfen, hoffen auf eine Möglichkeit, zu fliehen. Doch nur Ortskräfte konnten und können nach Deutschland einreisen. Alle anderen nicht. „Die Hauptsache ist, dass meine Schwester da rauskommt. Daran arbeite ich Tag und Nacht“, sagt Mohammad.

Bevor Hafiza ihre Werke verbrannt hat, konnten sie abfotografiert werden. Die Fotografien der Kunstwerke wurden im März in der Petrikirche in Rostock ausgestellt, vom 4. April bis zum 15. Mai werden sie beim Rostocker Frauen*kulturverein „Beginen“ gezeigt. Mohammad plant, die Bilder auch an anderen Orten in MV und ganz Deutschland auszustellen.

Dauerhafte Duldung

Raid erhält seit vier Jahren kein Visum mehr. Von nun an bekommt er nur noch Duldungen, alle drei Monate eine neue. Doch dieser dauerhafte Übergangszustand habe etwas mit ihm gemacht. Die permanente Angst vor der Abschiebung – „acht Monate lang war mir alles scheißegal.“

Dann kam Laura* in sein Leben. „Das ist das Beste, was mir passiert ist.“ Doch die Probleme blieben. „Aber ich habe jemanden an meiner Seite, der ich wichtig bin.“ Sie begleitet ihn auch zu Terminen bei der Ausländerbehörde.

Plötzlich steht auf seiner neu ausgestellten Duldung, dass Raid arbeiten darf. Er arbeitet in verschiedenen Minijobs – in der Systemgastronomie, in einem Supermarkt, als Schnelltester, als Kellner in einer Bar, als Zeitarbeiter in einer Fischfabrik. 

Und er wechselt sein Studienfach, studiert nun Wirtschaftsingenieurwesen. Raid und Laura heiraten. Aus Liebe. Aber auch, weil sie hoffen, dass er in Deutschland bleiben darf, einen Aufenthaltstitel, ein Visum zum Ehegattennachzug erhält. Auch wenn die Sachbearbeiterin in der Behörde Laura von der Heirat abgeraten hat.

Ausländer:innen seien von ihren Sachbearbeiter:innen in den Behörden abhängig, von ihrem Wohlwollen, ihrer Sympathie, ihrer Laune. „Es kommt darauf an, wie gut die Leute drauf sind“, erklärt Raid. Seine Sachbearbeiterin könnte ihm den Aufenthaltstitel ausstellen. Macht sie aber nicht. Und muss sie auch nicht. „Auf Menschlichkeit kann man da nicht hoffen“, sagt Laura resigniert.

Stattdessen muss Raid nun ausreisen. Er muss in die Hauptstadt seines Herkunftslandes fliegen und dort bei der deutschen Botschaft ein Visum für Familienzusammenführung beantragen. Ohne zu wissen, ob er dieses erhält und wieder nach Deutschland zurückkehren darf. Und selbst wenn ihm ein Visum ausgestellt werden sollte, kann niemand sagen, wie lange das dauern wird – wenige Wochen, einige Monate, mehrere Jahre?

„Ich habe ein Studium, ich habe zwei Jobs, ich habe meine Ehefrau. Ich habe mein Leben hier“, sagt Raid. Das Verwaltungsgericht hat in der ersten Instanz im Sinne der Ausländerbehörde entschieden: Raid habe sein Visum nicht rechtzeitig verlängert und sich daher illegal in Deutschland aufgehalten. Der im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie, der allen Menschen garantiert wird – nicht nur Deutschen –, wird so von der Ausländerbehörde und dem Gericht vollständig außer Acht gelassen.

Raid und Laura kämpfen weiter. „Ohne meine Anwältin wäre ich aufgeschmissen“, sagt Raid. Er hofft auf einen Aufenthaltstitel zum Ehegattennachzug. Oder darauf, dass die Zeit für ihn arbeitet. Hat er sein Studium beendet, erhält er ein Arbeitsvisum.

Umgang mit ukrainischen Geflüchteten als Vorbild für Asylverfahren

„Ich finde es toll, wie die Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland aufgenommen werden“, sagt Mohammad. „Aber in Afghanistan, Syrien, im Irak, überall ist Krieg, viele Menschen sind in Gefahr. Das nehmen die meisten gar nicht wahr“. Nichteuropäischen Menschen würden in deutschen Asylverfahren Steine in den Weg gelegt werden. „Was ich erlebt habe, sollte niemand durchmachen müssen.“

Die Flucht über das Mittelmeer sei nach wie vor tödlich, räumt Jana Michael ein. Und dass Menschen im normalen Asylverfahren Zugänge zu Arbeitsmarkt und Bildungsinstitutionen nicht so schnell ermöglicht werden, tue ihr sehr leid. 

„Ich komme selbst aus der migrantischen Gesellschaft.“ Die Stralsunderin stammt aus der damaligen Tschechoslowakei. „Ich wünsche mir auch, dass Menschen nicht so lange in Gemeinschaftsunterkünften bleiben müssen. Dass alle Menschen, die hier ankommen, ein Zuhause finden.“

„Es ist demotivierend, dass Behörden ihre Infos nicht weitergeben“, sagt Mohammad. Daher hat er die Initiative „Jugend spricht“ von Migrant:innen für Migrant:innen gegründet. Dort werden Erfahrungen ausgetauscht, Tipps gegeben und sich gegenseitig unterstützt.

Ich habe heute mit der Ausländerbehörde telefoniert. Eine Freundin, Deutsche, hat zugehört und mitbekommen, wie rassistisch mit mir geredet wird. Genau das ist strukturelle Diskriminierung.

Mohammad Aman Anosh

„Warum unterscheidet man zwischen den Menschen, warum werden wir unterschiedlich behandelt?“ Ihm werde von Behörden das Gefühl gegeben, hier nicht herzugehören. „Das ist traurig und verletzend.“ Mohammad wünscht sich, dass alle Beamt:innen eine interkulturelle Weiterbildung machen. Nicht nur in der Ausländerbehörde, sondern auch im Jobcenter, der Arbeitsagentur, dem Sozialamt. „Ich selber habe in den letzten Jahren von anderen Kulturen so viel gelernt und mitgenommen, das ist schön.“

Mangelnde Gesundheitsversorgung

Franziska Rebentisch wünscht sich, dass die medizinische Versorgung in Deutschland für alle Menschen niedrigschwellig und barrierefrei funktioniert. „Ärztliche Versorgung ist ein Menschenrecht“, sagt die Ärztin am Psychosozialen Zentrum für Geflüchtete und Migrant*innen (PSZ) in Rostock.

Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben Geflüchtete in den ersten 18 Monaten in Deutschland, bevor sie eine Krankenversicherung erhalten, nur Anspruch auf medizinische Notfallversorgung, also bei akuten Erkrankungen und Schmerzen. „Das muss alles vom Sozialamt abgesegnet werden“, erklärt Rebentisch.

Während es in einigen Bundesländern eine Gesundheitskarte für Geflüchtete gibt, mit der sie sich direkt an Ärzt:innen wenden können, müssen sie in MV einen Krankenschein beim Sozialamt beantragen. „Dann entscheiden fachfremde, nichtmedizinische Menschen, ob ein Arztbesuch notwendig ist“, sagt Rebentisch. Oft entscheide das Amt dann, dass dieser nicht notwendig sei.

Eine Behandlung chronischer Krankheiten und Psychotherapien sind außerdem nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gar nicht vorgesehen. Doch gerade Traumata seien bei geflüchteten Menschen ein großes Problem. „Und die Gemeinschaftsunterkünfte tragen nicht gerade dazu bei, dass sich die psychische Situation verbessert“, ergänzt Rebentisch. Während es schon für Menschen mit deutschem Pass und Muttersprache schwierig ist, einen Therapieplatz zu erhalten, sei es für Geflüchtete nahezu unmöglich.

Einige Geflüchtete würden sich außerdem nicht trauen, medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Aus Angst, die Versorgung selbst zahlen zu müssen oder abgeschoben zu werden. Zu Recht: Die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere und Aufenthaltsstatus muss über das Asylamt abgerechnet werden. „Das Asylamt gibt manchmal medizinische Daten weiter, obwohl das nicht erlaubt ist. Dann werden die Menschen abgeschoben“, kritisiert Rebentisch.

Für die Geflüchteten aus der Ukraine hingegen hätte sich schnell ein ehrenamtliches Netzwerk aus Haus- und Kinderärzt:innen aufgebaut, das die Versorgung übernimmt. Das sei schnell und unbürokratisch abgelaufen. „Was ich ganz toll finde.“ Doch Rebentisch gibt zu bedenken: „Im Vergleich zum Umgang mit den restlichen Geflüchteten ist es schockierend, was eigentlich alles möglich ist.“

Fast 20 Personen stehen allein in Rostock auf der Warteliste für psychische Versorgung. Aufgrund des Krieges in der Ukraine geht das PSZ davon aus, dass der Bedarf weiter steigen wird.

Der Umgang mit den Geflüchteten aus der Ukraine könnte eine Blaupause für alle Menschen sein. Gleichzeitig verweist Jana Michael darauf, dass es nicht nur Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine gebe. Die Integrationsbeauftragte sieht das Risiko einer Ausbeutung Geflüchteter – insbesondere geflüchteter Frauen auf dem Arbeitsmarkt. 

Sie habe bereits einschlägige Anrufe erhalten. „Da wurde ich dann gefragt: ‚Wie viele ukrainische Frauen haben Sie vorrätig, was können Sie anbieten?‘“ Die positive Stimmung den Geflüchteten gegenüber könne schnell umschlagen, warnt sie. 

* Namen von der Redaktion geändert.

Dieser Text erschien in Ausgabe 6.

Quellen

  1. Hansen, Anna: Polen-Belarus-Route: MV erhöht Aufnahmekapazitäten für Geflüchtete, auf: katapult-mv.de (22.10.2022).
  2. Auch „Richtlinie über temporären Schutz“ genannt.
  3. Bundesministerium des Innern und für Heimat (Hg.): Fragen und Antworten zur Einreise aus der Ukraine, auf: bmi.bund.de / Pieper, Oliver; Richtmann, Mathis: Asyl: Welche Regeln und Leistungen gelten für Ukraine-Flüchtlinge?, auf: dw.com (4.3.2022) / Tagesspiegel (Hg.): EU will Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vereinfachen, auf: tagesspiegel.de (28.2.2022).
  4. Artikel 6 Grundgesetz.
  5. Das PSZ besteht aus vorwiegend ehrenamtlichen Ärztinnen, Sozialarbeitern, Psychotherapeuten, Dolmetscherinnen, Kunsttherapeutinnen sowie einer hauptamtlichen Koordinatorin in Teilzeit und bietet Geflüchteten seit 2021 Beratungen und Therapien.
  6. §§ 4, 6 Asylbewerberleistungsgesetz.

Autor:in

  • Bild von KATAPULT MV Redakeurin Victoria Flägel

    Redakteurin in Rostock

    Geboren in Rostock. Aufgewachsen in Rostock. Studierte in Rostock. Und Kiel.